Sleaze trifft Gothic, trifft Metal, trifft Rock´n´Roll, trifft offenbar auch einen Zeitgeist. Die Verbindung einer eher dunklen, modischen Attitüde mit Guter Laune-Party-Metal scheint einen Nerv zu treffen. Die Frage war, ob das Lineup des Abends, immerhin drei nordische Bands, aus Schweden (HARDCORE SUPERSTAR und CRASHDIET) und Finnland (69 EYES), den Erwartungen der Kundschaft gerecht werden könnten.
„Feelgood Hit of the Summer“
Als erste Gladiatoren des Abends stiegen recht pünktlich CRASHDIET mit den lustigen Pünktchen über dem "I" in den Ring. Einmarschmusik war eben jener Wohlfühlhit der QUEENS OF THE STONE AGE, und der legte dann schon mal das Tempo des Auftritts fest: Kurzes Posieren für die nicht wenigen (zumeist weiblichen) Fans und es ging mit "Down with the dust" los. Und sofort war klar, das war kein Abend mit Haupt- und Support-Acts. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne… Denn was da im Publikum abging, das gereichte wohl jedem Headliner zu Ehren. Von der ersten Zeile an wurde mitgesungen, mitgerockt, das Haupthaar flog und die Menge wogte. Das war schon sehr beeindruckend. Das Publikum erwies sich zudem als überaus textsicher, "Riot in everyone" wurde auch von "everyone" mitgefeiert, etwas ruhiger ging es bei "Beautiful Pain" zu.
Wenn man sich die sehr wechselhafte Bandgeschichte von CRASHDIET vor Augen führt (Selbstmord des ersten Sängers, ständige Wechsel), ist es fast schon erstaunlich, mit welcher Intensität und Spielfreude die Band zur Sache geht. Als wollte man all die Probleme der Vergangenheit wegblasen. Insgesamt boten CRASHDIET vierzig sehr unterhaltsame Minuten, wobei der Sound nicht immer überzeugen konnte. Offensichtlich war eine Anweisung an den Mixer, die Lautstärke ohne Rücksicht auf den Schmerzpegel aufzudrehen. Da ging dann einiges an Qualität verloren, die meisten Zuschauer schien es aber auch nicht zu stören. Wohl ein Vorteil, wenn das Haar lang genug ist, die Ohren abzudecken 😉
„Sadistic Boys and Girls“
Es war Zeit für HARDCORE SUPERSTAR, die wohl die meisten der Anwesenden für den Headliner des Abends gehalten hätten. Diese Rolle sollten aber die 69 EYES ausfüllen. Los ging es mit "Sadistic Girls" vom neuen Album „Split your lip“ und auch wenn ich mich hier wiederholen muss, das Publikum kannte jede Textzeile. Ungelogen, es wurde von der ersten Zeile an frenetisch mitgesungen. Dass das ein Heimspiel für die vier Schweden wird, das war von Anfang an ganz klar. Laut VIC ZINO, dem Gitarristen der Band, gehören die Auftritte der Dark Decadence-Tour zu den Besten seiner Zeit mit HARDCORE SUPERSTAR (VIC selber ist seit 2008 dabei, HARDCORE SUPERSTAR gibt es seit 1997). Und so wurde es auch ein Konzert, das wohl am besten mit dem Begriff „unterhaltsam“ beschrieben werden kann. Gute Laune auf der Bühne, gute Laune im Publikum, was will man mehr? Zum Beispiel gutgelauntes, weibliches Publikum auf der Bühne? Dazu kam es dann bei „Last call for alcohol“, obwohl vom neuen Album schon jetzt ein fester Bestandteil des Rituals. Kein Wunder bei der Eingängigkeit… Als Zugabe gab es dann noch „Moonshine“, auch ein neuer Song, der schon jetzt nicht mehr wegzudenken ist. Dass am Ende noch die „Hymne“ kommen würde, nämlich „We don´t celebrate Sundays“ war ja eigentlich schon klar, trotzdem ein gelungener Abschluss, der Band und Publikum sichtlich zufrieden zurück lässt.
„I wanna do bad things with you”
Die "Helsinki Vampires" von 69 EYES betraten als letzte Band des Abends die Bühne. Programmatisch wurde der Titelsong von "True Blood" als Intro gewählt, man wollte halt auch die jüngeren Zuschauer als Zielpublikum ins Boot holen. Obwohl sie auch erst 9 Alben (genau so viel wie HARDCORE SUPERSTAR) in der Diskographie stehen haben, betreten mit 69 EYES die dienstälteste Band des Abends die Bühne. Und trotz der Verneigung vor der aktuell wohl besten Umsetzung des Vampirthemas ("True Blood") hatte sich die Halle nach HARDCORE SUPERSTAR doch merklich geleert. Es war ein wenig wie diese Bilder mit Apfel, Birne, Banane, Schraube, was passt da nicht? Glam Rock und Sleaze hat in Finnland ja seit HANOI ROCKS eine sehr eigene Tradition, aber der Goth´n´Roll der 69 EYES wirkte an diesem Abend, in diesem Umfeld, bei diesem Publikum einfach zu altbacken, zu wenig energiegeladen. Die Band spulte ihr Programm routiniert ab, aber der Funke wollte nicht überspringen. Da half auch die Elvis-Perücke (?) von Jyrki 69, seines Zeichens Frontmann der Band nicht mehr. Ob es nun spaßig oder gar selbstironisch gemeint sein sollte, es passte für mich überhaupt nicht. So als wollte man eigentlich THE SISTERS OF MERCY sein, aber weil das nicht klappt, packen wir eine Prise Selbstironie dazu. Sie spielten gut, sie klangen auch gut, als Zugabe gab es sogar „Brandon Lee“, die musikalische Hommage an den THE CROW-Darsteller und Sohn von Bruce Lee, aber das war dann zu spät. Alles in allem ein eher enttäuschender Auftritt an diesem Abend, aber vielleicht lag es auch an der Zusammensetzung des Publikums, dass es nicht der erhoffte Abschluss des Konzerts wurde.
Die Essigfabrik in Köln ist ein sehr angenehmer Veranstaltungsort, der sogar gute Akustik bieten kann. An diesem Abend war es nur leider (für mich) nicht möglich, den Konzerten ohne Ohrstöpsel zu folgen, da es einfach zu laut war. Mir geht der Spaß an einem Konzert verloren, wenn ich befürchten muss, einige Tage mit eingeschränktem Hörvermögen durch die Gegend laufen zu müssen. Ich hatte das Gefühl, dass in dieser Hinsicht in den letzten Jahren ein Umdenken stattfindet, aber an diesem Abend war davon nichts zu spüren. Vielleicht werde ich auch einfach zu alt für Sleaze Metal…
Bilder des Konzerts befinden sich in unserer Konzertfotos Sektion (Bildkommentare sind durch Anklicken der Sprechblase möglich) oder direkt durch Anklicken der jeweiligen Bandfotos.
Autor: Andreas Viehoff
Fotos: Frank Güthoff