Volker Lutz (T.O.Y.) im Interview: „Kuchen, Musik und Freudentränen“

Lesedauer: 6 Minuten

Mit ihrem neuen Album „The Prophet“ setzen T.O.Y. bewusst auf analoge Synthesizer und Drum Machines, um einen unverwechselbaren Vintage-Sound zu schaffen. Entstanden während der Pandemie, verbindet das Werk nostalgische 80er-Vibes mit modernen Produktionen und persönlichen Texten. Besondere Highlights sind die Kollaborationen mit Marian Gold (Alphaville) sowie Stan White von Faithless, die dem Album zusätzliche Strahlkraft verleihen. Gitarrist Tom Steinbrecher und weitere Gastmusiker haben den Sound entscheidend geprägt. „The Prophet“ ist ein Gesamtwerk, das über Singles hinausgeht – experimentell, emotional und voller Energie.

Hallo Volker, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag von „The Prophet“.

Ihr habt das neue Album anstatt mit virtuellen Instrumenten mit analogen Synthesizern und Drum Machines produziert. Worin lag die Schwierigkeit dieser Produktionsmethode?

Die alten Schätzchen sind als erstes sehr schwierig zu bekommen. Wenn man dann das Glück hat eines der begehrten und seltenen Stücke, wie z.B. der Linn Drum oder einem Roland Juno 60 zu erwerben, dann muss das Teil auch noch funktionieren. Diese Geräte sind mindestens 40 Jahre als und wurden in den letzten Jahrzehnten eher selten benutzt. Der Luxus an der Bedienung von Plug Ins war einfach viel zu groß. Das bedeutet, ich habe eigentlich fast jedes Gerät erstmal zum Synthie-Arzt für eine Reha geschickt. Das war kostspielig und zeitaufwendig, aber das Ergebnis und der Spaß haben mich alles andere vergessen lassen. Ein uraltes Instrument dann in eine moderne Produktionsumgebung einzubinden, war dann die nächste Herausforderung. Aber ich bin in dieser Beziehung ein Kämpfer. Wenn ich etwas will, dann bekomme ich es auch und habe auch, trotz großer Ahnung von analoger Technik, ein paar schöne Melodien synchron zum Rest der Songs rausbekommen.

Wie kam die Zusammenarbeit beim Track „Turn On!“ mit Marian Gold von Alphaville zustande? Hast du den Song komponiert und dann gedacht: das wäre doch was für Marian?

Den Song habe ich geschrieben, die Idee daß Marian ihn singt kam aber durch gemeinsame Freunde. Claudia, die jahrelang Teil des Alphaville Social Media Teams war meinte, wir müssten uns unbedingt mal kennenlernen und etwas zusammen machen. „Das würde so gut passen!“

Thomas Thyssen, der zu dieser Zeit mit Marian für das Eternally Yours Album von Alphaville gearbeitet hat und Marian gut kannte, versprach, mich ebenfalls unterstützen. Ich hatte die Musik von „Turn On!“ gerade fertig und habe beiden ein Demo davon geschickt. Eines Tages erhielt ich eine WhatsApp von meinem Freund Thomas mit den Worten: „Check mal Deine Mails, ich habe eine Überraschung für Dich.“

Sekunden später lief auf meinem Handy „Turn On!“, gesungen von Marian Gold. Das war surreal und wunderschön. Ein Moment den ich nie vergessen werde. Von da nahm alles seinen Lauf. Durch regelmäßige Begegnungen, Humor und gegenseitigem Respekt wurden aus zwei Musikern und einem Projekt, Freunde.

T.O.Y. "Neon Lights" #ARTOFFACT #EBM #synthpop #futurepop #electropop

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Kannst du uns etwas über die weiteren Kollaborationen sagen?

