„Zum ersten Mal, seit dem ich Songs schreibe, habe ich zur Plattenfirma gesagt: das ist die Single!“
Was bedeutet der Albumtitel Automation Baby? Er klingt ein wenig nach Achtung Baby! von U2?
Ich persönlich war auch etwas besorgt, dass die Leute das denken. (lacht) Die Plattenfirma kam eigentlich auf die Idee, als wir mit dem Song Automation Baby ankamen. Das Album musste einfach so heißen, weil der Name einfach so so eingängig klingt und man das nicht von einem Mesh Album erwarten würde. Der Titel bringt auf den Punkt, was die CD ausmacht. Das Album handelt von Konsum, übermäßigen Gebrauch von Technologie, soziale Medien, Emails. Es gibt viele Menschen in der Welt, die sehr einsam sind, obwohl sie diese ganzen Informationen und die Technologie haben und der Albumtitel Automation Baby fasst dies alles zusammen.
Ich glaube, dass ihr besonders beliebt in Deutschland seid. Was meinst Du, woran das liegt?
Ich denke, es gibt eine gute elektronische Szene in Deutschland. Die Deutschen lieben alle Spielarten elektronischer Musik, die sie in ihren Herzen aufbewahren. Bands wie Depeche Mode werden fast wie Götter behandelt, auch wenn man lange Zeit zurückdenkt an Bands wie z.B. Kraftwerk, kann man fast sagen, Deutschland ist das Zuhause der elektronischen Musik. Und die Deutschen Fans mögen auch das, was wir machen.
Ein cooler Track auf dem Album ist meiner Meinung nach Taken for granted, der mit einigen Dubstep Elementen spielt. Kam die Idee dazu während der Produktion der CD?
Als wir vor einigen Jahren auf der großen USA Tour waren, hat jemand unserer Roadcrew Skrillex gespielt und das war das erste mal, dass ich Dubstep in einer sehr geilen Art und Weise gehört habe und ich dachte: dieser Typ macht etwas Neues, etwas, was elektronische Musik einfach braucht, etwas wirklich Anderes. Und dann habe ich mich hineingehört, genauso wie mein heranwachsender Sohn, der viel Dubstep hört. Ich mag einfach diese Elemente und ich wollte ein paar Effekte einbauen, damit das Album ein wenig aggressiver klingt.
Das Lustige ist, ich hatte die gleiche Idee, Dubstep-Elemente in Synthpop zu packen und dann habe ich euer Album gehört und dachte: Mist! Ihr ward schneller!
Oh mein Gott, nun fühle ich mich ganz schlecht! (lacht)
Du hast gerade über eure Amerikatournee gesprochen. Was magst Du am liebsten, wenn ihr auf Tour seid?
Mh…das Catering.
Du Lügner!
Ich denke, es ist am Schönsten, wenn man auf Tour Menschen trifft. Die ganze Vorbereitung auf die Konzerte ist ein absoluter Alptraum für uns, bis wir erst mal auf der Bühne stehen und die ersten Shows spielen, ist das schon harte Arbeit. Aber wenn man dann erst mal „im Flow“ ist, die Fans trifft, oder hört, wie sie die Songs mitsingen, ist das das Größte, was man beim Musizieren erleben kann. Und das ist auch der Grund, warum wir es kaum erwarten können, wieder unterwegs zu sein.
Kannst Du Dich an deinen ersten Auftritt erinnern und wie Du dich dabei gefühlt hast?
Oh mein Gott. Wir haben in einem ganz kleinen Pub in Bristol namens „The Mauretania“ gespielt und ich hatte die Hosen voll, es waren viele Freunde da, wie das wohl bei den meisten Bands so ist, dass man Bekannte und Familie um sich scharrt. Aber es war ein guter Auftritt, obwohl wir sehr ängstlich waren.
Mark schreibt ja alle Texte und diese handeln oft von Liebe, Beziehungen usw. Hat er das alles persönlich erlebt? Ist das autobiographisch?
Er schreibt oft über Sachen, die er sieht, nicht unbedingt über das, was er selber erlebt hat. Viele Dinge beobachtet er im Fernsehen oder liest sie in der Zeitung und er versucht sich in die Gedanken anderer Menschen zu versetzen, aus ihrer Warte aus zu beschreiben. Er ist nicht mal eine depressive Persönlichkeit, obwohl die Songs teilweise düster und bedeutungsvoll daherkommen. Er ist einfach ein normaler Typ, der Musik macht.
Was würdest Du Newcomerbands empfehlen: ihre Musik selber zu produzieren oder zu einem Produzenten zu gehen?
