Den Anfang an diesem Abend machten All we are aus Liverpool. Bei All we are handelt es sich um ein Trio, bestehend aus Gitarre, Bass, (Stand)Schlagzeug. All we are bezeichnen ihre Musik selber als „Bee Gees on diazepam“. Wenn das nicht mal eine gute Beschreibung ist. Meine Beschreibung wäre etwas anders ausgefallen, vielleicht der verlorene Soundtrack zu Lost Highway? Eine fantastische Mischung aus zum Teil dreistimmigen Gesang, tiefen, druckvollem Bass (wenn da nicht die architektonische Besonderheit der Live Music Hall gewesen wäre) und ganz viel Strampelei auf der Wah-Wah-Pedale… Es stimmt schon, als hätten die Bee Gees zu viel David Lynch geschaut. Ich war vom ersten Augenblick an begeistert und auch das restliche Kölner Publikum zollte mehr als nur Achtungsapplaus. Da ich zu der Zeit noch relativ weit vorne stand, war es mir ein besonderes Vergnügen, das Zusammenspiel der Bandmitglieder zu beobachten. Vorne, am Rand der Bühne standen die drei Musiker, in der Mitte das Standschlagzeug, links davon der Gitarrist und rechts die Sängerin/Bassistin. Der Schlagzeuger entpuppte sich als das Herz der Band, er hielt den Sound zusammen, mit ständigen Blicken zu seiner Mitstreitern, viel herzlichem Lachen und offensichtlichem Spaß an der Sache. Mir hat es sehr gut gefallen, ein absoluter Geheimtipp! (https://www.facebook.com/thisisallweare)
Danach dauerte es eine ganze Weile… Eine ganze Weile, während der sich die Halle noch mal weiter füllte. Offensichtlich hatte noch eine ganze Menge Zuschauer ihre Zeit an den Bierzelten im Hof verbracht, man war ja für Warpaint da. Warpaint hatten sich ganz unbemerkt zu einer ganz schön hippen Angelegenheit entwickelt. Seit ihrem Debüt The Fool waren immerhin 3 Jahre vergangen, als voriges Jahr dann endlich das zweite Album mit dem einfachen Namen Warpaint erschien. War das ein Neuanfang, alles auf Anfang, neues Image, neue Musik? Eher nicht. Warpaint machte da weiter, wo The Fool aufgehört hatte. Die Produktion war wohl etwas ausgereifter, aber die Stichworte Psychedelic, Shoegaze, Indie, Rock passten noch immer und so musste auch keine neue Schublade gesucht werden. Umso überraschender war es dann, dass plötzlich eine neue Halle für den Start der Tournee gesucht werden musste. Das Gloria, ein feines Theater im Herzen von Köln, eine fantastische Location für Konzerte war schlichtweg zu klein, zu groß war die Nachfrage nach Tickets. Die Entscheidung fiel auf die Live Music Hall, eine weniger feine, dafür viel größere Halle, nicht mehr im Herzen von Köln, aber was soll´s. Aus einem wirtschaftlichen Standpunkt kann ich die Entscheidung gut nachvollziehen. Mehr verkaufte Karten, eventuell mehr Gewinn (Man darf nicht vergessen, dass eine größere Halle auch mehr kostet, das Gloria wollte eventuell eine Entschädigung und so weiter). Es ist also fraglich, ob der Gewinn letztendlich so viel höher ausgefallen ist. Dann sind da natürlich noch die Fans. Die Fans, die ihre neue Lieblingsband endlich mal live sehen wollten. Und ist es nicht schön, dass man so viel mehr Leuten den Besuch des Eröffnungskonzertes ermöglichen konnte? An dieser Stelle wird das Küchenmesser zweischneidig… Es stimmt schon, viel mehr Publikum. Aber da kommen wir dann zu den Besonderheiten der Live Music Hall, die für einige Veranstaltungen zwar durchaus geeignet ist, für eine bestimmte Art von Konzert allerdings überhaupt nicht, zumindest meiner bescheidenen Meinung nach.
Die Live Music Hall schluckt ungeheuer viel Ton. Ich weiß nicht woran das liegt, aber in Bühnennähe ist es unerträglich laut und sobald man sich nach hinten begibt, wird es zunehmend, unverhältnismäßig viel leiser. Lacht nicht, das klingt zwar erst einmal normal, ist es aber nicht unbedingt. Ich habe bei vielen Konzerten vorne gestanden, mit und ohne Ohrenstöpsel, bin während des Konzerts durch die Halle gewandert und in kaum einer Halle ist es mir so aufgefallen, wie in der Live Music Hall. Oft stand ich gerne mal hinten, weil dort der Sound besser war, ich besser sehen konnte oder mir einfach danach war. In der Live Music Hall steht man hinten, man hört nicht viel, man sieht nicht viel, auch wegen der Pfeiler in der Hallenmitte) und es ist kalt, da die offene Eingangstür die winterliche Frühlingsluft hinein lässt.
Wäre ich also mal vorne geblieben. Leider wurde es in der Umbaupause voll. Und zwar richtig voll. Da waren sie wieder, die Besucher, die gerne erst einmal hinten bleiben, weil man keine Lust auf die Vorband hat und dann in der Umbaupause nach vorne müssen, ohne Rücksicht auf Verluste. Am liebsten noch mit Rucksack auf dem Rücken und einem Bier als Drohung in der Hand. Die besonders perfide Variante ist die Dame mit der Handtasche, die sich ihren Weg bahnt. Anerzogene Höflichkeit und falsche Rücksichtnahme verleiten den wohlerzogenen Mann dazu, eben jener Dame das Vorbeidrängen zu ermöglichen. Viel zu spät fällt einem dann auf, dass an ihrem ausgestreckten Ärmchen noch der Herr der feinen Dame mitgezogen wird, der sich in der Regel als zwei Kopf größer als eben jene Dame und mindestens ein Kopf größer als man selbst entpuppt. An diesem Abend waren es im übrigen drei (!!!) Pärchen, die aneinander hängend den Anstands-Quadratmeter zwischen meinem Vordermann und mir besetzen mussten. Oh, what fun we had!
Aber lasst uns eine Band nicht wegen der schlechten Hallenwahl und dem hippen Publikum verdammen, denn das wäre unfair.
Die Umbaupause zwischen Vorband und Hauptact dauert länger als gewohnt. Vielleicht lag es daran, dass es Film- und Tonaufnahmen während des Konzerts geben würde, wie auf vielen Aushängen zu lesen war. Nicht nur das, es liefen auch kleine Einsatzteams des WDR mit Kamera und Mikrofon im Publikum umher, sicher um des Volkes Stimme einzufangen.
Es begann mit einem kleinen instrumentalen Intro, während dem die Musikerinnen sichtlich unzufrieden mit dem Sound auf der Bühne waren. Der Tontechniker am Rand der Bühne, wohl verantwortlich für die Monitorboxen, bekam fortwährend Zeichen, dass irgendetwas nicht so war, wie es ein sollte. So wurde während des Intros und der ersten beiden Songs weiterhin am Sound gefeilt. Keep it healthy ist nach dem Intro auch der erste richtige Track des neuen Albums, die Reihenfolge wurde also erst einmal eingehalten. Dann wurde der erste Track vom ersten Ablum, nämlich Composure eingestreut, sehr zu meiner Freude. Überraschend folgte dann schon sehr früh im Konzert die Single Love is to die, die entsprechende Reaktionen beim Publikum hervorrief. Der zweite Höhepunkt des Konzertes war Undertow vom ersten Album, ein großartiger Song in einer fantastischen Version. Leider stand ich zu diesem Zeitpunkt schon hinten, da es die Chronistenpflicht erfordert, ein Ereignis aus jeder Perspektive zu betrachten. So gut die Musik auch war, und Warpaint sind ein tolle Band, so schade ist es, dass die vordere Hälfte der Halle ein dichtes, unsympathisches Gedränge war, während die hintere Hälfte lediglich darauf warten konnte, dass der Funke von der Bühne überspringen würde. Ob er dies dann tat, muss jeder der Besucher für sich entscheiden. Das Konzert selber war eine recht ausgewogene Mischung aus nur 13 alten und neuen Songs. Es war also auch kein besonders langes Konzert. Als letzte Zugabe gab es natürlich Elephants von der Exquisite CorpseEP, der erste große (?) Hit der Band.
Mir blieb die Erinnerung an ein Konzert der vergeben Chance. Es hätte ein Konzert für die Ewigkeit sein können, im Gloria. So war es ein ordentliches Konzert, in der Live Music Hall. Warpaint hätten das Konzert im Gloria verdient gehabt…
Setlist Warpaint:
01. Intro
02. Keep It Healthy
03. Hi
04. Composure
05. Love Is to Die
06. Biggy
07. Feeling Alright
08. Billie Holiday
09. Undertow
10. No Way Out (bisher unveröffentlicht)
11. Disco//Very
12. Bees (Z)
13. Elephants Z)
Autor: Andreas Viehoff
Fotos: Frank Güthoff