Cradle of Filth waren dieses Jahr beim legendären Wacken Open Air aufgetreten und der Auftritt war zwar nicht wirklich schlecht, aber der Funke konnte auch nicht wirklich ins Publikum überspringen. Daher war ich ganz froh, dass die Essigfabrik in Köln eine eher kleine Location ist, der Funke also keinen so langen Weg zurück würde legen müssen, um überzuspringen…
Den Anfang machten allerdings Darkest Horizon aus Frankfurt. Leider bekam ich vom Auftritt der Jungs nur die allerletzten Töne und das Abschlussselfie inklusive Kölner Publikum mit, aber statt Pfiffen und Cradle-Rufen gab es durchaus beachtlichen Applaus und den Wunsch nach Zugaben. Es kann also nicht so schlecht gewesen sein. Sympathische Band, die danach auch direkt mal ihr eigenes Equipment abbauen mussten. It´s a long way to the top, if you wanna rock´n´roll…
Über die zweite Band des Abends hatte ich im Vorfeld bereits so einiges gelesen, Ne Obliviscaris aus Melbourne, Australien. Wie ein Nutzer auf Facebook so schön schrieb, progressive, extreme Metal, aber mit Geige… Während ich also die Roadies beim Aufbau beobachtete, füllte sich so langsam der Zuschauerraum. Offenbar war ich nicht der Einzige, der ziemlich neugierig auf die Australier war. Eine Meldung war mir besonders aufgefallen und im Gedächtnis geblieben, dass nämlich der Drummer, Daniel Presland, seinen sehr gut bezahlten Job aufgegeben hatte, um sich in Zukunft ganz der Musik widmen zu können. Ich war gespannt, ob das mal so die beste Entscheidung war… Während die Roadies also noch die Instrumente stimmten, ging plötzlich das Licht aus und mir ging ein Licht auf, auch hier war es nämlich die Band, die sich um Aufbau und Soundcheck selber kümmerte. Es folgte ein beindruckendes Set, energiegeladen, dynamisch und aufregend. Das lag vor allem daran, dass es sich bei Ne Obliviscaris um ausnahmslos außergewöhnlich gute Musiker handelt. Der Bass wurde gespielt, nicht gehämmert, das Schlagzeugspiel war fantastisch, beim Gesang wechselten sich Growls und cleaner Gesang ab und hin und wieder, da gab es dann auch die Geige. Davon zu wenig, um in eine Ecke mit dem ganzen Folk-Metal geschmissen zu werden, aber genug um immer wieder für erfrischende Akzente zu sorgen. Noch ist Ne Obliviscaris ein Geheimtipp, aber einer, den ich jedem Freund der härteren Gangart ans Herz legen möchte. (https://www.facebook.com/NeObliviscarisBand)
Und dann war es Zeit für Dani Filth und die seinen. Auf der Bühne zwei Kreuze mit Skeletten, der Zuschauerraum gut gefüllt, definitiv waren es dieses Mal auch wirklich Roadies die sich um die letzten Vorbereitungen auf der Bühne kümmern mussten und dann hieß es auch schon Licht aus, Intro an.
Cradle of Filth werden ja zuweilen dem Black Metal zugerechnet, was den ein oder anderen Metaller die Nase rümpfen lässt. Ich sehe das ja eher locker, Schubladendenken hilft ja eh niemandem und letztlich geht es ja darum, was gefällt. Mein Verhältnis zu Cradle of Filth war immer schon recht zwiegespalten. Einerseits gehörte die Heavy Left-Handed and Candid zu den allerersten Musik-DVDs, die ich mir Anno 2001 zugelegt habe (nach The Clash, aber vor David Bowie), andererseits konnte ich dann aber mit den meisten Alben nach Midian nicht mehr allzu viel anfangen. Das mag natürlich auch an mir gelegen haben, nichts ist langweiliger, als immer die gleichen Bands zu hören. Jetzt war also Hammer of the Witches in der Essigfabrik angesagt und das Publikum (und ich) hatten mal so richtig Lust auf Cradle of Filth. In Sekundenschnelle waren auch die letzten Freiräume vor der Bühne gut gefüllt und ab ging die wilde Fahrt mit Dani im Teufelskostüm, mit Hörnchen und allem Drum und Dran. Heaven torn asunder von Dusk and her Embrace, das kannte ich, das mag ich immer noch sehr. Gleich als zweiten Song gab es dann Cruelty Brought Thee Orchids vom famosen Cruelty and the Beast und jetzt konnte ja eigentlich gar nichts mehr schief gehen. Ich war musikalisch auf jeden Fall schon mal höchst zufrieden, so durfte es weitergehen und so ging es auch weiter… Mit Blackest Magick in Practice kam der erste Song vom neuen Album und wurde nicht weniger enthusiastisch aufgenommen, als die alten Nummern.
