Am 16. April 2025 verwandelte sich der Schlachthof Wiesbaden in eine Pilgerstätte für Schwarzkutten und Black-Metal-Fans. Die drei Schwergewichte des Genres – Rotting Christ, Satyricon und Behemoth – hatten im Rahmen der „The Unholy Trinity“-Tour zu einem nahezu rituellen Abend in der hessischen Landeshauptstadt gerufen.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Bereits am Vorabend in Köln (hier nachlesen) hatten die Bands ein staunendes, wie zufriedenes Publikum hinterlassen. Doch auch Bestleistungen lassen sich bekanntlich steigern – was die unheilige Dreifaltigkeit in Wiesbaden eindrucksvoll unter Beweis stellte. Zwischen Industriecharme und einem progressiven Anspruch gegen Rassismus, Homophobie und Diskriminierung bot der Schlachthof einen perfekten Rahmen für diese musikalische Zeremonie. Überpünktlich, kurz vor 19 Uhr, betraten Rotting Christ in der bereits zu diesem Zeitpunkt gut gefüllten Halle die Bühne und legten ohne Umwege los.
Mit dem brachialen Opener „666“ schufen die Griechen um Frontmann Sakis Tolis eine teuflische Grundlage. Die tief gestimmten Gitarren und das rollende Schlagzeug erzeugten ein Gefühl zwischen Messe und Mahlstrom. Es folgte „P’unchaw kachun – Tuta kachun“, ein Song, der mit seinen spirituellen Chants und düsteren Tribal-Rhythmen das Publikum hypnotisierte. „Fire, God and Fear“ brannte sich mit seinem schneidenden Riff und sakralem Touch ins Bewusstsein, bevor das bedrohliche „Kata Ton Daimona Eaytoy“ mit archaischer Kraft aus den Boxen donnerte. Die Band zeigte sich spielfreudig, präzise – und mitreißend. Besonders bewegend: „Like Father, Like Son“, das Sakis extra ankündigte und mit seinen melancholischen Passagen für Gänsehaut sorgte.
„Elthe Kyrie“ vom 2016er Album „Rituals“ ließ das Publikum kurz innehalten, bevor der Fan-Favorit „Non Serviam“ losbrach – hier war der Schlachthof, auf dessen Podest auch Themis’ Schlagzeug thronte, ein einziges, lautstarkes Chorwerk. „Societas Satanas“ und das finale „Grandis Spiritus Diavolos“ rundeten die intensive Show der Griechen ab. Rotting Christ lieferten mehr als nur ein Warm-up – sie beschworen mit ihrem brachialen Soundgewitter ein regelrechtes Ritual, das mich nachhaltig beeindruckte. Erst wenige Tage zuvor, am 4. April 2025, veröffentlichten Rotting Christ ihr monumentales Live-Album „35 Years of Evil Existence – Live in Lycabettus“, aufgenommen in der historischen Kulisse Athens. Der Auftritt in Wiesbaden schien wie eine kraftvolle Verlängerung dieses Jubiläums – energiegeladen und getragen von der jahrzehntelangen Bandgeschichte.
Setlist ROTTING CHRIST – Wiesbaden, Schlachthof (16.04.2025):
01. 666
02. P’unchaw kachun- Tuta kachun
03. Fire, God and Fear
04. Kata Ton Daimona Eaytoy
05. Like Father, Like Son
06. Elthe Kyrie
07. Non Serviam
08. Societas Satanas
09. Grandis Spiritus Diavolos
Weblinks ROTTING CHRIST:
Homepage: https://www.rotting-christ.com
Facebook: rottingchristofficial
Instagram: rottingchristofficial
Während der Umbaupause nutzte ich die Gelegenheit, mir an der Bar ein Getränk zu holen – und war angenehm überrascht: Ein Mineralwasser für gerade einmal einen Euro? In der heutigen Zeit ist das definitiv keine Selbstverständlichkeit und ja, da ich noch fahren musste, sollte es ein Mineralwasser sein. Als ich mich wieder der Bühne zuwandte, hatte sich das Bühnenbild bereits gewandelt. Ein großes Backdrop mit schwarzen Raben, das entfernt an Katatonia erinnerte, spannte sich nun hinter dem neuen Drumkit und dem dazugekommenen Keybord. Links und rechts rahmten hohe Lichtsäulen das Szenario ein – ein düsteres, atmosphärisches Setting, das die perfekte Bühne für Satyricon und eine stimmungsvolle Lichtshow bereiten sollte.
