LEICHTMATROSE – Jonny fand bei den Sternen sein Glück (Anders sein) EP

LEICHTMATROSE - Jonny fand bei den Sternen sein Glück (Anders sein) EP
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9 Bewertung

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9.5

Nachdem die Zeit seit seinem Debütalbum Gestrandet irgendwie immer länger wurde, musste man so langsam schon befürchten, dass der Leichtmatrose mittlerweile tatsächlich gestrandet oder womöglich sogar gekentert sei. Umso glücklicher war ich, dass jetzt endlich ein neues Output meines deutschen Lieblingsbarden ansteht. Es hört auf den wenig prägnanten Titel Jonny fand bei den Sternen sein Glück (Anders sein) und weist all jene Zutaten auf, die Andreas Stitz von Beginn an zu einem der interessantesten deutschen Künstler gemacht haben: Sprachwitz mit Tiefgang und Melodien, die sofort im Ohr bleiben und die man dort für immer einschließen möchte.

Der Titelsong handelt vom oberflächlichen Leben und all jenen, die sich diesem verschreiben, ihr eigenes Ich verleugnen um aus der Masse herauszustechen und zu den „coolen Kids“ zu gehören. Immer auf der Suche nach dem großen Spaß gerät man in einen wahren Rausch, dem man sich nur schwerlich entziehen kann, entfernt sich immer weiter vom eigenen Selbst, bis man die Bodenhaftung verliert, über das eigentliche Ziel hinausschießt und dann besonders tief fällt. War man bis dahin noch akzeptiert („er war unser Bruder, auch er durfte anders sein“), ist man danach nicht mehr wirklich von Belang („war alles nur ein Spiel“). Unnötig zu erwähnen, dass das Ganze natürlich wieder vom Leichtmatrosen nett verpackt wird und man schon hinhören muss, um beim zum Mitsingen einladenden Refrain auch das Bittersüße zu erkennen. Ein Einstand nach Maß quasi.

An dieses „später vergessen sein“ knüpft auch der nachfolgende Track an. Niemand Geringeres als Herbergsvater Joachim Witt singt bei Hier drüben Im Graben das Duett mit Andreas Stitz und den beiden gelingt es, ein so heikles Thema wie die Traumatisierung von Kriegsgeschädigten emotional gekonnt aufzuarbeiten und deren Sehnsucht, Verzweiflung, Trauer und Frust zu verdeutlichen. „Jürgen hörst Du die Welt, heute bist du ein Held, morgen wieder allein, es wird immer so sein“ heißt es da wenig tröstlich und es verdeutlicht leider allzu real die den Soldaten im Ernstfall zugewiesene Rolle: Sie müssen als Werkzeug funktionieren, sich aufopfern und werden nach kurzem Abfeiern fast zwangsläufig vergessen. Sehnsüchtig bittet er noch „Schein‘ mein Stern und hol mich heim“, bevor das Trauma schlussendlich über den eigenen Überlebenswillen obsiegt. Ein beeindruckender Song, der geadelte Barden förmlich in den Schatten stellt.

Bevor der Ludie Mix, eine minimalistische Version von Jonny fand bei den Sternen sein Glück (Anders sein) im A cappella Stil die EP beschließt, ist es noch ein weiteres Mal Zeit für einen textlichen Hochgenuss. Auch bei Reingelegt geht es recht morbide zu, denn aus den hier verwendeten Worten spricht alles andere als Sympathie für das besungene Subjekt. Amüsant und hart zugleich wird das Unglück heraufbeschworen, das lyrisch imposante Ende hält man sich aber für das große Finale auf, bei dem der Leichtmatrose wieder einmal sein lyrisches Ausnahmetalent unter Beweis stellt. Andreas Stitz spricht fließend schwarzen Humor und setzt damit wieder einmal Maßstäbe.

Tracklist:
01. Jonny fand bei den Sternen sein Glück (Anders sein)
02. Hier drüben im Graben
03. Reingelegt
04. Jonny fand bei den Sternen sein Glück (Anders sein) (Ludie Mix)

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