Durch einen ähnlichen Zufall lernte ich vor einigen Jahren Andy Treacey, den Schlagzeuger der britischen Legenden Faithless kennen. Als Andy mir eines Tages schrieb, sie gehen mit Faithless wieder auf Tour, bin ich durchgedreht. Ich liebe diese Band live. Diese Energie, diese Dynamik, einfach unbeschreiblich. Auf ihrem ersten Deutschland Konzert in Hamburg durfte ich dann gleich den Rest der Band kennenlernen und mich umarmte eine unfassbar musikalische, kreative Familie. Diese Familie wollte ich nicht mehr loslassen und ich reiste auf einige Konzerte mit. Nach einer Show in Amsterdam, saßen Andy, Stan White (Bass) und ich noch zusammen und redeten über Musik. Stan bot an, wenn ich mal einen Bassisten benötige, dann dürfte ich mich gerne melden. Nachdem Andy bereits bei der T.O.Y. Single „Silent Soldiers“ die Drums eingespielt hat, ließ ich mir dieses Angebot nicht entgehen. Ich habe Stan das Demo von „To the Stars with me“ geschickt und als einige Tage der Song mir seinem Bass zurückkam, bin ich umgefallen. Wow, was ein Sound, was eine Dynamik. Das klingt ja fast wie bei Faithless. Ich habe Stan gefragt, ob er vielleicht einen weiteren Song für mich aufnehmen könnte. Klar, meinte er. Ich habe ihm vier Songs zur Auswahl geschickt. Zurück kamen alle vier, mit Bass. Jetzt hatte ich zwar fünf Songs mit seiner unfassbar guten Bass Gitarre, aber auch sechs ohne. Also, die weitere Geschichte kann man sich denken. Er hat fast alles Songs gespielt, bis auf wenige Ausnahmen, da ich den Sound dieser Songs bereits für perfekt hielt und Gitarrist Tom Steinbrecher, der zuständig für alle Gitarren auf dem Album und so unfassbar viel Inspiration ist, nicht gegen Stan austauschen wollte. Das wäre undankbar gewesen, weil er dieses Projekt mit so viel Liebe begleitet hat.

Welchen Propheten hattet ihr im Kopf, als ihr einen Albumtitel gesucht habt? Ist euer neues Werk religiös geprägt?

Der Albumtitel ist inspiriert durch den wohl prägendsten Synthesizer der 80er Jahre. Den Sequential Circuits Prophet 5. Anfangs war The Prophet nur der Arbeitstitel. Aber der Name passte immer besser und dazu ist er noch plakativ. So kurz können manche Fragen beantwortet sein 😉

Das Album ist während der Corona Pandemie entstanden. Es war ja damals nicht erlaubt, zusammen zu musizieren. Wie habt ihr das Problem gelöst?

Neben den Remote aufgenommenen Instrumenten, gab es natürlich auch Studio Sessions. Die sind aber unmittelbar nach der Pandemie entstanden. Also die Songs habe ich alleine im Studio geschrieben, und erst danach wurden weitere Instrumente aufgenommen, als das klassische Songwriting längst erledigt war.

„The Prophet“ ist eher ein Album mit Vintage Vibe, nicht nur aufgrund der Instrumentalisierung. Bist du eher ein Mensch, der gerne zurückschaut und alten Zeiten nachtrauert?

Ich muss leider sagen: Ja. Natürlich hat die Gegenwart seine Reize, mit all der Technik, den Erleichterungen, aber ich bin ein sehr sensibler, feinfühliger Mensch und die Hektik, die Optimierung des Alltags tut mir nicht gut. Ich wünschte mir, manche Dinge würde noch so lange dauern wie früher um einfach zu entschleunigen. Mein großes Thema sind Werte. Andere sehen, Bedürfnisse sehen und Hilfe leisten. Das kommt heutzutage einer Schwäche gleich. Wenn man gut ist, ist man oft der Dumme. Das kostet unfassbar viel Kraft. Ich bin aber gerne gut, denn ein Arsch zu sein, kostet mich noch mehr Kraft. Deshalb benötige ich viel Zeit für mich zur Regeneration, wenn ich unter Menschen war.

(c) Photo: privat

Es gibt einige Künstler, die keine Alben mehr veröffentlichen, sondern einzelne Tracks. Warum habt ihr euch dagegen entschieden?

