Martin Rossiter ist kaum gealtert und seine Stimme ist noch immer so ausdrucksstark wie eh und je. Allerdings sind seine Solostücke insgesamt betrachtet etwas ruhiger als die Gene Werke, zumindest heute, wo er gemeinsam mit Pianist Robin Coward und somit nur von den schwarzen und weißen Tasten begleitet, sechs Stücke darbietet. Los geht es mit vier neuen Solowerken, von denen der erste noch so druckfrisch ist, dass er noch nicht einmal einen Titel besitzt. Besonders auffällig ist „I Must Be Jesus“, das am ehesten direkt im Ohr bleibt. Das eigentliche Highlight für viele im Publikum folgt aber erst kurz vor Ende des kurzen Sets, als Martin „Speak To Me Someone“ und somit das erste und einzige Gene-Stück des Abends anstimmt. Es tut sehr gut diesen alten Bekannten zu hören, wir vermissen die Band doch sehr. Für den Abschluss hat Martin sich dann noch einen ganz persönlichen Song aufgehoben, denn dieser handelt von seinem Vater und es wird sehr deutlich, dass die beiden nicht den besten Draht zueinander hatten und vieles in seiner Kindheit schiefgelaufen sein muss. Den Text zusammenfassend singt Martin "The only thing I got from you was my name" und er schreit dieses gegen Ende fast befreiend heraus. An dieser Stelle wird auch Martins enge künstlerische Verwandtschaft zu Morrissey ganz besonders deutlich, dem er sich nun sehr stark annähert und von dem er sich dieser Tage auch besonders viele Gesten entliehen zu haben scheint. Natürlich huldigt er aber auch dem Headliner des heutigen Abends und bedankt sich bei My Life Story dafür, dass diese ihm heute die Chance eröffnet haben, hier zu spielen. Nicht nur Martin, sondern auch wir, sind dafür sehr dankbar.
Setlist:
01. (untitled yet)
02. I Want To Choose When I Sleep Alone
03. I Must Be Jesus
04. Drop Anker
05. Speak To Me Someone (Gene)
06. 3 Point On a Campus
Die Spannung steigt nun immer weiter und immer dichter drängeln sich die Fans Richtung Bühne. Dann erklingt ein langes Intro, während dessen die insgesamt 12 Musiker nach und nach die Bühne betreten, als letztes natürlich Jake Shillingford, der mit seiner Präsenz sofort alle Regler auf Maximum stellt. Es geht energisch los und nicht einmal zwischen den Songs wird zu Beginn eine Pause eingelegt, die ersten drei Tracks gehen direkt ineinander über, was die Stimmung in der Halle weiter nach oben pusht. Die Band ist bester Laune und Jake tritt mit seinem Fuß immer wieder elegant schwungvoll in die Höhe und auch die anderen Musiker bekommen nach und nach besondere Momente in Form von Solis und ähnlichem zugeteilt, um auch selbst komplett im Rampenlicht zu stehen. Die Bühne ganz für sich hat Jake zunächst bei „November 5th“, nur seine Gitarre und das stimmgewaltige Publikum unterstützen ihn jetzt. Weiter geht‘s mit „Claret“ und jetzt bringen seine Mitstreiter ihm die Flötentöne bei, denn Violinen und Flöten erobern die Bühne zurück um ihrem Anführer beiseite zu stehen, woraufhin kurz darauf auch die anderen folgen.
Das Ende des Mainsets hätte hochkarätiger nicht ausfallen können, denn Geigenklänge läuten „12 Reasons Why I Love Her“ ein, das heute auch noch die von der Best Of Collection „Sex & Violins“ bekannten 5 weiteren Gründe enthält („17 Reasons Why“). Das Publikum ist nun ganz außer Rand und Band, singt lautstark mit und feiert seine Helden. Ohne Probleme halten kann „Sparkle“ dieses Partyfeeling und nicht nur wir kommen voll auf unsere Kosten. Auch nach 15 Jahren hat der Song immer noch so viel Einnehmendes und das gesamte Publikum blickt mit leuchtenden Augen Richtung Bühne. Bei einigen geht gar die scheinbar kurzzeitig wiedererlangte (Rüpel-)Jugend mit ihnen durch, aber das sind wenige Ausnahmen einer ansonsten wieder beeindruckenden Feiergemeinde.
