Im Anschluss daran betrat Billy Bragg die Bühne und zeigte das, was ihn seit ca. 30 Jahren ausmacht: Eingebettet von Anekdoten und politisch motivierten Aufrufen, die mitunter länger andauerten als die darauf folgenden Songs selbst, spielte er neben altbekannten Hymnen, wie zum Beispiel „Greetings to the new brunette“, „There is power in a union“ oder das wunderbare „The milkman of human kindness“ auch Interpretationen von Liedern seines großen Idols Woody Guthrie sowie einige Songs neueren Datums.
Bemerkenswert war, wie er es trotz mittlerweile leicht ergrautem Haar schaffte, das Publikum nicht nur mit seinen Liedern, sondern vor allem mit dem ihm eigenen trockenem Humor vorgetragenen Geschichten aus seinem Leben zu unterhalten und zu faszinieren. Wenn er zum Beispiel von seinen Versuchen erzählte, eine deutsche Unterhose käuflich zu erwerben oder von Erlebnissen bei einer Weihnachtsfeier bei Morrissey berichtete, hatte er die Lacher auf seiner Seite. Ein weiteres Highlight waren seine Jubelorgien – als Engländer – über den Sieg des FC Chelsea über Bayern München in der Champions League mit dem letzten verschossenen Elfmeter von Schweinsteiger, die er mit einer gehörigen Portion Schadensfreude vortrug.
Zwar haben sich die Feindbilder des „real denkenden Kommunisten“ über die Jahre gewandelt, jedoch versteht er es immer noch als seine Hauptaufgabe, sein Publikum an seinen weltanschaulichen Bedenken und Überzeugungen teilhaben zu lassen. So stellt er eindringlich Zynismus in der Gesellschaft, den er als Grundübel ausmacht und uns gleichgültig gegen die Machenschaften im Bank- und Wirtschaftswesen werden lässt, an den Pranger oder warnt vor den Gefahren des Internets vor allem für jüngere Nutzer. Trotz allen Ernstes dieser Aufrufe überwiegte jedoch der Spaß bei seinem Konzert, da Billy Bragg es immer wieder schaffte, auch ernste Themen mit einem Augenzwinkern vorzutragen.
Musikalisch besonders hervorzuheben war das zum Abschluss des Hauptteils gespielte „Waiting for the great leap forward“, in dem er den ursprünglichen Text aktualisierte und Themen, wie die Wirtschaftkrise, Internetgefahren und das Champions League-Finale mühelos einbettete sowie – natürlich – dass als letzte Zugabe vorgetragene bravouröse „A new England“, dessen Refrain ausschließlich vom größtenteils ebenfalls mittlerweile in die Jahre gekommenen Publikum gesungen werden musste.
Ein sehr gelungener Abend, der sichtlich auch dem Protagonisten viel Spaß bereitete, ging so zu Ende und hinterließ ein begeistertes und vielleicht auch teilweise geläutertes Publikum.
Setlist:
01. The World Turned Upside Down
02. To Have and To Have Not
03. Red To Blue
04. Greetings to the New Brunette
05. Tomorrow’s Going To Be A Better Day
06. All You Fascists Are Bound to Lose
07. Sexuality
08. The Space Race Is Over
09. Must I Paint You a Picture?
10. Brickbat
11. Milkman Of Human Kindness
12. There Is Power In A Union
13. Waiting for the Great Leap Forwards
14. Tank Park Salute (Z)
15. Levi Stubbs Tears (Z)
16. A New England (Z)
Bilder des Konzerts befinden sich in unserer Konzertfotos Sektion (Bildkommentare sind durch Anklicken der Sprechblase möglich) oder direkt durch Anklicken der jeweiligen Bandfotos.
Anais Mitchell:
Autor: Frank Uhlen
Fotos: Michael Gamon