Weil „The Prophet“ ein Gesamtwerk ist. Wir haben ja drei einzelne Singles vorab veröffentlicht, aber am Ende gibt es viele, die durch die Reinkarnation von Vinyl wieder gerne Alben hören. Ich habe dadurch so viele gute Stücke entdeckt, die mir verwehrt geblieben wären, hätte ich nur die Singles gehört. Außerdem darf man auf Alben experimentieren, also es wird einem im Kontext eines Albums eher verziehen als bei einer Single. „Night & Day“ ist das perfekte Beispiel. Ein über dreiminütiges Outro. Das muss man sich erstmal trauen. Aber Tom hat einfach eine so geile Idee gehabt, den Song so enden zu lassen, das musste ich so machen. Und dieser Song, dieser Teil des Songs, ist die Stelle, die ich nie vermissen möchte. Das ist für mich „The Prophet“.

Wovon handeln die Texte auf The Prophet? Sind sie autobiografisch geprägt?

Teils Teils. Die Texte sind eine Reise durch eine Phantasiewelt der 80er bis ins Heute. Da ich bei den Texten fleißige Helfer hatte, müssten wir im Kollektiv antworten. Aber grundsätzlich waren wir uns alle einig, dass das gesungene Wort cool klingen muss und der Text etwas auslösen soll. „Now & Anytime“ habe ich nach einer ziemlich dunklen Phase geschrieben. Mir ging es in dieser Zeit wunderbar. Ich war befreit von der dunklen „Home“ Phase. Das hört man musikalisch auch.

Auf dem Album sind neben der Elektronik auch Instrumente wie E-Gitarre und Saxophon zu hören. Warum habt ihr euch dafür entschieden?

Das Saxophon war in den 80er Jahren ein häufig eingesetztes Instrument. Da ich auch sonst mit „echten“ Instrumenten gearbeitet habe, wollte ich kein synthetisches Saxophon nehmen und habe mich auf die Suche nach einem Saxophonisten gemacht. Das war gar nicht so leicht, aber am Ende eine interessante Erfahrung und ein cooler Kontakt.

Die Gitarre hingegen hat mich selbst überrascht. Als Tom Steinbrecher das erste Mal ins Studio kam, war der Termin eher ein Experiment. Aber eins mit explosiver Wirkung! Wir haben nicht nur menschlich „reagiert“, sondern auch musikalisch. Wow, der Typ hat von der ersten Sekunde verstanden was den Songs fehlt und wie es klingen muss. Ich hatte eine Vision und habe Tom diese manchmal vorgesungen oder auf den Oberschenkeln vorgetrommelt und während ich noch selbst überlegt habe was ich da mache, fing Tom an zu spielen und das, was er spielte war einfach geil. Er hat den Sound von „The Prophet“ maßgeblich mit beeinflusst. Dafür bin ich sehr sehr dankbar. Die Zeit die er bei immer weiteren Besuchen und Sessions investiert hat, war einfach wunderbar. „Kuchen, Musik und Freudentränen“. So würde das Buch heißen, wenn ich eins über diese Zusammenarbeit schreiben würde.

Sind auch Livetermine für das kommende Jahr geplant? Und wie kann man sich die Liveshows vorstellen?

Noch sind keine festen Termine geplant. Wir sprechen mit diversen Veranstaltern. Teil zwei deiner Frage ist aber genau das Problem. Wir sind uns bewusst, dass wir nicht Duran Duran sind, dementsprechend nicht die Zuschauer ziehen und nicht die entsprechenden Umsätze machen. Meine Vorstellung von live ist aber nicht ein Laptop und ein Keyboard. Ich möchte gerne den Drummer, den Keyboarder und am liebsten noch einen Gitarristen mit auf der Bühne haben. Das kostet Geld in der Umsetzung. Wenn das nicht gelingt, wird’s eng mit Konzerten. Aber Lust haben wir, und zwar jede Menge.

Vielen lieben Dank für das Interview und alles Gute! 

Unsere Review zum Album T.O.Y. – „The Prophet“ findet ihr hier:

T.O.Y. – The Prophet

Weblinks T.O.Y.:

Homepage: toy-music.bandcamp
Facebook: toymusicofficial
Instagram:  toymusicofficial

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