Vielen Dank für die Einladung, schön euch wiederzusehen. Was könnt ihr uns zum kommenden Album sagen?
Andy: Ich begann es zu schreiben und dann, fast wie Magie, war es ein Jahr später fertig *lacht* Nein, im ernst: Es war alles anders als zuvor, der Prozess des Schreibens war ein ganz anderer. Ich nahm mir dieses Mal viel mehr Zeit es fertig zu stellen, sowohl Produktionstechnisch, als auch vom eigentlichen Songwriting her. Normalerweise ist es, wenn ich an einem Album schreibe, ein fester Arbeitsablauf durch das Album: Ich schreibe bis es fertig ist. Jetzt bin ich diesen Zyklus mehrere Male durchgegangen, denn ich hatte eine Menge Material zur Auswahl. Dieses Mal habe ich mich nicht einfach nur darauf konzentriert ein komplettes Album zu machen, sondern bin mit Konzept herangegangen und entstanden ist fast schon eine Art Storybook. Es ist das abwechslungsreichste Album, das wir jemals gemacht haben. Ich denke, es ist sehr Electro, aber es gibt auch die wohl härtesten Rock-Einflüsse, die wir je hatten. Es ist alles sehr gemischt, es gibt sogar einige akustische Stücke darin, die wirklich dunkel sind und sehr gut zur Atmosphäre des Albums passen. Trotzdem gibt es natürlich immer noch eine Menge Electro darauf. Früher war es mir nur wichtig ein Album zu veröffentlichen mit dem ich gut leben kann, dieses Mal freue ich mich sagen zu können, dass es mein bisheriges Lieblingsalbum ist und ich komplett dahinterstehe.
War der Wechsel der beteiligten Personen für die unterschiedliche Entwicklung des neuen Albums mitverantwortlich?
Andy: Ich glaube nicht, dass sie irgendetwas mit eingebracht haben… *lach* Nein quatsch, wir haben vieles unserer Live-Performance mit ins Studio genommen. Als wir den Soundtrack zu Devil May Cry (No Redemption) aufgenommen haben, waren alle überrascht. Aber um ehrlich zu sein, war das nur eine Zwischenstation, kein reguläres Album das Combichrist wirklich repräsentiert. Allerdings hat es etwas in uns ausgelöst, aber wir wollten nicht in dieser drastischen Weise fortfahren. Wir spielen einige der Songs live, weil wir sie gerne spielen. Wir wollen ein bisschen mehr in dieser Art machen, aber zur gleichen Zeit auch mehr Electro bieten. Und das ist es, warum das neue Album so wie es ist geworden ist. Wir wollten einfach von allem mehr, mehr Electro, mehr Rock, mehr Düsterheit. Alles kam irgendwie zusammen und ist ein Ergebnis dessen, was man mit diesen Jungs auf Tour erlebt. Als ich ins Studio ging, konnte ich innerlich hören, wie es sich später anhören sollte.
Du kümmerst dich also um das Songwriting?
Andy: Ja, sie beeinflussen mich, aber sie schreiben nicht mit mir. Trotzdem würde sich die Musik ganz anders entwickeln wenn die Live-Einflüsse der Jungs nicht wären. Man nimmt einfach vieles mit und dann denke ich mir im Studio schon Mal „was würde Joe hier spielen?“ oder „Was wäre hier jetzt so richtig schwer zu spielen für Joe?“ *grinst Joe schelmisch an*
Joe: Für mich ist das auch wirklich richtig spannend, gerade weil Andy kein Drummer ist und Sachen schreibt, auf die ich als Drummer niemals kommen würde. Durch seine Art als Nicht-Drummer zu denken, treibt er mich letztendlich immer weiter an, ein besserer Drummer zu werden.
Andy: Wenn ich Live-Drums im Studio behandele denke ich tatsächlich: „Was würde Joe hier tun?“ und wie es wäre, wenn Joe jetzt wirklich am Schlagzeug säße. Zumindest habe ich das so fürs neue Album gemacht. Und wenn das getan ist, schlage ich noch etwas Besonderes oben drauf und denke „Jetzt muss er wirklich hart arbeiten“ *alle lachen* Ich glaube das macht die Band besser!
Ich entstamme der Punk-Rock-Szene und in der Hardcore-Szene bin ich mit dieser Musik und auch ein wenig Metal aufgewachsen. Als ich dann mit elektronischer Musik anfing wollte ich eigentlich gar nichts mit der Musik aus meiner Kindheit zu tun haben, ich wollte es rein elektronisch angehen, weil es etwas komplett Neues für mich war. Aber jetzt fühle ich mich an einem Punkt angekommen, wo ich das alles etwas erwachsener sehe. Ich mache das was ich für richtig halte und nicht mehr zwangsläufig das was ich eigentlich tun sollte.
