EASTSIDE FESTIVAL, Halle (05.07.2024) – Tag 1

EASTSIDE FESTIVAL, Halle (05.07.2024) - Tag 1
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Wer 2022 das Glück hatte, beim ersten EASTSIDE-Festival im Karlsbad in Halle/Saale dabei zu sein, konnte wohl so gut wie keine Kritik üben. Es war klein, es war fein. Tolle Bands und die ein oder andere Anekdote konnte erzählt werden.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Als ich dann 2023 erfuhr, dass es in Halle nur den kleinen Ableger EASTEND geben wird, hatte ich die Befürchtung, dass dieses gute Festival seinen schnellen Tod erlebt und es keine zweite Auflage geben wird. Umso größer war dann die Freude, als bekannt wurde, dass es 2024 wieder ein Eastside-Festival geben wird. Und das sollte tatsächlich die Erstauflage in den Schatten stellen. Zumindest vom Line-up wurde eine große Schippe an Qualität drauf gepackt. Wie sich das in der Realität darstellen wird, dazu kommen wir später.

Die Anfahrt von Hamburg nach Halle war wieder einmal unkompliziert, nur der Wettergott hatte einige Anspielungen fürs Wochenende parat. Zum Glück waren Regenponcho und Sonnencreme an Bord. Man ist also gerüstet, als sich am Freitagnachmittag gegen 16.00 Uhr die Pforten zum Karlsbad öffneten. Auf dem Fußmarsch hörten wir bereits den Soundcheck, die Tafel schien gedeckt zu sein.

Leider hörte ich sehr schnell, dass es wohl zu einigen Verzögerungen durch technische Probleme kommt und dass es eher unwahrscheinlich sein wird, dass die erste Band um 17.00 Uhr auf der Bühne stehen wird. Nun gut, nehmen wir das Areal dann mal unter die Lupe und rüsten uns mit den nötigen Infos aus. Ein leicht verändertes Catering zur Erstauflage konnten wir schnell ausmachen. Dafür gab aber dieses Mal einen Verkaufsstand für Lederwaren und Mittelaltermoden, der Verkaufswirksam in der Nähe der WC-Anlagen und dem Eingangsweg aufgebaut war. Auch so ein Festival kommt nicht ganz ohne Sponsoren aus, daher gab es einen Werbestand für E-Zigaretten, der zwar Leute anzog, sich jetzt aber nicht in den Vordergrund stellte. Die PR-Leute waren freundlich und unaufdringlich. So soll es auch sein. Keine Werbeläufer auf dem Platz, keine lästige Sponsorenwerbung zwischen den Sets. Die Veranstalter haben das gut organisiert.

Die Getränkeauswahl war wieder sehr gut ausgewählt. Bierwagen für das rustikale Volk, ein separater Getränkestand für Softdrinks und Mischungen. Von den Preisen her gab es für mich nichts Außergewöhnliches zu bemängeln. Die Veranstalter müssen kostendeckend arbeiten und das schlägt sich auch immer in den Getränken nieder. Aber ein Mischgetränk für 8,50€ und Kurze für 2,-€ waren nicht überteuert. Alkoholfreie Softdrinks waren preislich annehmbar. Daumen hoch dafür!

ZWEITE JUGEND

Gegen 17.25Uhr sollte es dann mit leichter Verspätung endlich losgehen. Anchorman Jens Domgörgen sollte wieder durch das Wochenende führen und erklärte das Eastend-Festival offiziell für eröffnet.

Als erstes stürmten Zweite Jugend auf die Bühne. Ich wollte mich eigentlich im Vorfeld noch mit ihnen beschäftigen, da sie so die einzige Band waren, die ich so gar nicht kannte. Nun, hätte ich mal machen sollen. Ehrlich gesagt, haben Zweite Jugend in ihrer Jugend zu viele DAF-Platten gehört. Es war unterhaltsam und Frontmann Eli van Vegas mühte sich sichtlich ab und suchte schnell Kontakt zum Publikum, welche deutlich besser vorbereitet waren als ich. Sehr schnell sprang der Funke von der Bühne auf das Publikum über. Hände gingen hoch und die ersten EBM-ler tanzten sich einen Wolf ab. Dafür, dass es viele technische Probleme in der Vorbereitung gab, war der Klang erstaunlich gut. Und sonst? Schwer zu beschreiben. Ich würde mir lieber eine DAF-Platte auflegen, als eine Kopie anzuschauen. Aber dem Publikum hat es gefallen. Und das ist doch das Wichtigste. Das harte Brot des Openers haben Zweite Jugend auf jeden Fall angenommen und das Set mit Bravour gemeistert.