Ich meine, wenn Du es selber machen kannst, ist das schon eine große Leistung. Die meisten Bands, die Du heute in den Charts hörst, werden von den Produzenten gemacht, sogar die Songs werden für die Interpreten geschrieben. Diese ganze Fabrikware tötet die echte Musik und es gibt ein großes kreatives Loch, wo es doch besser Bands geben sollte, die ihre eigenen Stücke schreiben. Es ist schön zu sehen, wenn Bands alles selber machen, vom Songwriting bis hin zur Produktion.
Ihr benutzt oft Gitarren, um den typischen Mesh-Sound zu bereichern. Würdet ihr euch trauen, ein reines Rock ´n Roll Album zu machen?
Ich glaube nicht. Wir benutzen Gitarren, um dem Sound einen rockigeren Anstrich zu verpassen. Mein persönlicher Musikgeschmack bewegt sich weniger in der Rockmusik, ich mag die Kombination der beiden Dinge. Ich mag die Aggressivität elektronischer Musik und wir benutzen z.B. auch Livedrums, um den Songs einen härteren Rahmen zu geben. Ich glaube, wir sind nicht so gute Musiker, um mit einem reinen Rockalbum um die Ecke zu kommen.
Welche Musik hörst du privat? Gibt es da Lieblingsbands, die du bevorzugst?
Ich habe eine breitgefächerten Musikgeschmack. Wie schon erwähnt, höre ich viel Dubstep-Kram im Moment. Trance, alternative Musik wie Muse, Nine inch Nails, und auch z.B. den Komponisten Craig Armstrong, der viel melancholische Orchestermusik macht, das ist phantastisch und so etwas mag ich gerne.
Apropos andere Bands: mit welchen Künstlern würdest Du gerne in Zukunft zusammenarbeiten?
Ich weiß es ehrlich gesagt gar nicht. Ich war schon immer ein großer Fan von Trent Reznor und was er mit Nine inch Nails macht und wie bereits erwähnt von Craig Armstrong. Er komponiert viel für Streichorchester und ich weiß, dass er am Massive Attack Album mitgearbeitet hat. Es wäre ein großer Traum, mit jemanden wie ihm zusammenzuarbeiten, der unsere Songs klassisch mit einem großen Orchester arrangieren könnte. Wir waren bisher nicht in der Lage, so etwas umzusetzen.
Man weiß ja nie, vielleicht klappt das ja irgendwann!
Vielleicht, das wäre auf jeden Fall klasse.
Wie würdest Du den perfekten Popsong beschreiben?
Vielleicht ein Song, der sehr eingängig ist, nicht auf den ersten Blick zwar, aber ein Song, der eine Bedeutung hat. Er muss gut strukturiert sein und dem Hörer was auf den Weg geben. Etwas, was einfach im Ohr bleibt.
Welcher Song auf dem neuen Album ist dein Favorit?
Das ist eine schwierige Frage, da jeder Track eine andere Bedeutung für mich hat. Aber zum ersten Mal, seitdem ich Songs schreibe, habe ich zur Plattenfirma gesagt: Born to lie ist die Single! Ich wusste einfach, dass es ein sehr starker Song ist und aus kommerzieller Sicht der stärkste Track auf dem Album. Aber auch You couldn´t see this coming. Er ist sehr gefühlvoll und ich bekomme immer eine Gänsehaut, wenn ich ihn höre.
Was habt ihr für die Mesh-Tour geplant? Wird es ein paar Überraschungen geben?
Wenn ich Dir das jetzt sagen würde, würde es keine Überraschung mehr sein, oder? Wir versuchen immer, etwas anderes auf die Bühne zu bringen. Mark arbeitet gerade an einigen Videos, es wird viele Medien, viele Bilder geben. Einige Sachen für das Album wurde auf dem iPad geschrieben. Wir haben z.B. viele Loops benutzt und wir überlegen, solche Sachen auch live zu präsentieren, indem wir auf iPads und iPhones spielen. Wir haben es zwar noch nicht getestet, aber wenn es funktioniert, werdet ihr es auf der Bühne erleben.
Das konnte man ja auch schon im Making of von Automation Baby auf youtube sehen.
Ja, das sind echt sehr nützliche Tools.
Wenn euch jemand fragen würde, ob ihr Lust hättet, den Titelsong des nächsten James Bond Film zu komponieren, würdet ihr das gerne machen?
Oh ja, das würde ich sehr gerne machen. Man hat uns sogar schon einmal gesagt, dass es passen würde und wenn Du das als Band schaffst, gehst Du in die Geschichte ein.
Vielleicht bräuchtet ihr dann eine weibliche Stimme. Viele Songs wurden ja von Künstlerinnen gesungen.
A-ha und Duran Duran haben es ja auch schon gemacht, also gibt es noch Hoffnung für uns.
Wir drücken jedenfalls die Daumen!
Das Interview mit Richard Silverthorn von Mesh führte Frank Stienen im März 2013.