Die Unzucht hat es in dieser eisigen Dezembernacht von Niedersachen in das Kultur- Ruhrgebiet verschlagen, um die frostigen Pott-Herzen aufzutauen.
Einige Fans des schamlosen Quartetts tummeln sich bereits im Inneren des Kellergewölbes und warten vorfreudig auf den bombastischen Auftakt.
Als genügend Dunst die Bühne vernebelt, schleicht sich Daniel Schulz auf die Bühne. Das Schattenspiel wird mit dunkel, umrandeten Augen und lackierten Fingernägeln schwarz verziert. Das fette Augen Make-up sticht trotz räumlicher Lichtarmut hervor. Mit solch einer Maske hat auch schon Rock Veteran Alice Cooper auf sich aufmerksam gemacht. Im Alleingang rückt der Sänger den interessierten Konzertbesuchern und Fans stimmlich auf die Pelle. Die ersten Minuten sind überstanden, nun können sich auch seine Bandkollegen dem Publikum stellen. Aber die Unzüchtigen sind nicht auf sich alleine gestellt denn: sie haben „Den Engel der Vernichtung“ mitgebracht! Und dieser kratzt nun mit seinem rücksichtslosen Flügelschlag am rauen Mauerwerk der Matrix.
Die Show ist voller Gegensätze und wird ein Zusammenspiel aus Licht und Schatten, Harmonie und Bombast, nackter Oberkörper und Irokesen- Haarschnitt neben einen winterlich eingemummelten Kollegen mit Wollmütze. Diese beiden, Sänger und Gitarrist, stehen auch im hellen Zentrum des Lichtermeers während Bassmann und Schlagzeuger der Band ein Schattendasein führen. Als würde der Bassist hinter einer Milchglasscheibe stehen, schimmert seine Silhouette und die des Instruments in die Augen der Zuschauer; nur die dumpfen Basstöne dröhnen ins Ohr. Das treibende Schlagwerkzeug ist ebenfalls nur lautstark zu vernehmen und sein Peiniger verschwimmt im Scheinwerfer-Nebel.
Doch der eigentliche Mittelpunkt gehört der Musik und dem Debüt „Engel der Vernichtung“. „Meine Liebe“ oder „Schwarzes Blut“ zeigen wohin die Unzucht führt. Das Publikum lässt sich unverzüglich auf die Kraft des handgemachten Sounds ein. Neben den vier Tracks des Silberlings haben Unzucht eine Stunde an massivem Material zusammengepackt. Aufzugeben fällt ihnen zwar schwer aber ihre Zeit ist begrenzt. Um siegessicher den Abend zu beenden und die Bühne für Solar Fake zu räumen, versinkt die Nacht für einige Minuten in einem mächtigen Flammenmeer.
Außer dem schwarzen Nagellack haben Solar Fake und Unzucht nur wenige Gemeinsamkeiten. Der Sound von Solar Fake ist pure, energiegeladene Elektronik, die kraftvoll mit Melancholie verbunden wird.
Genau das lieben die Fans des Mannes der hinter dem Mikrophon von Solar Fake steht. Die Unzucht- Meute macht Platz vor der Bühne und die Anhänger des düsteren Synthetik- Sound bekommen die ersten Reihen angeboten.
Mit „Hiding Memories From The Sun“ bringt Sven Friedrich gleich tanzbaren Schwung in die Hütte. Die Songs vom 2008er Album „Broken Grid“ sind den Zuhörern wohlbekannt. Umso größer ist die Begeisterung, dass den Bochumer Probanden zuerst die neuen Stücke vom nächsten Album zu Ohren kommen. Die prägnante Stimme Friedrichs legt sich geschmeidig auf die kühlen Synthieklänge. Der Applaus quittiert dem Künstler das die Neuentwürfe den Test bestanden haben. Zwischen dem vorhandenen Inventar schieben sich an diesem Abend, zur Freude der Beteiligten noch einige dieser Uraufführungen. Zu den eigenen musikalischen Beständen, gesellen sich im Hause Solar Fake auch immer gerne Coversongs, die vom Grundsatz her nicht zu viel verändert werden aber eine spezielle, erkennbare Sven Friedrich Note verpasst bekommen. Wie „Creed“ eben. Mit „Stigmata Rain“ bleibt es krachig, aggressiv. Der Strom wechselt von harte auf zarte Töne. Wenn die ersten Takte von „Here I Stand“ ertönen wird das Eintanzen auf die lange E:O:D Nacht bestens vorbereitet und so in Form gebracht, werden sich die Plattenteller für die anschließende Party bis zum Morgengrauen drehen.
Bilder des Konzerts befinden sich in unserer Konzertfotos Sektion (Bildkommentare nun auch ohne Anmeldung möglich) oder direkt durch Anklicken des Bandfotos.
Autorin & Fotos: Martina Peitz