AUGER

Gegen 18:15 Uhr betraten dann die Goth-Rocker von Auger die Bühne. Frontmann Kyle Black wirkte anfangs sehr nervös und angespannt auf mich. Als er aber die ersten Töne sang, verschwand diese sichtlich und es öffnete sich ein sehr interessantes Set, welches ein Querschnitt ihres bisherigen Schaffens beinhaltet. Kyle schaffte es auf seine Art auch relativ schnell, das Publikum für sich zu begeistern. Song für Song kam immer besser an und ich persönlich war schon etwas enttäuscht, als sie mit Oxygen ihren bisher wohl bekanntesten Track anspielten und sich danach von der Bühne verabschieden mussten. Auger machen Laune auf mehr. Leider sind sie auf dem europäischen Festland derzeit nur auf Festivals zu sehen. Im August folgt dann eine UK-Tour. Wer in der Zeit auf der Insel sein sollte, sollte sich Auger nicht entgehen lassen.

ESCAPE WITH ROMEO

Bereits die Umbaupause nach Auger ließ erahnen, dass es heute so einige Probleme mit der Technik geben könnte. Das Delay zog sich immer weiter und der Zeitplan geriet langsam aber sich aus den Fugen. Als Thomas Elbern mit seiner Wave/Rock-Formation Escape With Romeo auf die Bühne kam, wehte ein gewisser Hauch von Ehre über das Areal. Diese Band gibt es jetzt mit Unterbrechung seit 1989 und eigentlich müsste jeder Goth in den 90er Jahren mindestens einen Track von Escape With Romeo auf einem Mixtape gehabt haben. Schon mit dem Opener Helicopters in the Falling Rain haben sie mich abgeholt. Der Griff in die Klassikerkiste war genau das richtige in diesem Moment. Darknesstaker und Somebody, ich war zufrieden. Dazu gab es mit Black Jaguar in a Police Car wohl bereits einen neuen Track. Rundum ein feines aber leider auch zu kurzes Set. Ob es dem Delay geschuldet ist oder geplant war nur neun Stücke zu spielen, werden wir wohl nicht erfahren.

EMPATHY TEST

Ach ja, Isaak Howlett und seine Band Empathy Test. Mag ich sie? Schwer zu sagen. Die Alben sind für mich meist eine zähe Reise. Ich finde schwer zu den Highlights und teilweise klingt es luftleer für mich. Live sieht es dafür ganz anders aus. Isaak treibt seine Auftritte nach vorne und der Livesound klingt roher und kräftiger, als man bei einer Platte erwarten würde.

Als Isaak Howlett auf die Bühne kommt, gibt es die erste richtige Panne des Abends. Howletts Mikro ist tot und da er mit In-Ears auftritt, hat der Gute anscheinend nicht einmal bemerkt, dass das Publikum ihn gar nicht hören konnte. Er lief über die Bühne, sang aus voller Brust, tanzte und für uns sah es teilweise schon komisch aus. Gegen Ende des Openers Monsters hat er es dann doch mitbekommen. Und das Publikum? Textsicher bis in die Haarspitzen wurde lauthals gesungen. Howlett nahm es mit Humor und hatte sichtlichen Spaß auf der Bühne. Schnell haben die Techniker gestöpselt und nach kurzer Pause ging es dann weiter. Die Stimmung auf dem Areal wurde immer besser auch oder obwohl die deutsche Nationalelf gerade ihr Viertelfinale gegen Spanien verloren hatte. Howlett konnte nach insgesamt dreizehn Tracks auf einen sehr guten Auftritt zurückblicken und zufrieden die Bühne für das erste wirkliche Highlight des Festivals frei machen.

DE/VISION

Der Zeiger der Uhr an der Bühne rückte bereits unaufhaltsam in Richtung 22:00 Uhr als endlich das Logo von De/Vision auf dem LED-Backdrop erschien und Steffen Keth und Thomas Adam endlich auf die Bühne kamen. Steffen, für mich einer der intelligentesten Frontmänner der deutschen Electroszene wirkt fast wie gewohnt in seiner eigenen Bubble. Dieser Mann braucht kein Posing, keine Pirouetten und besondere Tanzeinlagen. Hatte ich vor 1999 wirklich arge Probleme mit dieser Band, ziehe ich heute meinen imaginären Hut vor den beiden. Keine Schlagzeilen, keine Parolen und erst recht, gerade auch während der Pandemie keine Meinungsmache. Gerade Steffen Keth umgibt eine Aura und ich kann nicht wirklich erklären, was oder wie er es macht, mich bei den Konzerten so zu fesseln.