Das Songwriting fühlt sich jetzt natürlicher an. Und das ist es auch, was dieses Album ausmacht, jeder Song ist wirklich sehr unterschiedlich und ich habe sie alle geschrieben ohne viel Zeit darauf zu verwenden zu welchem Genre oder welchem Stil es passen sollte. Es ist also wirklich ein ehrliches Album.
Ihr habt euch also tatsächlich wieder ein wenig vom EBM hin zum Rock entwickelt. Heute (Breda) und morgen (Leipzig) spielt ihr als reguläre Combichrist live und dann am darauffolgenden Tag ebenfalls in Leipzig urplötzlich beim Gothic Meets Klassik Event mit Orchester. Warum?
Andy: Weil es wirklich richtig spannend ist. Es ist eine Ehre gefragt zu werden, ob man nicht einmal mit einem Orchester spielen möchte. Und anstatt einfach zu sagen „Nein, das klappt sowieso nicht“, tun wir alles, dass es eben doch funktioniert. Wir haben großen Respekt vor den Orchestermusikern, ihren Fähigkeiten und ihrer kompletten Ausbildung. Aber wir wollen beweisen, dass wir das zu einem gewissen Grad auch hinbekommen. Wir gehen es also zum einen an, weil es eine Ehre ist, zum anderen aber auch um dort rauszugehen, den Leuten in den Arsch zu treten und Spaß zu haben!
Roger: Normalerweise habt ihr soviel Energie auf der Bühne und das spüren die Zuschauer. Am Sonntag mit Orchester müsst ihr euch wohl zurücknehmen!?
Andy: Es wird ruhiger, aber es geht dabei nicht wirklich um die Energie, sondern die Stimmung. Wir haben geprobt und es wird dramatisch dunkel. Also eher eine Art von emotionaler statt konfrontierender Energie.
Abbey, Combichrist waren immer harter, dunkler Electro und nun kamst du mit deiner Gitarre, was dann ja auch für die neuen Songs berücksichtigt werden musste.
Abbey: Ich habe wirklich viel Freude daran, selbst Musik zu schreiben. Als Joe mich vor einer alten Band retten wollte, habe ich mich dieser Band hier angeschlossen. Ich hatte nun eine wirklich lange Liste an Songs zu lernen. Ich habe mich buchstäblich also hingesetzt und diese Stück für Stück gelernt. Ich habe Industrial Gitarren-Riffs geschrieben, die richtig auf der Musik lagen, und habe im Grunde auch nichts von den elektronischen Elementen weggenommen. Ich habe lediglich eine Extra-Schicht von etwas, das mich begeistert, hinzugefügt. Bei neuen Songs, die er jetzt schreibt, werden die Gitarren-Riffs berücksichtigt. Ich füge nur ein extra Live-Element, nämlich die aggressive Gitarre, hinzu. Ich bin wirklich stolz darauf, was ich getan habe.
Andy: Als wir Abbey gefragt hatten, hatten wir die Gitarrenspuren noch nicht für ihn bereitet, so dass der zu erfüllende finale Test um Mitglied bei uns zu werden war: kann er das auch alleine? Er hat mir also einige Samples fertig gemacht und sie mir geschickt.
Abbey: Jeden Track, den ich gemacht habe, habe ich aufgenommen und habe von jedem Anerkennung dafür bekommen…
Andy: …und sie mir geschickt. Und das war schließlich einer der Gründe, weswegen ich ihn in der Band haben wollte, weil er wirklich das gewisse Etwas in die Songs hineinbringt.
Von Z Marr über Joe bis hin zu Abbey oder irgendwem anderes, der bisher Teil der Band war… ich habe nie irgendwem vorgeschrieben, was er spielen soll. Denn wenn ich das tun würde, wären wir nicht mehr länger eine Band. Wenn ich auf der Bühne bin, dann kann ich mir darüber keine Gedanken machen, was jeder gerade tut. Sie müssen also in der Lage sein, das zu tun, was sie selbst zu tun haben. Sie müssen dazu fähig sein dort hinauf zu gehen, zu spielen und aus dem Ganzen eine bessere Show zu machen. Und ich denke genau das ist es, was diese Band von anderen Bands unterscheidet. Andere Bands gehen da hoch und spielen das, was ihnen gesagt wird. Wir gehen hinauf und lieben wirklich das, was wir da tun und jeder erschafft seinen eigenen Anteil daran. Auf der Bühne ist Combichrist die Band! Off-Stage bin ich es, aber auf der Bühne bin ich es nicht – es ist die Band.
Joe, du hast auf Instagram gepostet, dass du deine Drums verschenkst…?
Joe: Das ist eine lange Geschichte. Ich habe ein neues Sponsoring von einer neuen Firma bekommen. Meine neuen Drums sind bisher noch nicht angekommen, also habe ich nun erst mal gemietete. Die alten Drums kann ich nicht mehr verwenden, also wollte ich sie loswerden. Ein kleines Geschenk für meine Fans.
Andy: Es waren Jahre über Jahre der Zerstörung von Drums und jeden zweiten Tag gab es wieder neue. Wir haben wirklich hunderte davon. Nachdem ich eines zerstört habe, bekomme ich direkt etwas Neues. Aber statt sie endlich mal loszuwerden, sammeln wir sie.
Abbey: Wir nehmen 10 Drums und machen daraus eins… Wir schleppen hunderte Drum Sets über die ganze Welt.
Andy: Wir könnte auch alle Einzelteile nehmen und daraus etwas wie Frankenstein erschaffen… *lacht*
Roger: Wann kommt euer neues Album raus?
Andy: Das Album ist fertig. Wir haben es gerade gemastered und dann wird es im März 2014 (Deutschland: 21.03.2014) veröffentlicht. Ich bin sehr zufrieden damit.
Das neue Album ist zusammen mit diesen 4 Jungs entstanden? Was ist mit Tiffany?
Andy: Ja, Tiffany ist unsere neu Keyboarderin. Ein neues Bandmitglied!
Z Marr: Aber ich bin auch noch dabei. Ich habe ihr beigebracht, wie man den ganzen Kram, den ich so mache, auch richtig macht und habe ihr gezeigt, wie es am besten funktioniert. Und natürlich auch, wie man sich am besten an das Musik-Schreiben für diese Band, diese Art der Musik herantastet. Es ist gar nicht so einfach, seinen Part in den ganzen Programmierungen unterzubringen und diese sinnvoll zu ergänzen.
Andy: Sie ist so eine großartige Performerin. Sie hat mit uns bisher eine Show gespielt, und sie passt wirklich sehr gut in die Band. Zudem ist sie seit vielen Jahren wie eine Schwester für uns. Wir kennen sie nun schon über 10 Jahre und es fühlt sich wirklich alles sehr natürlich an. Ich bin schon richtig gespannt mit dem neuen Album im Gepäck da raus zu gehen und es zu präsentieren.
Wird es denn auch eine neue Tour zum Album geben?
Andy: JA.
Auf eurem Tourplan stehen einige Performances mit der „Old School“ Formation von Combichrist (nur mit Joe oder mit Björn).
Andy: Während wir an dem neuen Album gearbeitet haben, wollte ich einfach mal raus. Ich wollte das nicht mehr mit der kompletten Band machen und nicht schon wieder das tun, was ich in den letzten Jahren getan habe. Es sollte einfach mal etwas komplett anderes werden, als ich das neue Album beendet hatte und wieder ein bisschen mehr dieses Gefühl hatte, die eigenen Wurzeln zu spüren. Wir haben wirklich in kleinen Clubs gespielt, nur ich und Joe, nur Z Marr und ich, Björn und ich, sogar Tiffany hat eine Show mit mir gemacht. Die zentrale Idee war, einfach mal kleinere Clubs zu bereisen und eher das alte Zeug zu spielen. Sozusagen als eine Art der Wiederverbindung mit den Wurzeln der Band. Das ist, was ich gemacht habe, während die Arbeiten am neuen Album liefen. Zudem ist es gut möglich, dass wir, sobald das neue Album veröffentlich ist, keine Zeit dazu haben, in den Sets so viel von unseren alten Songs unterzubekommen. Für mich war das etwas ganz Natürliches, rauszugehen und diese letzten Shows mit den alten Songs zu spielen. Ich meine, ich sage ja nicht, dass wir diese Songs nie wieder spielen werden, aber ab Anfang nächsten Jahres wird dann erst einmal das neue Material im Mittelpunkt stehen. Natürlich wird es hier und da aber auch noch ein paar Klassiker geben. So funktioniert es einfach. Das wäre ja sonst, als ob Depeche Mode plötzlich nicht mehr Enjoy the silence oder Personal Jesus spielen würden. Das, was man spielen muss, muss man eben spielen. Wir werden noch einige Shows machen… Hamburg, Duisburg, London, Amsterdam. Und nächstes Jahr wird es dann die neue Show geben.
Z Marr: …erst die Proben und dann die neuen Shows.
Vielen Dank für das Interview. Wir sehen uns heute Abend auf der Show in Breda (25.10.2013) und morgen in Leipzig (26.10.2013)!
Alle: Danke!
Das Interview führte Stefan Bertram mit Combichrist am 25.10.2013 in Breda
Audio & Backstage-Foto: Roger op den Camp