Die norwegische Band Satyricon eröffnete ebenfalls pünktlich um 21 Uhr ihr Set mit „Now, Diabolical“, das sich in typischer Midtempo-Erhabenheit entfaltete. Während Satyr eine majestätische Ruhe ausstrahlte, hämmerte Frost wie eine gut geölte Maschine auf seinem Drumkit. Nicht weniger zielgenau hauen Azarak, Atilla und Phil in die Saiten und posen siegessicher ins Publikum. Die Band weiß , was die Menge will. Im Hintergrund der Bühne thront Jonna am Keyboard, um dem himmlischen Höllenspaß den letzten Schliff zu verleihen. „Our World, It Rumbles Tonight“ fügte sich nahtlos in diesen hypnotischen Flow ein. Mit „Black Crow on a Tombstone“ kam dann mehr Rock’n’Roll in den Black Metal – das Publikum bangte ekstatisch.
Besonders düster wurde es dann bei „To Your Brethren in the Dark“, dessen eindringlicher Gesang einer Beschwörung nahekam. Dann ein Sprung zurück zu den Wurzeln mit dem rohen „Walk the Path of Sorrow“, bevor „Forhekset“ mit seiner wilden Raserei losstürmte. „The Pentagram Burns“ baute die Spannung im Saal nochmals weiter auf, bis nach dem atmosphärischen „To the Mountains“ der absolute Höhepunkt folgte. Zuerst „Mother North“, das vom gesamten Saal mitgesungen wurde, ehe Satyricon ihren Fans mit „K.I.N.G.“ zum Abschluss nochmals einen dieser Gänsehautmomente bescherten.
Setlist SATYRICON – Wiesbaden, Schlachthof (16.04.2025):
01. Now, Diabolical
02. Our World, It Rumbles Tonight
03. Black Crow on a Tombstone
04. To Your Brethren in the Dark
05. Walk the Path of Sorrow
06. Forhekset
07. The Pentagram Burns
08. To the Mountains
09. Mother North
10. K.I.N.G.
Weblinks SATYRICON:
Homepage: https://www.satyriconofficial.com
Facebook: SatyriconOfficial
Instagram: satyriconofficial
Gegen 21.30 Uhr hallen dumpfe Herzschläge durch den Schlachthof, während ein großer weißer Vorhang die Bühne verdeckt. Darauf prangt das Symbol des aktuellen Behemoth-Outputs „The Shit ov God“, das in gespenstischem Licht projiziert wird. Der Puls wird schneller, bedrohlicher – die Spannung steigt. Schemenhaft erscheint Nergal auf dem Vorhang, sein Gesicht verzerrt sich zunehmend mit dem wachsenden Grollen des Sounds, bis ein markerschütternder Klang das Finale einläutet und der Vorhang zu Boden fällt.
Was sich nun offenbarte, war ein Bühnenbild, das an sakrale Baukunst erinnerte – düstere okkulte Symbole, zwei Türme an den Seiten, invertierte Kreuze im Hintergrund. Nebel kroch über den Boden, gleißende Lichtblitze zuckten durch die Dunkelheit, und mit dem Opener „The Shadow Elite“ brach der Sturm los. Die Bühne wurde in ein fast himmlisches Licht getaucht, das einen starken Kontrast zur Finsternis der Musik bildete. Nergal, Seth, Orion und Inferno betraten die Bühne mit der Präsenz von Hohepriestern, die zum Ritual laden – für sie gleicht die Bühne einem Altar, und ihre Musik einer Liturgie. Mit dem zweiten Song „Ora Pro Nobis Lucifer“ versank selbiger in ein glühendes Rot. Die lateinischen Passagen des Refrains hallten durch den Saal wie Beschwörungsformeln, während die ersten Feuerfontänen des Abends an der Bühnenfront emporstiegen. Nergal kommentierte das trocken mit einem grinsenden „Feuer frei!“. Gegen Ende des Songs traten Seth und Orion in einen mittig postierten Lichtkegel, um gemeinsam ein kurzes Gitarrensolo zu spielen – ein stiller, aber beeindruckender Moment. Mit „Demigod“ wurde das Tempo weiter angezogen – Trompetenklänge kündigten den Track an, ehe ein Lichtgewitter und knallende Gitarrenriffs das Kommando übernahmen. Nergal suchte nun vermehrt den Kontakt zum Publikum und forderte Reaktionen – was er bekam, waren empor gereckter Fäuste und Pommesgabeln. Die Halle tobte.
