Dass der Sommer Anfang September noch einmal Einkehr bei uns hält, konnte ja niemand ahnen. Aber genau so war es am ersten Septemberwochenende auf der mittlerweile 6. Nocturnal Culture Night in Deutzen. Neben bombigen 27- 30 °C warteten allerdings auch einige Szene- Größen wie Absolute Body Control, DAF, Fixmer/McCarthy oder Kirlian Camera auf uns.
Natürlich lockten auch Insider- Bands wie Sensory Gate, die bereits im letzten Jahr in Deutzen eine super Show ablieferten, oder Shiv-R Fans aus der ganzen Republik und ihren Nachbarländern in die idyllische Location in Sachsen. Der Kulturpark bot neben viel Grün drei Bühnen, auf denen die verschiedenen Konzerte und Lesungen stattfanden, sowie einen kleinen, aber feinen Mittelaltermarkt, der mit den Spielleuten Ignis Fatuus, Feuershows und weiteren kleinen Schmankerln lockte.
Den.C.T.Bug
Am späten Freitagnachmittag ging es dann auf der kleinen Bühne auch direkt los mit Den.C.T.Bug, einem elektronischen Duo, das im Dezember 2002 ins Leben gerufen wurde. Anders als im vergangenen Jahr hatten sich auch bereits eine Menge Fans vor der Bühne eingefunden und feierten mit Frontmann Kim Hoffmann den Beginn des Festivals. Soundtechnisch wurden einige Anleihen bei bekannten Bands wie VNV Nation oder Suicide Commando getätigt und stimmlich fühlte man sich von Sänger und Entertainer Kim wie vor einen Verwandten von Till Lindemann versetzt. Es kam einem schon alles sehr bekannt vor, auch wenn mir Den.C.T.Bug bis dato kein Begriff war. Dennoch sorgten Songs wie „Elektrostadt“, „Nachtzug“ oder „Kreuzzug“ von ihrer neuen EP für die nötige Stimmung. Ein solider Start!
Setlist
01. Elektrostadt
02. Nachtzug
03. Liebhaber
04. Straftäter
05. Kreuzzug
06. Gotteskrieger
Golden Apes
Auf der großen Bühne folgten direkt die Golden Apes aus Berlin, die mit düster- melancholischer Poesie auffuhren. Die von Peer Lebrecht (Gesang und Keyboard), Eric Bahrs (Gitarre) und Christian Lebrecht (Bass) 1998 gegründete Formation ist schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr auf dem NCN, bescherten sie doch bereits 2007 in Deutzen ihren Fans einen gelungenen Auftritt. Dieser Tage kamen sie mit Songs wie „Leaving Ground“ oder „Digging Towers“ daher und machten mit ihrem eigenen Stil, der sich an Größen wie Joy Division und The Sisters Of Mercy orientiert, ein jedes Fanherz glücklich.
Setlist
01. Devil
02. Leaving Ground
03. Ferryman
04. And thus he spoke
05. Lithium
06. Digging Towers
07. Satin Garden
08. The Happy Losers Sweet Delusion
No More
Als nächstes erwartete uns ein Act, der uns mit auf eine Reise durch Post- Punk, Wave und Minimalelektro nehmen sollte. Mit ihrem Kracher „Suicide Commando“ wurden No More nicht nur bekannt, sondern lieferten Johan Van Roy auch die Idee für sein erfolgreiches Elektro- Projekt. Obwohl Andy Schwarz und Tina Sanudakura, die No More bereits 1979 in Kiel gegründet hatten, mittlerweile ein wenig in die Jahre gekommen sind, hatten sie jedoch die Gabe, ein ganzes Publikum zu faszinieren noch so gut parat, dass bereits bei den ersten Takten die Fans anfingen, mit den Köpfen und Beinen zu wippen. Ob „Midnight People & Lo-Life Stars“, „French Kisses“ oder der besagte Klassiker „Suicide Commando“ – die Menge war gebannt von Andy, der immer mal wieder das Saiteninstrument wechselte, und Tina, die ihre Hände nicht nur gekonnt über den Synthesizer, sondern auch über das Theremin bewegte. No More lieferten einen gelungenen Auftritt ab und waren für mich das erste kleine Highlight auf dem NCN 2011.
Setlist
01. The Kores Of Stockholm
02. Dim The Lights
03. Midnight People & Lo-Life Stars
04. French Kisses
05. In A White Room
06. Something Grows Up
07. Suicide Commando
08. Sunday Mitternacht
09. Teenage Years
10. Schwarzen Mann Geseh’n
11. Caged Heat (Z)
12. A Rose Is A Rose (Z)
13. Maybe Some Day (Z)
Gothminister
Deutlich rockiger ging es nun auf der großen Bühne mit Gothminister weiter. Auch wenn mir die ganze Show auf dem klischeehaft verhangenen Tritt, auf dem sich Frontmann Björn Alexander Brem immer wieder positionierte, etwas albern erschien, waren seine Fans doch von seiner Energie und Dynamik begeistert. Dynamisch ging es dort auf der Bühne tatsächlich zu, denn der geschminkte Gothe, der sich im wahren Leben als Anwalt berufen fühlt, war tatsächlich alles andere als untätig. Mal posierte er gekonnt am Bühnenrand, mal lehnte er sich weit in die Fanmenge oder stolzierte über die Bühne. Neben älteren Song wie „Devil“ oder „Dusk Till Dawn“ präsentierte die Gothic- Metal- Formation aus Norwegen jedoch auch einige Stücke ihres neuesten Machwerks „Anima Inferna“ und heizten ihren Fans kraftvoll ein.
Setlist
01. Intro
02. The Beast
03. Stonehenge
04. Beauty After Midnight
05. Dusk Till Dawn
06. The Possession
07. Devil
08. Anima Inferna
09. Liar
10. Monsters
11. Darkside
12. Open the Gates
13. Happiness in Darkness
Whispers In The Shadow
Whispers In The Shadow standen nun für uns auf der kleinen Bühne bereit. Der optische und akustische Mix aus Fields Of The Nephelim und The Cure sorgte bei einigen Besuchern für großes Interesse und so wurde es nun bereits etwas kuscheliger in den vorderen Reihen. Das anfängliche Soloprojekt von Ashley Dayour, welches er 1996 ins Leben gerufen hatte, entwickelte sich im Laufe der Jahre schnell zu einer vielseitigen Band, die nun auf einen ganz individuellen Stil zurückgreift.
Während Songs wie „The Arrival“ oder „Blood, Sweat And Tears“ voller Hingabe intoniert wurden, sorgten reichliche Portionen Bühnennebel für die nötige Atmosphäre. Die 4 Jungs aus Österreich lieferten dem NCN Publikum eine in sich stimmige und angenehme Show.
Setlist
01. Rites Of Passage
02. The Arrival
03. If Uriel Falls
04. The Lost Souls
05. Neither:Neither
06. The Lightbringer
07. Damned Nation
08. Amenta Descending
09. Blood, Sweat & Tears
10. Babylon Rising Part 1
11. Babylon Rising Part 2
Tyske Ludder
Wurden wir doch gerade noch mit wavigen Sounds umschmeichelt, so wurde das Blatt durch den anstehenden Act auf der großen Bühne doch schnell gewendet. Hart, klar und direkt sind die Botschaften, die von Tyske Ludder in ein krachendes EBM- Gewand gehüllt werden. Wer die Jungs je live erlebt hat, der weiß, dass hier kein Blatt vor den Mund genommen wird.
Mit einer israelischen Flagge bewaffnet und von zwei die Bühne zierenden aufblasbaren Bomben umgeben stürmte Claus bei „Tempelberg“ auch direkt wie ein Wilder über die Bühne und führte die Menge in einen gnadenlosen Auftritt ein. Hier bekam wirklich jeder sein Fett weg und die Songs liefen nur so über vor Sozialkritik und mahnenden Aufforderungen. Dem Publikum gefiel das Treiben und aus tiefstem Leibe wurden Songs wie „Bastard“ oder „Panzer“ mitgegröhlt.