Sollte es das für diejenigen Zuschauer bereits gewesen sein, die sich vorab nicht ihr „Golden Ticket“ für eine Aftershowparty gesichert hatten? Nein natürlich nicht, denn zum einen gab es noch die Chance einige wenige Golden Tickets zu erwerben und zum anderen kamen My Life Story selbstverständlich auch so noch einmal für insgesamt zwei Zugabeblöcke zurück auf die Bühne. In einem beigen Rüschenhemd verkündet Jake „we don’t do new songs, we do new outfits“ und das ist sicher richtig, denn wie ein Theaterschauspieler tauscht Jake während der Show immer wieder sein Erscheinungsbild und natürlich hatte er kurz vorher mit Glitzeranzug ordentlich gesparklet!
Die Zugaben sind recht flott und nach „There’s Nothing for Nobody & Everybody Wants to Be Someone“ und „Motorcade“ sorgt vor allem „Girl Thing“ wieder für eine ausgezeichnete Stimmung und ausgiebig Chancen, die durch Bier und Co geölten Kehlen weiter zur Höchstform zu pushen. Ein zweites Mal gehen die Lichter aus und jetzt kehren die 12 nach und nach mit ihren Lebensgeschichten nur noch für einen vorerst letzten Song zurück, nämlich das wunderschöne „Angel“, bei dem alle Musiker noch einmal zeigen können, was in ihnen steckt. Für knapp die Hälfte der anwesenden Fans endet der musikalische Abend hier, die anderen lehnen sich noch einmal genüsslich zurück, besorgen sich an der Bar Nachschub oder machen am Merchandise Stand Halt, bevor die Aftershow Party und damit ein besonderes letztes Set auf dem Programm steht.
Eröffnet wird das Special Set mit dem sarkastischen „If You Can’t Live Without Me Than Why Aren’t You Dead Yet?“ und insbesondere Jake merkt man nun eine gewisse Gelassenheit an und er geht nun endgültig voll aus sich raus. Immer energischer geht er auf der Bühne ab. Eine wahrhaft tolle Show, zu der auch die B-Seite „Emerald Green“ gehört, die an Dynamik noch einmal ordentlich zulegt. Jake ergreift das Mikro um noch einmal auszudrücken, was es ihm und der Band bedeutet, dass sich alle zu einer solchen Gelegenheit zusammengefunden haben und dass sogar drei ehemalige Manager der Band vor Ort seien. „Let’s Get The Party Started“ ruft er und stimmt „Girl A Girl B Boy C“ an, bei dem er nun auch den ein oder anderen Spazierganz durchs oder sogar im wahrsten Sinne des Wortes „auf“ dem Publikum wagt. Die ihn umgebenden Fans singen lauthals mit und retten diese unglaubliche Stimmung auch zum letzten Song des Abends herüber: „Funny Ha Ha“. Hier dived Jake, wieder auf den Händen der Fans stehend, geradezu ins Publikum herab, versinkt Fußaufwärts in diesem und steht dann auf, als wäre nichts gewesen und ohne auch nur für einen kurzen Augenblick seine Gesangsleistung zu vernachlässigen.
So endet ein absolut großartiger Konzertabend in einer tollen Atmosphäre und wir überbrücken so gut es geht die Nachtstunden, bis es am nächsten Morgen gegen 7 Uhr wieder zurück in die Heimat geht. „See you in two years“ hatte Jake uns auf der Bühne versprochen und wir nehmen ihn da beim Wort … bis 2014 dann also Jake und My Life Story, London … then we come again!
Setlist:
01. Florence’s Theme (Introduction)
02. Suited & Booted
03. Marriage Blister
04. Mr. Boyd
05. The King of Kissingdom
06. November 5th
07. Claret
08. You Can’t Uneat the Apple
09. April 1st
10. I Dive (Unanswered Questions & Questionable Answers)
11. Strumpet
12. 17 Reasons Why
13. Sparkle
14. There’s Nothing for Nobody & Everybody Wants to Be Someone (Z)
15. Motorcade (Z)
16. It’s a Girl Thing (Z)
17. Angel (ZZ)
18. If You Can’t Live Without Me Then Why Aren’t You Dead Yet? (Aftershow Extra Set)
19. Neverland (Aftershow Extra Set)
20. Stood Amongst Friends (Aftershow Extra Set)
21. Emerald Green (Aftershow Extra Set)
22. Girl A, Girl B, Boy C (Aftershow Extra Set)
23. Funny Ha Ha (Aftershow Extra Set)
Bilder des Konzerts befinden sich in unserer Konzertfotos Sektion (Bildkommentare sind durch Anklicken der Sprechblase möglich) oder direkt durch Anklicken der jeweiligen Bandfotos.
My Life Story:
Martin Rossiter: