ENTER SHIKARI / FEVER 333 / BLACKOUT PROBLEMS – Köln, Palladium (24.02.2024)

ENTER SHIKARI / FEVER 333 / BLACKOUT PROBLEMS - Köln, Palladium (24.02.2024)
Enter Shikari / Fever 333 / Blackout Moments © Sandro Griesbach
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Wie sich die Zeiten doch ändern: Als The Spark, das fünfte Studioalbum von Enter Shikari, 2017 erschien und betourt wurde, war das Kölner Palladium gerade einmal knapp zur Hälfte gefüllt. Sechseinhalb Jahre später wagte sich das Quartett aus St. Albans, England, noch einmal an Ort und Stelle. Und siehe da: Schon im Spätherbst waren sämtliche Tickets vergriffen. Ein Beleg für die nahezu durchweg ausgezeichnete Qualität, die Rou Reynolds, Rory Clewlow, Rob Rolfe und Chris Batten seit ihrem Debüt Take To The Skies 2007 auf Platten und Live-Bühnen bringen.  Dass ein ausverkauftes Palladium so manch Problem mit sich bringt, haben wir auf dieser Seite vor nicht allzu langer Zeit schon ausgiebig erörtert. Aber, was solls: Die drei auftretenden Bands gaben sich jeweils ausgiebig Mühe, wirklich alle Anwesenden glücklich nach Hause zu schicken.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Los ging es um 19 Uhr mit Blackout Problems. Alte Bekannte, möchte man sagen, waren die Münchner doch schon bei der Enter Shikari-Kurztour im April vergangenen Jahres in Köln, Hamburg und Brüssel mit von der Partie. Gutes Timing, denn erst tags zuvor erschien mit Riot das vierte Album der Alternative-Rocker, auf dem Mario Radetzky und Mitstreiter erneut einige hochpolitische Themen wie den Aufstieg der AfD oder den Klimawandel aufgreifen. Wer im Vorjahr schon dabei war, wusste, was ihn oder sie erwartete: Blackout Problems setzen auf hymnische Songs mit großen Refrains und viel Energie, manchen dürfte die Stücke etwas zu sehr in Pathos getränkt sein. Frontmann Radetzky ließ sich nicht lange bitten, bevor er erstmals ins Publikum hinabstieg, um von dort aus weiterzuperformen. Der Sänger kletterte im späteren Verlauf der 30-minütigen Performance gar an einem der mittleren Innenraum-Stützpfeiler hoch  – sympathisch, gab es so doch auch für die Gäste im hinteren Bereich mal was zu sehen, ein seltenes Glück im Palladium.

Mit mitreißenden Songs konnten Blackout Problems die Fans, „Euch alle, von vorne bis hinten und von links bis links“ (Zitat Radetzky) jedenfalls direkt auf Betriebstemperatur bringen. Mehrere Parts wurden gar lautstark mitgesungen, einige Besucher waren auch in Band-Merch gekleidet. Sie dürften wohl wiederkommen, wenn die Band am Tag der Deutschen Einheit zu ihrer größten Solo-Show der Geschichte einlädt: Am 3. Oktober stehen Blackout Problems nur wenige Hundert Meter entfernt auf der Bühne des Carlswerk Victoria – mit weitaus mehr als nur sechs Songs. Schade nur: Shikari-Sänger Rou Reynolds verpasste seinen Einsatz beim Song Glofs, das er für die Riot-LP gemeinsam mit dem Support aufnahm.

Setlist BLACKOUT PROBLEMS @ Köln, Palladium (24.02.2024)

01. DNA
02. Brother
03. Germany, Germany
04. Puzzle
05. 
Glofs
06. Rome

Weiter ging es mit noch mehr Energie: Einen regelrechten akustischen Brandsatz zündeten im Anschluss Fever 333. Das Quartett um Frontmann und das einzige ständige Mitglied Jason Butler mischt Rap-Metal-Crossover à la Rage Against The Machine mit Hardcore-Punk, dies bislang nur auf einem Album (Strength In Numb333ers, 2019). Im Frühjahr meldete sich die Band nach drei Jahren Funkstille mit der Single Swing zurück, die auch Teil des Sets war. Ebenfalls neu: Bassistin April Kae, Gitarrist Brandon Davis und Drummer Thomas Pridgen, vormals bei The Mars Volta hinter den Fellen.

Auch hier spielte Politik eine Rolle: Butler gönnte sich nach Only One einen längeren Monolog, in dem er darauf hinwies, dass bei Konzerten seiner Band „wirklich jede Person willkommen sei“. Soweit, so gut und schön. Darauf folgte jedoch wiederholt die recht zusammenhangslose wirkende Aussage, dass er und seine Mitmusiker*in „ganz klar auf der Seite der Unterdrückten stehen, also Palästina, wir aber niemand belehren wollen, nur sagen wollen, dass wir ganz klar auf der Seite der Unterdrückten stehen, also Palästina. Aber wir wollen euch nicht belehren“.  Nun ja, das kam anders rüber. Die Reaktionen darauf waren eher verhalten, wenige klatschten, andere wollten vermutlich lieber einfach weiter auf und ab springen. Dazu gab es dann aber noch sieben Stücke lang ausreichend Gelegenheit. Wie ein Derwisch fegte Butler über die Stage, brüllte sich die Seele aus dem Leib, entledigte sich auch recht schnell seiner Oberkleidung. Völlig verausgabt verließen Fever 333 nach rund 45 Minuten die Bühne – mal sehen, wie schnell das Quartett aus Kalifornien mit Album Nummer zwei nachlegen kann.

Setlist FEVER 333 @ Köln, Palladium (24.02.2024)

01. Burn It
02. Only One
03. Made An America
04. One Of Us
05. Swing
06. Bite Back
07. 
Ready Rock
08. We’re Coming In
09. Hunting Season

Was dann aber folgte, setzte nochmal ganz andere Maßstäbe: Enter Shikari brachten die vielleicht spektakulärste und durchdachteste Lichtshow in der Geschichte des Palladiums auf die Bühne. Links und rechts der vier Musiker standen quaderförmige Türme mit Projektionsflächen, in der Mitte eine riesige Wand, vor der Drummer Rob Rolfe Platz nahm. Und gerade die Türme links und rechts waren ein Blickfang. Zu Anaesthetist wurden dort in leuchtendem Rot-Grün Werte teils sarkastische, teils ernstzunehmende Werte wie „Vibe Level“, „Heartbeat Frequency“ und, passend zum Songtext, „Profit Off Our Health“ im EKG-Stil angezeigt. Vor Bloodshot vermittelte Rou Reynolds, der während des Auftritts nicht nur einmal auf die Posten kletterte, den Eindruck, in einen Wassertank zu steigen – was für ein Effekt.

Damit nicht genug der liebevollen Details fürs Auge: Bei Jailbreak formten weiße Lichtkegel links, rechts und vorne ein riesiges Gefängniszellengitter, dass der Sänger später nach und nach mit ausladenden Bewegungen „durchbrach“. Einfach toll anzusehen. Wer sich das Ganze mal anschauen möchte: Die Performance aus Brüssel von derselben Tour gibt’s auf Youtube.

Zum Glück war Reynolds in Köln stimmlich besser aufgelegt als in der belgischen Hauptstadt, wo er selbst im Laufe des Gigs zu Protokoll gab, nicht mehr zu können („My voice is fucked“). In der Domstadt verzückte er, ob schreiend, singend oder hauchend. Mitten im Set erklomm er erneut einen der Türme und sang Teile der Songs The Pressure’s On, Juggernauts und Gap In The Fence, nur mit Mikro und Gitarre bewaffnet. Wenig verwunderlich, dass die Unterstützung der Fans dabei lautstarker Natur war. Die Setlist war gut ausbalanciert, beinhaltete viele Stücke der aktuellen LP A Kiss For The Whole World, alte Hits, aber auch Raritäten. Besonders im zweiten Teil der Show gab es dank den Openern der ersten beiden Platten (Stand Your Ground, This Is Ancient Land/Enter Shikari sowie Solidarity) kein Halten mehr und der Schlachtruf „And still we will be here, standing like statues“, Teil der Lyrics in beiden Stücken, schallte lautstark durchs Palladium.

Nach knapp anderthalb Stunden verließen die Briten dann die Bühne. Es folgte, wieder unter Miteinbeziehung der Videowand, eine absolut geniale Überleitung zur Zugabe. Eine computergenerierte (oder verzerrte?) Stimme wandte sich zum Publikum und forderte es auf, die “Erfahrung im Dreamer’s Hotel zu bewerten. Wir hoffen, Sie hatten einen angenehmen Aufenthalt …” – und das sogar auf deutsch vorgetragen! Trivago lässt grüßen. Nach lautstarkem Jubel folgte ein “Wenn Sie Ihren Aufenthalt im Dreamer’s Hotel um weitere zehn Minuten verlängern wollen, antworten Sie bitte mit Fuck Yeah!” Die Antwort war allerdings nicht laut genug. Wieder die Stimme im besten Automatische-Ansagen-Modus: “Wir haben Sie leider nicht verstanden. Versuchen wir es doch mal auf Deutsch. Wenn Sie Ihren Aufenthalt im Dreamer’s Hotel um weitere zehn Minuten verlängern wollen, antworten Sie bitte mit Fick Ja!“.

Das war dann scheinbar laut genug, denn: “Vielen Dank für Ihre positive Bewertung. Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, Ihren Aufenthalt im Dreamer’s Hotel um weitere zehn Minuten verlängern zu können.” So kam das Quartett zurück, spielte noch zwei Songs der neuen Platte sowie den unverzichtbaren Evergreen Sorry, You’re Not A Winner (ab Strophe zwei im fantastischen Remix der australischen Kollegen von Pendulum). Es war ein Auftritt, der Maßstäbe setzte, musikalisch wie optisch. Enter Shikari gehören weiterhin zu den spannendsten, musikalisch versiertesten und unterhaltsamsten Bands der Zeit. Im Sommer folgen einige Festivals, unter anderem beim Vainstream in Münster sowie Rock am Ring/Rock im Park. Wer kann, sollte sich das nicht entgehen lassen – wobei die Showelemente, die dieses Konzert in Köln so besonders machten, dann wohl leider entfallen müssen.

Setlist ENTER SHIKARI @ Köln, Palladium (24.02.2024)

01. System Meltdown
02. Live Outside
03. Giant Pacific Octopus (I Don’t Know You Anymore)
04. Anaesthetist (+ Reso Remix Outro)
05. Torn Apart
06. Interlude
07. Jailbreak
08. Bloodshot
09. Sssnakepit
10. Goldfish
11. The Jester
12. Losing My Grip
13. The Pressure’s on (Rou solo)
14. 
Juggernauts (Rou solo)
15. Gap In The Fence (erst Rou solo, dann setzte die Band ein)
16. Stand Your Ground, This Is Ancient Land/Enter Shikari
17. Mothership
18. Solidarity
19. It Hurts
20. Satellites
21. The Dreamer’s Hotel
22. (Pls) Set Me On Fire (Z)
23. Sorry, You’re Not A Winner (Z, erst Original, dann Pendulum Remix)
24. A Kiss For The Whole World (Z)

Weblinks ENTER SHIKARI:

Homepage: www.entershikari.com
Facebook: www.facebook.com/entershikari
Instagram: www.instagram.com/entershikari

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