Ich möchte nicht in der Haut von Steffen und Thomas stecken, wenn es darum geht, für so einen Festival-Auftritt die richtigen Songs auszuwählen. Natürlich dürfen die Hits wie Try to Forget, Your Hands on my Skin oder auch I regret nicht fehlen. Dann wird es schon schwer, das richtige zu spielen. Aber auch an diesem Abend machen De/Vision alles richtig. Das Publikum tanzt und singt lauthals mit. Auch wenn das obligatorische „Halle, wo seid ihr?“ von Steffen nicht fehlen darf, das Publikum feiert die Band ab.

Als De/Vision dann abtreten, macht sich bei mir dann doch ein wenig Enttäuschung breit. Das letzte Album von De/Vision liegt mittlerweile schon sechs Jahre zurück und bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass Steffen und Thomas an neuem Material arbeiten.

DAF

Das Publikum steht einen langen Abend durch. Gegen 23:30 Uhr, gut 45 Minuten später als angekündigt, ist das Eastend dann soweit, um einen Teil einer Ikone der EBM-Szene zu empfangen. Robert Görl, ein Teil von DAF (Deutsch Amerikanische Freundschaft) ist mittlerweile auch ein bisschen in die Jahre gekommen. Der Gute geht ja nun auch schon stramm auf die 70 Jahre zu und ein langer musikalischer Weg liegt hinter ihm. Ob nun jung oder alt, egal! Görl wird mehr als herzlich empfangen. Ich hatte 2018 in Berlin nochmal das Glück, DAF in der Besetzung mit Gabi Delgardo live zu erleben. Wie bestimmt viele andere auch. Das hier heute Abend ist für mich persönlich aber kein Erlebnis mehr. Görl ist nicht Delgardo. Er steht das ganze Set nahezu regungslos am Mikro, das Songbook immer dabei und intoniert seine Texte mehr theatralisch als mit der Brechstange, wie man es von Gabi kannte. Für mich macht man es auch nicht besser, wenn Robert Görl dem Publikum erzählt, dass Gabi sein geistiger Bruder war. Ja gut und schön aber hier wirkt es deplatziert. Und dem Publikum ist es auch egal. Sie wollen tanzen. Es scheint dem Publikum auch egal zu sein, dass Robert Görl mit seinem Auftritt jeden Spirit verfliegen lässt, den er einst mit Delgardo zusammen aufgebaut hat. Der Räuber und der Prinz, Sato Sato und auch Der Mussolini verlieren für mich jeglichen Reiz. Gerade bei letzterem dreht das Publikum nochmals so richtig auf und singt fast lauter als Görl selbst.

Fazit DAF: Es ist schade, dass sich ein musikalisches Denkmal so entweiht. Ich verstehe die Beweggründe gewiss, warum Robert Görl als DAF noch weitermacht, hätte es aber für besser befunden, hätte er DAF nach dem Tod von Gabi Delgardo auch zu Grabe getragen.

MESH

Um 0:50Uhr am Samstagmorgen kommen dann noch Mesh auf die Bühne. Sie waren ja auch schon beim ersten Eastside und beim Eastend im vergangenen Jahr zu Gast und man kann über den qualitativ hohen Standard ihrer Shows kaum noch ein Wort verlieren. Mark Hockings war im Vergleich zu vielen anderen Shows sehr gut drauf. Natürlich ist er jetzt nicht der große Redner und zu nachtschlafender Zeit liegt auch hinter den Jungs ein langer Tag. Doch haben Mesh wieder einmal gezeigt, warum sie die Rolle des Headliners übernehmen. Doch Headliner hin oder her, wer keine Rücksicht darauf nimmt, sind entfernte Anwohner und das Ordnungsamt. Von 15 Songs auf der Setlist waren es nur 11 Songs. Dann hat die Polizei das Konzert abgebrochen. Sehr schade, denn das Publikum war noch gut in Feierlaune.

Fazit Tag 1

Auch wenn es manchmal sehr bedrohlich am Himmel ausgesehen hat, hatte der Wettergott für das Eastend erbarmen gezeigt und die Regenwolken immer wieder um das Festival herumgeführt. Durch die Bank war eine wirklich gute Laune zu verspüren. Das Festival war eine Art Familientreffen an diesem Tag. Man hat viele Leute wiedergetroffen, welche man tatsächlich vor zwei Jahren hier, im Karlsbad, das letzte Mal gesehen hat. Die Verzögerungen aufgrund der technischen Schwierigkeiten sind noch in einem akzeptablen Bereich gewesen. Also von daher war es ein schöner Tag und wir freuen uns auf den Samstag.

Weblinks EASTSIDE FESTIVAL:

Homepage: www.eastside-festival.de
Instagram: www.instragram.com/eastside_festival
Facebook: www.facebook.com/EASTSIDEopenair

 

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