Abgesehen von dem hochkarätigen Line- Up haben sich die Schwachpunkte des Festivals allerdings wenig gebessert. Immer noch waren die Preise für Speis und Trank verhältnismäßig hoch und die Sitzmöglichkeiten, um das Erworbene zu sich zu nehmen, zu gering. Das ließ allerdings wie in den vergangenen Jahren die gute Grundstimmung nicht trüben und so wurde auf und vor den Bühnen gefeiert, was das Zeug hielt.
Pünktlich um 12.00 Uhr fielen am Samstagmittag auf dem Tanzbrunnen- Gelände die Startschüsse für den ersten Act des Tages auf der Hauptbühne. Eröffnet wurde das Festival von den Gewinnern des am Vorabend ausgetragenen New Talents Specials. Die Band Zin aus Leipzig konnte die Fans begeistern und sich bei dem Wettbewerb gegen ihre 3 Konkurrenten durchsetzen und sich somit eine Spielposition auf dem Amphi Festival sichern. Wie am Vorabend konnte die Formation um Sänger Iven Cole auch Samstagmittag die Besucher in ihren Bann ziehen und wurde mit verdientem Applaus entlohnt.
Nach dem erfolgreichen Festivalstart ging es im Staatenhaus mit dem Industrial- Nebenprojekt von Chris Pohl (Blutengel, Terminal Choice) Miss Construction weiter. Miss Construction begeisterten ihre Fans unter anderem mit dem Terminal Choice Cover ?Totes Fleisch? und dem poppigen ?Kunstprodukt?. Fans von Chris Pohls Künsten bekamen hier auf jeden Fall Lust und Appetit auf den nahenden Auftritt von Blutengel.
Auf der Mainstage ging es unterdessen bereits mit der New Wave-/ Elektro- Band Din [A] Tod [GALLERY] weiter. Die 2003 gegründete, experimentierfreudige Band um Sven und Claudia hat es sich zur Aufgabe gemacht, anders zu klingen als andere Bands der Szene. Frühe 80er- Jahre- Sounds im minimalistischen Kleid trifft man heutzutage nicht regelmäßig an und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich nicht nur die treue Fanschar sondern auch viele neugierige Amphi- Besucher vor der Bühne versammelt hatten und sich bei Ohrwürmern wie ?Some Kind Of Hate? oder ?Vorwärts? langsam warm tanzten und vor allem klatschten. Der Minimalismus spiegelte sich dabei nicht nur als musikalische Begleiterscheinung, sondern auch auf der Bühne selbst wieder: wenig Schnick- Schnack und für Sänger und Gitarrist Sven fiel auch die Beinbekleidung etwas minimal aus, trug er doch an diesem noch relativ frischen Samstagmittag nur kurze, sportliche Shorts im 80er- Jahre Stil. Ein insgesamt gelungener Auftritt einer sympathischen Band stimmte uns auf einen ereignisreichen Nachmittag ein.
Im Staatenhaus hatten es sich derweil schon Destroid [GALLERY] auf der Bühne bequem gemacht und empfingen uns mit einer Mischung aus feiner Elektromusik und harten EBM- Klängen. Mit Destroid ist Multitalent und Soundkünstler Daniel Myer (Haujobb, Covenant) ein weiteres Projekt eindeutig gelungen. Unterstützt wird Myer hierbei von Keyboarder und Programmer Sebastian Ullmann. Auf der Bühne jedoch nahte weitere musikalische Unterstützung durch Live- Drummer Achim Färber (Project Pitchfork) sowie einem weiteren Keyboarder. So heizte also ein gut gelaunter und im Vergleich zum Covenant- Auftritt auf dem e-tropolis in Berlin deutlicher entspannterer Daniel den Besuchern mit Songs wie ?Revolution?, ?Judgement Throne? oder dem absolut tanzbaren The Sisters of Mercy Cover ?Lucretia, My Refletion? von der aktuellen EP ein. Destroid stellten sich in meinen Augen als absolute Entdeckung und Überraschung des Tages dar. Das restliche Publikum sah das anscheinend ähnlich und so erhielt das innovative Projekt eine Menge verdienten Applaus und somit die nötige Anerkennung für ihre starke musikalische Leistung auf der Bühne.