„The Shit ov God“, der Titeltrack des neuen Albums, war dann das wohl deutlichste musikalische Manifest des Abends. Während Nergal im hinteren Bühnenbereich auf das Podest vor Infernos Drumkit stieg, inszenierte er den Song fast wie eine satanistische Messe mit gespenstisch wirkenden Gesten. Seth und Orion erklommen währenddessen die Türme links und rechts der Bühne, wo sie ihre Parts aus luftiger Höhe performten. Am Ende des Songs schossen erneut Flammen – diesmal aus den Türmen selbst, die auf die Mitte der Bühne gerichtet waren und hinterließen ein sichtlich beeindrucktes Publikum. Nach diesem infernalischen Auftakt ließ Behemoth keine Sekunde nach. Mit „Conquer All“ kündigte Nergal in beinahe feierlichem Ton seine „deutschen Legionen“ an – und die antworteten prompt mit Jubel und gereckten Fäusten. Rauchfontänen tauchten die Bühne erneut in eine apokalyptische Szenerie. In den Gitarrenpassagen rückten Nergal und Neth einander nahe, ihre Instrumente kreuzten sich in fast zeremonieller Choreografie, während Orion den Bass mit stoischer Kraft bearbeitete – stets dem Publikum zugewandt. Die Dynamik auf der Bühne war beeindruckend: Immer wieder wechselten die Musiker ihre Positionen, erklommen die vorderen Podeste und suchten die Nähe zum Publikum.
„Blow Your Trumpets Gabriel“ hob die theatralische Energie weiter an. Seth und Orion postierten sich zu Beginn erneut auf den äußeren Podesten – und sofort schossen Flammen aus diesen mittig zur Bühne. Die markanten Gitarrenriffs wurden von enthusiastischen „Hey!“-Rufen und einem Meer aus Pommesgabeln begleitet. Nergal erschien mit schwarzer Gesichtsmaske, während Inferno in einem hellen Lichtkegel sein Schlagzeug mit brachialer Präzision bearbeitete. Trotz der düsteren Atmosphäre nahm sich Nergal immer wieder Zeit, um mit dem Publikum zu interagieren. Spätestens bei den gemeinsam gesungenen Passagen war klar: Diese Messe hatte ihre Gemeinde gefunden. Am Ende entluden sich erneut Feuerfontänen und vollendeten das dramatische Spektakel. Die Bühne verwandelte sich mit „Ov Fire and the Void“ in ein Inferno aus Rot, Licht und Nebel. Schwere Gitarrenriffs und explodierende Rauchfontänen bestimmten das Bild, während Orion auf einem Podest emporstieg, um das Publikum weiter anzuheizen – was prompt mit rhythmischen Rufen und ausrastenden Fäusten beantwortet wurde. Das Finale des Songs wurde begleitet von synchron auflodernden Feuerfontänen – vorn wie hinten auf der Bühne. Mit der neuen Single „Lvciferaeon“ schlugen Behemoth dann einen etwas frischeren, aber nicht minder intensiven Ton an. Das Publikum nahm die düstere Soundgewalt dankbar auf – der Song schien schon jetzt fest im Live-Repertoire verankert zu sein.
Als nächstes folgte mit „Bartzabel“ ein echter Meilenstein. Seth eröffnete das Stück auf einem hinteren Podest im Lichtkegel mit einem eindringlichen Gitarrensolo. Das Rampenlicht traf nun Inferno, der seine Drums ebenso mächtig wie präzise bearbeitete. Dann, mit sakraler Geste, betrat Nergal das Zentrum der Bühne – eine schwarze Mitra auf dem Kopf, seine Hände zu einem okkulten Dreieck geformt. Nebel kroch über den Bühnenboden, das Licht schwenkte in mystisches Blau, Flammen loderten im Hintergrund – es war ein Moment wie aus einer anderen Welt. Nergal beschwor das Publikum, während Seth seine Gitarre bis an die Grenzen trieb. Es folgte „Wolves ov Siberia“. Ein schwarzer Vorhang senkte sich herab, dahinter sind die Bandmitglieder nur schemenhaft zu erkennen, während auf den Stoff das zugehörige Musikvideo projiziert wurde. Die Atmosphäre schaurig intensiv. Aus den Lautsprechern hallen Kinderstimmen, die man bereits aus „Solve“ kennt, predigen eindringlich: „Elohim! I shall not forgive! Adonai! I shall not forgive! Living God! I shall not forgive! Jesus Christ! I forgive thee not! Die Riffs schälten sich danach melodisch und bedrohlich zugleich durch den Klangteppich, ehe das Stück in eine rasende Blastbeat-Attacke überging, die mit sirrenden Gitarren in der Dunkelheit ausklang. Es folgte mit ‚Once Upon a Pale Horse‘ der nächste düstere Höhepunkt – lautlos viel der schwarze Vorhang zu Boden und gab nun wieder den Blick auf eine Bühne frei, die in bedrohliches, tiefes Rot getaucht war. Weiße Lichtblitze zuckten durch den Saal, während zentral eine groteske Figur mit ausgebreiteten Armen, wie gekreuzigt, kopfüber unter der stilisierten Sonne vor Infernos Drumkit hing. Nergal trat in einem dunklen Kapuzenumhang auf, die Kapuze ins Gesicht gezogen – eine düstere Silhouette, die wie ein Hohepriester seiner eigenen Höllenliturgie wirkte. „Make some fucking noize!“, rief er der Menge entgegen – und das Publikum antwortete prompt. Ohne Atempause dröhnte „Christians to the Lions“ aus den Boxen – einer der kompromisslosesten Songs des Sets. Seth und Orion stiegen mit brennenden Fackeln von den hinteren Podesten hinab, was eine apokalyptische Szene heraufbeschwor. Nergal trug nun eine schwer wirkende Lederkutte mit Nieten und einem umgekehrten Kreuz auf dem Rücken – ein sinnbildlicher Affront gegen alle Konventionen. Die Gitarrenriffs waren messerscharf, unnachgiebig, und flogen einem wie peitschende Schläge um die Ohren.
Kurz danach wurde es fast andächtig: Nergal richtete das Wort an das Publikum, sprach über die Größe der aktuellen Black-Metal-Welle und fragte, wer in der Halle nach 1991 geboren sei – „Ihr alle seid jünger als dieser Song“, sagte er mit einem schelmischen Grinsen, bevor „Cursed Angel of Doom“ aus den Boxen donnerte. In kühles, blaues Licht getaucht, zeigte sich die Band hier von ihrer düster-melancholischen Seite, ohne dabei an Schwere zu verlieren. Mit „Chant for Eschaton 2000“ steuerte das Set seinem emotionalen und visuellen Höhepunkt entgegen. Glockenklänge leiteten den Song ein, dann übernahm das Schlagzeug das Kommando. Nergal, Seth und Orion spuckten während des Songs mehrmals Blut in die ersten Reihen – ein morbides Ritual, das vom Publikum mit weiteren „Hey! Hey!“-Rufen begleitet wurde. Die Bühne brannte förmlich, unzählige Feuerfontänen schossen gen Himmel, auch die seitlichen Türme verwandelten sich wieder in flammende Säulen. Zum großen Finale stellte sich Nergal auf ein Podest, alle Gitarristen reckten ihre Instrumente gen Himmel und das Publikum tobte. Zum letzten Akt wurde es noch einmal feierlich: „O Father O Satan O Sun!“ begann mit einem dunklen Konfettiregen, der wie ein sakraler Segen auf die Menge niederfiel. Nergal erschien in einem roten Kapuzenumhang und trug eine schwarze Gesichtsmaske, ebenso wie seine Bandkollegen. Die Bühne war von dichtem Nebel umhüllt, nur das rote Licht ließ schemenhafte Gestalten erkennen. Flammen loderten nun auch seitlich des Drumkits – ein majestätischer, fast sakraler Abschluss einer Show, die man nicht einfach als Konzert bezeichnen kann. Es war ein Ritual, eine Messe.
Wer an diesem Abend dabei war, wird ihn so schnell nicht vergessen. Ein Manifest extremer Musik – und der Beweis, dass der Teufel, wenn er auftaucht, verdammt gut Gitarre spielt – wer noch nicht genug von den Konzerten auf der bisherigen Tour hatte, hat am Freitag die Möglichkeit das Konzert in Breslau (Wrocław) über einen Stream zu verfolgen, zudem es hier die Fahrkarten gibt: Behemoth – The Unholy Trinity: Live from Wrocław – VEEPS
Die verlinkten Bildergalerien stammen von den beiden Konzerten aus Köln (E-Werk) und Wiesbaden (Schlachthof). In Wiesbaden war es ausdrücklich gestattet das ganze Set von Behemoth zu fotografieren.
Setlist BEHMOTH – Wiesbaden, Schlachthof (16.04.2025):
01. The Shadow Elite
02. Ora Pro Nobis Lucifer
03. Demigod
04. The Shit ov God
05. Conquer All
06. Blow Your Trumpets Gabriel
07. Ov Fire and the Void
08. Lvciferaeon
09. Bartzabel
10. Wolves ov Siberia
11. Once Upon a Pale Horse
12. Christians to the Lions
13. Cursed Angel of Doom
14. Chant for Eschaton 2000
15. O Father O Satan O Sun!
Weblinks BEHEMOTH:
Homepage: https://www.behemoth.pl
Facebook: behemoth
Instagram: behemothofficial