Auch wenn mir persönlich das Gehabe der selbsternannten „Deutschen Hure“ teilweise etwas too much erschien, so waren die vielen angereisten Fans doch zufrieden, nicht nur die großen, sondern auch die ganz kleinen.
Zu bedauern ist nur – aber dafür kann die Band ja nichts -, dass Eltern, die ihre Kinder bei einer Band diesen Kalibers, wo der ein oder andere laute Ton schon mal ein Offensivangriff auf das Trommelfell ist, in die erste Reihe verfrachten, nicht einmal auf die Idee kommen, es mit vernünftigen Ohrschützern auszustatten. Liebe Grufti- Eltern, bei so viel Sozialkritik, die ihr euch bei Tyske Ludder einverleibt, denkt bitte auch an euer eigen Fleisch und Blut. Vielleicht mag der ein oder andere kleine Fan auch in 10 Jahren gerne noch Musik der Band hören können.
Setlist
01. Intro
02. Tempelberg
03. Eugenix
04. Wie der Stahl gehärtet wurde
05. For their glory
06. Androgyner Held
07. Bastard
08. Pädophil
09. Canossa
10. Shokkz
11. Panzer
12. March (Z)
13. Merciless (Z)
[:SITD:]
Nicht weniger elektronisch ging es direkt im Anschluss mit [:SITD:] weiter. Die aus dem Ruhrgebiet stammende Formation bewies in der Vergangenheit nicht nur ein Händchen, wenn es darum ging, eigene Songs zu Club- Hymnen zu erwecken, sondern auch im Remix- Bereich hatte das Trio bisher stets den richtigen Riecher. Und auch an jenem Abend schallte ein Kracher nach dem anderen von der Bühne, ob es nun „Rose- Coloured Skies“, „Richtfest“ oder „Snuff Machinery“ war. Nach vorne war schon lange kein Durchkommen mehr und die kleine Bühne erwies sich als eindeutig zu klein für einen Act mit einer solch enormen Anhängerschaft. Dennoch kam man auch in den hinteren Reihe tanzend und mitsingend auf seine Kosten. Alles in Allem lieferten [:SITD:] eine super Show mit einer Stimmung, die besser nicht hätte sein können, ab.
Setlist
01. Rot
02. Catharsis (Heal Me, Control Me)
03. Rose-Coloured Skies
04. Kreuzgang
05. Herbsterwachen
06. Suffering in Solitude
07. Laughingstock
08. Lebensborn
09. Richtfest
10. Snuff Machinery
Kirlian Camera
Nun war es endlich Zeit für den Headliner auf der großen Bühne: Kirlian Camera. Keinem zweiten Musikprojekt gelingt es, Experimentierfreudigkeit und Clubtauglichkeit so gut zu kombinieren wie der italienischen Formation um die gutaussehende Frontfrau Elena Alice Fossi. Seit der Gründung des spannenden Projekts durch Angelo Bergamini im Jahre 1980 wurden zwar einige Änderungen in der Besetzung vorgenommen, aber egal in welcher Schaffensphase man sich auch befand, der Sound war stets unverwechselbar, inspirierend und mitreißend.
Mit Sturmmasken trat die Band an jenem Abend überraschenderweise zu fünft in die Dunkelheit. Begleitet wurden sie vom atmosphärischen Intro „Black Tiger Rising“, welches in „Winged Child Sitting on a Bench Watching Obscure Clouds Get Closer While People are Looking for a Shelter” überleitete. Schon mit dem ersten Ton verzauberte die Lack- und Leder- Liebhaberin Elena die Fans und für einen knackigen Sound sorgten heute unter anderem auch ein Bassist und ein Gitarrist. Neben den Klassikern „Eclipse“ und „Heldenplatz“ sorgten auch neuere Stücke wie das atmosphärische „Odyssey Europa“ oder die aktuelle Single „Nightglory“, welches als Zugabe sogar noch ein zweites Mal dargeboten wurde, für eine berauschende Stimmung. Besonders bewegend intonierte Elena auch den Ultravox Kracher „Hymn“ und sorgte für eine extradicke Gänsehaut beim begeisterten Publikum.
