Konzerte in Köln haben meistens einen Makel, man steht bei der Anreise fast immer im Stau. Heute geht dieser Kelch allerdings erstaunlicherweise an uns vorbei. Nach weitestgehend entspannter Fahrt sind wir tatsächlich zu früh an der Halle, außer uns laufen dort vielleicht noch 10 Nasen rum. Also erstmal zum Kiosk um die Ecke und ein Kölsch verköstigen. Als wir zur Halle zurückkehren ist deutlich mehr los, der Einlass ist bereits in vollem Gange. Drinnen führt der erste Weg wie immer zum Merchstand, wo heute allerdings fast nichts zu holen ist. Electric Wizard haben ganze 3 verschiedene Shirts dabei, davon eins nur noch in S. Sauber. Kein Vinyl, keine CDs, nichts. Geld sparen leicht gemacht. Die Halle füllt sich immer weiter, ein bunt gemischtes Publikum versammelt sich. Viele Kuttenträger, viele Punks, viele Vollbärte, viele junge Leute.
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Ziemlich pünktlich um 20 Uhr startet die heutige Vorband, die bereits 1977 gegründeten NWOBHM Veteranen Angel Witch aus London. Die Engländer haben eine bewegte Vergangenheit mit diversen Bandauflösungen, Neugründungen und unzähligen Besetzungswechseln hinter sich. Die einzige Konstante war in den ganzen Jahren lediglich Sänger und Gitarrist Kevin Heybourne. Und genau dieser ist heute irgendwie nicht so recht bei Stimme, der Gesang klingt ziemlich dünn und gepresst. Instrumental ist dagegen alles in Butter, Heybourne und seine Mitstreiter zocken routiniert und scheinen gut aufeinander eingespielt. Den meisten Applaus bekommen natürlich die Songs des Klassikers Angel Witch – ein Album welches nun auch schon fast 40 Jahre auf dem Buckel hat. Songs wie White Witch oder Sorcerers sind einfach zeitlos und gehen immer noch gut ins Ohr. Mit der Bandhymne Angel Witch, deren Refrain aus viele Kehlen mitgesungen wird, beschließt die Band nach knapp 50 Minuten einen guten, wenn auch nicht überragenden Auftritt.
Umbaupause, warten auf den Headliner – die mächtigen Electric Wizard aus Dorset, England. Trotz generellen Rauchverbots in der Live Music Hall macht sich hier und da ein süßlicher Geruch breit. Zumindest der erste Teil des Bandslogans Legalize Drugs and Murder wird somit konsequent umgesetzt. Die Pause dauert nicht übermäßig lange, nach kurzem Bühnenumbau betreten die englischen Satansbraten um Bandchef Jus Osborn und die zauberhafte Gitarristin Liz Buckingham die Bühne und trümmern mit Witchcult Today vom gleichnamigen Album direkt mal ein Brett in die Menge, dass einem Hören und Sehen vergeht. Untermalt wird das Ganze auf der Leinwand im Bühnenhintergrund von irgendeinem obskuren Hexenfolter B-Movie. Passt perfekt zu der Gewalteruption auf der Bühne. Der Sound ist brachial laut und die Saiteninstrumente fast schon schmerzhaft verzerrt. Vertonte Hölle. Ansagen gibt es ebenso wenig wie Licht. Ein Bühnengraben fehlt heute ebenfalls, eher selten in der Live Music Hall. Weiter geht die Höllenfahrt unter anderem mit Black Mass oder Dopethrone, zu dem im Hintergrund entweder Hexen oder Biker B-Movies inklusive viel nackter Haut laufen oder aber einfach nur kryptische Symbole über die Leinwand flackern. In Verbindung mit der psychotischen Musik ist das perfekt geeignet um zartbesaitete Gemüter in den Wahnsinn zu treiben. Was vielleicht gewollt ist. Hier regiert der Schmutz und die pure Hysterie. Totale Verweigerung vor dem Mainstream. Genau das kommt aber beim Publikum sehr gut an, denn Electric Wizard werden gebührend gefeiert, auch wenn vor der Bühne nicht die große Bewegung herrscht, sondern fast andächtig jeder Song aufgesogen wird.
Nach 70 Minuten Blutrausch hat der Spuk dann ein Ende und die Band verlässt mit einem kurzen Kopfnicken beziehungsweise einer gereckten Faust die Bühne. Etwas anderes wäre auch unpassend gewesen. Das Licht geht an und vertreibt die Dämonen. Zeit in die normale Welt zurückzukehren. Brutalität hat einen Namen, und dieser lautet Electric Wizard!
Setlist ELECTRIC WIZARD @ Köln, Live Music Hall (06.04.2017):
01. Witchcult Today
02. Black Mass
03. Satanic Rites Of Drugula
04. Dopethrone
05. Return Trip
06. Incense For The Damned
07. The Chosen Few
08. Funeralopolis
Fotos: Dirk Wirtz