Setlist:
01. Silent World
02. Friend Or Foe
03. Revolution
04. Run And Hide
05. Mourn
06. Leaving Ground
07. Lucretia My Reflection (Sisters Of Mercy Cover)
08. Judgment Throne
Waren auf der Hauptbühne die harten Gitarrensounds langsam verklungen, so begann im Staatenhaus bereits Faderhead [GALLERY] aus Hamburg die Besucher und Fans mit seinen elektronischen und eingängigen Sounds in eine tanzende, bebende Masse zu verwandeln. Anhänger der Cyberszene befanden sich ganz in ihrem Element und hatten sich, bewaffnet mit Knicklicht und Leuchtkugeln, an den Seiten der Halle Platz geschaffen, um ihre ausgefeilten Tänze darzubieten. Vor der Bühne gab es von Faderhead eine Ladung Wodka in die Menge (und auf die Kameras der Fotografen) und von Song zu Song steigerte sich die Stimmung. Neben dem beliebten ?ZigZag Machinery? riss auch das Harsh- Elektro- Stück ?Destroy Improve Rebuild? vom neuen Album die Menge in den Bann und forderte entsprechende Bewegung. Unterstützung bekam der energiegeladene Faderhead von Daniel und Joe Meyer (SAM), die sich am Keyboard und in Form von Backing Vocals sinnvoll einbrachten.
Setlist:
01. Girly Show
02. Acquire The Fire
03. Electrosluts Extraordinaire
04. Zigzag Machinery
05. Destroy Improve Rebuild
06. Horizon Born (Electric Paradise Club Edit)
07. Houston
08. O/H Scavenger
09. Dirtygrrrls / Dirtybois
10. TZDV
Als nächstes erwartete uns im Staatenhaus die Berliner Future- Pop Band Solitary Experiments [GALLERY], die sich schon seit Jahren einer großen Anhängerschaft erfreuen darf. An diesem Festivalsamstag war die anwesende Fangemeinde allerdings überschaubar, was sicher auch an dem sich noch im Gange befindlichen Ashbury Heights Auftritt lag oder eben daran, dass der ein oder andere Besucher nach dem bereits durchlebten musikalischen Marathon sicher endlich einen Nachmittags- Imbiss zu sich nehmen wollte. Das alles tat dem Auftritt der Formation um Sänger und Texter Dennis Schober, der mit Solitary Experiment im vergangenen Jahr das 15-jährige Bandbestehen feiern durfte, jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil hatte man als tanzfreudiger Fan nun endlich in Bühnennähe etwas mehr Platz, um sich angemessen zu Songs wie ?Pale Candle Light? oder dem allseits bekannten ?Delight? zu bewegen. Frontmann Dennis heizte seinen Fans von Song zu Song mehr ein und somit war die Stimmung vor und auf der Bühne erwartungsgemäß super. Absolutes Highlight war für jeden Fan sicherlich das beliebte ?Seele Bricht? in der etwas treibenderen Version der Kollegen Feindflug.
Setlist:
01. Road To Horizon
02. Pale Candle Light
03. Immortal
04. Déjà Vu
05. Delight
06. Seele Bricht
07. Point Of View
08. Rise And Fall
Setlist:
01. Intro
02. Wir Sind Die Roboter (Kraftwerk)
03. Und Es Geht Ab
04. Fred Vom Jupiter (Andreas Dorau)
05. Poupee De Cire
06. Es Geht Voran (Fehlfarben)
07. Ein Bisschen Frieden (Nicole)
08. Schweben, Fliegen, Fallen
09. Ich Bin Aus Plastik
10. Die Falsche Front
11. 0173-1923954
12. Die Stunde: NULL
13. Monoton Und Minimal
14. Starfighter F104G
Setlist:
01. Deus Ex Machina
02. Leistung
03. Mädchen In Uniform
04. Boom Boom Boom
05. Tanzdiktator
06. War On The Dancefloor
07. Weil Ich’s Kann
08. Feuer Frei!
09. Katharsis
Setlist:
01. Behind The Mirror
02. The Oxidising Angel
03. Soul Of Ice
04. Winter Of My Life
05. Schneekönigin
06. Dreh Dich Nicht Um
07. Vampire Romance
08. Soultaker
09. Bloody Pleasures
10. Love Killer
11. Engelsblut
Setlist:
01. Child Soldier
02. White Trash
03. Arising Hero
04. Date Of Expiration
05. Maschine Zeit
06. City Of Darkness
07. Thanatophobia
08. Subspace
09. Gunman
10. Tragic Hero
Setlist:
01. Quicksilver
02. Immortal
03. Solus
04. Sophia
05. Deception
06. Avalanche
07. Dragonfly
08. Winterborn
09. Happy Birthday
10. Marilyn, My Bitterness
Setlist:
01. The Third Meeting
02. Killing Time
03. Echoes Remain For Ever
04. Alarm Call
05. Short Story
06. The Healing
07. Waiting
08. Off Grid
09. Heaven
10. The Haunted Road
11. Seize The Vivid Sky
12. Full Moon
13. Our Darkness
14. Abuse
15. Boy Racing
Während sich die angetanen Festivalbesucher noch draußen von Anne Clark beflügeln ließen, ging es währenddessen im Staatenhaus bereits mit einem weiteren Highlight des Festivals weiter. Die ebenfalls aus dem Wave- Umfeld stammenden Szenegiganten Project Pitchfork [GALLERY] gaben sich die Ehre und gaben 60 Minuten einwandfreien Synth- Rock zum Besten. Auf die Hamburger Formation um Frontmann Peter Spilles hatten wir uns an diesem Abend ganz besonders gefreut. Leider trat die Band ohne den erkrankten Keyboarder Dirk Scheuber auf, was die Fans zu einem gemeinsamen Genesungsklatschen veranlasste. Musikalisch boten Project Pitchfork beliebte und bekannte Hits aus über nunmehr 20 Jahren Bandgeschichte, die kaum Wünsche offen ließen. Angestimmt wurde ihr Auftritt mit ?God Wrote? vom Album ?Chakra Red? aus dem Jahre 1997. Ebenso intensiv ging es weiter mit Stücken wie ?Conjure?, bei dem das Publikum absolute Textsicherheit bewies, und dem allseits bekannten ?Timekiller?, welches Spilles nebenbei als mittlerweile bestes Stück von And One, welche den Pitchfork- Klassiker coverten, deklarierte. Auch mit dem eingängigen Stück ?Endless Infinity? der am Vortrag erschienenen neuen Pitchfork- Platte ?Continuum Ride? heizte ein kraftvoller und stimmstarker Peter der Menge genauso ordentlich ein wie mit dem mitreißenden ?Darkness? vom Album ?Dream Tiresias? aus dem vergangenen Jahr. Natürlich durften auch Stimmungsträger und Gänsehautgaranten wie ?Souls? und ?I Live Your Dreams?, welches Project Pitchfork lange nicht mehr live dargeboten und auf ihrer Tour in den Staaten neu erprobt hatten, nicht fehlen. Ein musikalischer Glücksmoment jagte den nächsten und so hinterließen Peter Spilles, Achim Färber (Live- Drums), Carsten Klatte (Gitarre) und Jürgen Jansen (Synthesizer) letztendlich ein rundum ausgepowertes und glückliches Publikum.
Setlist:
01. God Wrote
02. Conjure
03. Timekiller
04. Endless Infinity
05. Carrion
06. Teardrop
07. I Live Your Dream
08. Mine
09. Darkness
10. Souls
11. Steelrose
12. I Am
13. Existence
Setlist:
01. Die Mitte
02. Deutschmaschine
03. Timekiller (Remix Of Project Pitchfork)
04. Love To The End
05. High
06. The Sun Always Shines On T.V. (A-HA)
07. Traumfrau
08. Sometimes
09. The Walk (The Cure)
10. Schwarz
11. Over There
12. Steine Sind Steine
13. Body Nerv
14. Military Fashion Show
15. Get You Closer
16. Techno Man
17. Für
Setlist:
01. Love In Vein
02. Hatekill
03. Addiction
04. Dogshit
05. Deadlines
06. Politikil
07. Pedafly
08. Rodent
09. Tormentor
10. Pro-Test
11. Morpheus Laughing
12. Ugli
13. Assimilate
14. Worlock (Z)
15. Brap (Z)
16. Shore Lined Poison (Z)
Mit Skinny Puppy ging ein erfolg- und erlebnisreicher erster Festivaltag dem Ende entgegen. Die 16.000 hauptsächlich zufriedenen Besucher strömten nun entweder in die Nacht und ließen sich noch auf der Aftershowparty im Theater berauschen oder traten wie wir den Heimweg an, um für den zweiten Tag des Amphi Festivals Kraft zu tanken und sich ein bisschen auszuruhen. Ruhe tat nach einem solch vollgepackten Tag durchaus gut, denn wer wirklich viele der durchaus brillanten Acts des ersten Tages miterlebt hatte, wird bemerkt haben, dass es kaum eine Verschnaufpause und Zeit zum Luftholen gab. Fragwürdig ist bei diesem vollen Spielplan auch, wie gut besucht die Vorträge in Wort und Bild tagsüber im Theater tatsächlich gewesen sind, nutzten doch die meisten Besucher eine kleine Pause hauptsächlich dazu, mal relaxed am Strand einen Drink einzunehmen oder sich an den zahlreichen Verkaufsständen der großen Shoppingmeile auf dem Tanzbrunnen- Gelände mit neuem Gewand und Accessoires einzudecken.
Die kompletten Fotosets der aufgetretenen Bands können durch die entsprechenden GALLERY-Links erreicht werden.
Autorin: Tanja Sunshine
Fotos: Michael Gamon