Ort: New Morning, Paris
Datum: 30.01.2008
Zuschauer: mittlere Füllung
Mein Plan war ambitioniert und stellte sich letztendlich als nicht machbar heraus: Ich wollte mir zunächst die alten Rough Trade- Legenden The Woodentops im Jazzcafé New Morning ansehen, um dann anschließend zu meinen Lieblingen Kim Novak in die Flèche D’or zu eilen, die dort als dritte Band angesetzt waren. Dieses Clubhopping schien mir durchaus realisierbar, weil das Ticket für die Woodentops als Anfangszeit 19 Uhr 30 auswies. Nun gucke ich normalerweise auf die Entrittskarten ja noch nicht einmal mehr drauf, weil ich weiß, daß die Hauptgruppe eh immer erst gegen 21 Uhr beginnt, ganz egal was da auf den Ticks geschrieben steht. Gestern aber hoffte ich, daß die Vorgruppe Jake Ziah wirklich um 19 Uhr 30 starten würde und die Woodentops dann gegen 20 Uhr 30. Pustekuchen! Die Bluesmusiker von Jake Ziah ließen sich viel Zeit und legten erst gegen 21 Uhr 30 los, Kim Novak konnte ich somit abschreiben! Die Enttäuschung darüber legte sich aber, als die Engländer The Woodentops ihre ersten Songs schmetterten. Es war inzwischen fast 23 Uhr und es sollte ein langer Abend werden. Allerdings ein sehr gelungener…
Wer sie nicht kennt: The Woodentops sind eine britische Band, die ihre Glanzzeiten in den 1980er Jahren hatten und bei den Musikkritikern hochangesehen waren. Unter Vertrag standen sie bei dem renomierten Label Rough Trade und waren somit Kollegen von The Smiths und vielen anderen glänzenden Bands. Allerdings habe ich damals persönlich so gut wie nichts von der Formierung um Sänger, Gitarrist und Songwriter Rolo Mc Ginty mitbekommen. Stattdessen hörten ich und Christoph (allerdings erst Ende der 80er, Anfang der 90er) ähnliche Bands wie The Fall, The Smith, Pixies, Violent Femmes und die B 52s und zwar meistens in unserem Lieblingsclub Logo in Koblenz. An diesen Laden und die tolle Zeit, die wir dort als Heranwachsende verbrachten, mußte ich gestern oft denken. Damals habe ich zum ersten Mal Pogo getanzt und fand das alles sehr spannend und aufregend. Die Hochphase des Post-Punk Ende der 70er hatten wir ja verpasst, aber wir bekamen zumindest mit Verspätung in der Provinz eine Idee davon, wie geil das wohl gewesen sein mag, wenn Bands wie Joy Division, oder die Gang Of Four in London auftraten. Mein Bekannter Etienne, ein Franzose jenseits der vierzig, mit dem ich gestern im New Morning war, konnte mir von diesen glorreichen Zeiten auch so einiges erzählen. Er hatte etliche Kultbands der New Wave und Post Punk Ära noch live in Paris miterlebt. Insofern war das wirklich eine Art Zeitreise gestern, äußerst kultig und irgendwie auch grotesk.
Umringt von alten Säcken (ich nehme mich da nicht aus!) der Pariser Bohemien- Szene tanzte ich zu den oft aggressiven und ungemein zackigen Klängen der Woodentops kräftig ab. Es war ein Heidenspaß dem "Giftzwerg" Rolo McGinty zuzusehen, wie er mit seiner Gitarre in meiner unmittelbaren Nähe am Bühnenrand einheizte und etliche Punk Posen brachte. Erschienen war er zunächst mit einer dunklen Sonnenbrille, bevor diese und seine Jacke fielen und er den aufgeheizten Fans so manche irre Blicke zuwarf. Seine Gestik hatte etwas gemein Sadistisches und allein wie er seine Gitarre hielt (wie ein Gewehr) war völlig abgefahren und sehenswert. Sehenswert war auch die schüchterne, aber mit einem bezaubernden Lächeln ausgestattete neue Keyboarderin Aine o’Keeffe und die anderen Bandmitglieder, als da wären Simon Mawby, ein alterslos wirkender Typ an der Gitarre, Frank de Freitas am Bass und der dynamische Benny Staples am Schlagzeug. Letzgenannter hieb auch desöfteren auf eine Kuhglocke ein und gab so dem Sound eine groovig- funkige (und manchmal auch regelrecht tropikalische) Note. Sein Spiel war extrem trocken, schnell und zackig. Tanzen war Pflicht und man konnte sich regelrecht in einen Rausch steigern, weil den Klängen auch etwas Tribalisches anhaftete. Kurzum es war saucool!
Seit der Gang Of Four hat mich keine alte Band, die auf die Bühne zurückgekehrt ist, mehr in ihren Bann gezogen. Ein wahres Feuerwerk treibender, packender Songs wurde abgefackelt, darunter frühere Singleauskoppelungen wie "It Will Come", "Good Thing" (Top 30 in England) und "You Make Me Feel". Publikum und Band amüsierten sich glänzend und die Oldies auf der Bühne hatten gar keine Lust, ihr Set schnell und lustlos runterzunudeln. Stattdessen spielten sie ein äußerst ausgedehntes, aber nie langweiliges Programm, das sich über satte 100 (!) Minuten erstreckte. Und als Zugabe gab es tatsächlich noch das während des Konzertes ständig von Fans geforderte Stück "Love Train" und auch zwei weitere Titel, "Shout" und "Travelling Man".
Setlist:
01: It Will Come
02: Plenty
03: Hear Me James
04: Everything Brakes
05: Conversations
06: Spotlight
07: Give It Time
08: Good Thing
09: Get It On
10: A Pact
11: Stay Out Of The Light
12: You Make Me Feel
13: Last Time
14: Why
15: Move Me
16: Stop This Car
17: Love Train (Z)
18: Shout (Z)
19: Travelling Man (Z)
Bilder des Konzerts befinden sich auf Oliver’s Flickr-Seite
Autor : Oliver (http://meinzuhausemeinblog.blogspot.com/).