Kirlian Camera haben genau das geleistet, was ich mir von einem Headliner wünsche: Power, Gefühl und das gewisse Etwas, das den Körper immer wieder mit wohligem Kribbeln erfüllt. Ein wirklich wundervoller Auftritt und ein schöner Abschluss des ersten Festivaltages auf der großen Bühne!
Setlist
01. Intro: Black Tiger Rising
02. Winged Child Sitting on a Bench Watching Obscure Clouds Get Closer While People are Looking for a Shelter
03. Nightglory
04. I’m not sorry
05. Hymn (Ultravox cover)
06. Save me Lord (from killing them all)
07. Immortal
08. After Winter
09. Size Zero (SPECTRA*paris song version 2.0 / rearranged by Blank + Kirlian Camera)
10. K-Pax (version 2.0)
11. Edges (shadow mission version)
12. Blue Room (eurotech vision)
13. Eclipse (anniversary version 2.0)
14. Odyssey Europa
15. Comfortably Numb (Z)
16. Heldenplatz (Mission Walhalla I) (Z)
17. In the endless Rain (version 5.0) (ZZ)
18. Erinnerung (ZZZ)
19. Nightglory (ZZZ)
Ordo Rosarius Equilibrio
So ganz vorbei war der erste Tag dann aber doch noch nicht, auch wenn ich bereits glücklich und zufrieden war. Auf der kleinen Bühne erwarteten die Fans spät in der Nacht und – aufgrund des etwas ausgeweiteten Kirlian- Camera- Auftritts – sogar noch etwas später die Schweden von Ordo Rosarius Equilibrio. Apocalyptic Pop, mal mit atmosphärischer, mal mit eher verstörender Klangkunst untermalt, ist das, was die Band um Gründer Tomas Petterson praktiziert.
Bei stimmungsvollem Licht lässt sich die Menge von Songs wie „Do Angels Never Cry And Heaven Never Fall“ oder „Hell Is Where The Heart Is“ beflügeln und auch wenn die Dynamik auf der Bühne mitunter sehr zu wünschen übrig ließ, riss die kraftvolle Stimme von Frontmann Tomas sicher so manches Besucherherz in seinen Bann. Mit den letzten Tönen von „A Song 4 Hate & Devotion“ entließen Ordo Rosarius Equilibrio die Besucher in die dunkle Nacht.
Setlist
01. Do Angels Never Cry And Heaven Never Fall
02. Which Words Confines The Truth
03. Reaping The Fallen
04. Sheep For A Lifetime Or Lion For A Day?
05. I Glorify Myself, the Perplexity of Hybris
06. Seduced By the Kisses of Cinnabar Sweet
07. Hell Is Where The Heart Is
08. A World Not So Beautiful
09. In High Heels Through Nights Of Broken Glass
10. Imbecile, My Idiot Lover
11. Three Is An Orgy, Four is Forever (Z)
12. A Song 4 Hate & Devotion (Z)
Während einige sich noch bei der Aftershowparty verausgabten, suchten andere ihre Zelte auf oder fuhren ins Hotel oder – wie wir – nach Hause, um für den folgenden, etwas längeren Festivaltag fit und ausgeruht zu sein, wo uns u.a. Atrocity, Absolute Body Control, Psyche, Klangstabil und Sensory Gate erwarten sollten.
Bilder des ersten Tages gibt es HIER in unserer Konzertgalerie: NCN Festival 2011 Tag 1
Autorin: Tanja Pannwitz
Fotos: Michael Gamon
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NCN Festival 2011 Tag 1