Ein paar Worte zur Band: Großartig, Spielfreude pur. Noch ein paar mehr Worte? OK, die Band hatte richtig viel Spaß an ihrem Auftritt. Da wurde für die Handycams geposet (englisch = to pose ‚sich geben als‘, ‚posieren‘), da wurden kleine, aber feine Soli eingebaut, da wurde untereinander kommuniziert, in der Mitte immer wieder Dani Filth, dessen Stimme schon als eigenständiges Instrument durchgeht, kurzum, da passierte einiges auf der Bühne. Aber auch im Publikum war die Stimmung außergewöhnlich.
Ich hatte das besondere „Vergnügen“ neben einem jungen Mann zu stehen, der es sich tatsächlich nicht nehmen ließ, ganze Gesangspassagen lauthals mitzugröhlen… So weit, so gut (?), so laut. Wurde nicht gesungen, aber seine Euphorie musste sich ja schließlich einen Weg nach außen bahnen, wurden die Pausen mit „YEAH“ angefüllt. Wie kann ein Mensch bloß so laut sein? YEAH. YEAH, YEAH. Ich war froh, dass ich mich frühzeitig für Ohrstöpsel entschieden hatte, denn der Kerl übertönte tatsächlich, so direkt neben mir, die Bühne. Unglaublich. Er war übrigens sehr euphorisch, schrie und/oder sang quasi permanent, die Hände zum Himmel…
Spätestens bei Lord Abortion vom Publikumsfavoriten Midian war dann auch ich dran, das ein oder andere „Yeah“ von mir zu geben, nicht ganz so laut, aber aus tiefstem Herzen… Wer hätte gedacht, dass ein Auftritt von Cradle of Filth im Jahre 2015 solch einen Spaß bereiten würde? Ein toller Auftritt einer wirklich gut aufgelegten Band.
…all crimes should be treasured if they bring thee pleasure somehow…
Besondere Erwähnung verdient sicher noch Lindsay Schoolcraft, neue Sängerin und Keyboarderin, die ihren Part mehr als bravourös gestaltete. Ich bin gespannt, wie sich ihr Solo-Material anhören wird. Sehr sympathisch übrigens, dass Lindsay den ständigen Austausch mit den Fans über die sozialen Netzwerke sucht, #cvltofhvmmvs. (https://www.facebook.com/cradleoffilth / https://www.facebook.com/lindzriot)
Setlist CRADLE OF FILTH @ Köln, Essigfabrik (24.10.2015):
01. Intro: Humana Inspired to Nightmare
02. Heaven Torn Asunder
03. Cruelty Brought Thee Orchids
04. Blackest Magick in Practice
05. Lord Abortion
06. Right Wing of the Garden Triptych
07. Malice Through the Looking Glass
08. Deflowering the Maidenhead, Displeasuring the Goddess
09. Queen of Winter, Throned
10. Intro: Walpurgis Eve (Z)
11. Yours Immortally… (Z)
12. Nymphetamine (Fix) (Z)
13. The Twisted Nails of Faith (Z)
14. Her Ghost in the Fog (Z)
15. The Forest Whispers My Name (Z)
16. Blooding the Hounds of Hell (Z)
Ne Obliviscaris:
Fotos: Marcus Nathofer