Puh, mal wieder eine Electroplatte, die sich bei mir drehen soll. Lange heraus gezögert in freudiger Erwartung, eine nächste 08/15-Platte zu hören, oder? Weit gefehlt. Cinéaste, das dritte Album von EGOamp hat für heutige schnelllebige Zeiten sehr lange auf sich warten lassen. Vielleicht zu lange oder will gut Ding doch Weile haben? Auf der einen Seite werden die Erwartungen einer tanzbaren Electroplatte oberflächlich erfüllt. Oberflächlich aber auch nur für diejenigen, die einfach nur unterhalten werden wollen. Ich muss zugeben, ich bin in diese Platte zweimal eingestiegen. Über die Boxen wird zwar der Floor gut beschallt. Tanzbare Beats und tolle Melodien sind bei Cinéaste Programm. Alles leicht auf Retro gestimmt könnte die Platte eine weitere Electroplatte sein, die schnell wieder in Vergessenheit gerät.
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Der zweite Durchlauf über die Headphones lässt mich tatsächlich aufhören. Retro ja, aber ohne sich einer Zeit anzubiedern, die lange vorbei ist. Ein Blick zurück nach vorne, so würde ich Cinéaste am ehesten beschreiben. Der Opener The Shining berührt mich noch nicht so wirklich. Ja, es klingt nett aber den Refrain habe ich doch bestimmt schon zigmal irgendwo in ähnlicher Form gehört. Wobei die Bassline mir schon irgendwie gefällt. EGOamp versuche hier etwas mystisch und böse zu klingen. Aber hey, wollen das nicht alle Electrobands irgendwie?
Über Assault on Precinct 13 könnte ich bestimmt ähnliches sagen. Nineties-Electropop. Aber irgendwie packt mich der Track bereits beim ersten Durchlauf. Der Song öffnet sich zu einem kleinen Hit in meinem Ohr. Ich mag die Harmonien der Stimmen von weiblichem Backround und Sänger Asmodi Caligari gefällt mir sehr gut und hat es bei meinem Streamingdienst in meine persönlichen Favorites geschafft. Mit dem Stück Metropolis tue ich mich ehrlich gesagt etwas schwer. Liegt es an der Thematik oder am holprig klingenden Refrain? Ich weiß es nicht. Es sind schon viele Acts daran gescheitert, deutsche Texte zu singen. Das soll nicht bedeuten, dass gerade Asmodi Caligari daran scheitert. Aber es wirkt sperrig, beinhaltet aber auch eine gewisse künstlerische Note.
Mit dem Instrumental Christine haben EGOamp mich dann tatsächlich zu 100% gepackt. Anlehnungen an die großen Kraftwerk oder auch Jean-Michel Jarre sind nicht von der Hand zu weisen. Allerdings bedienen sich EGOamp hier nicht an den großen Meistern. Sie interpretieren und ich habe selten so ein gutes Instrumental gehört seit der Zeit, als VNV-Nation noch innovativ waren. Es ist ein Soundtrack für eine Bilderlandschaft irgendwo zwischen Bauhaus, 70er Jahre und Zukunftsvisionen. Klasse!
Leaving Las Vegas kann ich mir sehr gut auf der Livebühne vorstellen. Ein Track der nach vorne geht, mit vielen klassischen Attitüden des Electropops. Ich überlege schon die ganze Zeit, an welchen Track es mich erinnert, komme aber nicht drauf. Das Stück hätte ich mir gerne auch auf dem langersehnten neuen Album eines Liverpooler Duos erwünscht. IT macht genau da weiter, wo Christine aufhört. Eigentlich ein (zu) kurzes Interlude, welches aber seinen Charme hat und man erwartet mehr. Mehr gibt es dann auch mit Un chien andalou. Ich weiß ja nicht wo, aber irgendwo im Studio hängt bestimmt ein Ralf Hütter oder Florian Schneider Bild an der Wand. Und egal, wer auf dem Bild zu sehen ist, er wird lächeln. Der Track ist eine Landschaft, welche mir besonders über die Headphones aufgezeigt wird. EGOamp haben hier eine künstlerische Größe entwickelt, welche ich ehrlich gesagt, bei dieser Platte so nicht erwartet habe.
The Crucible ist für mich leider nichts anderes als eine Pflichterfüllung. Ja, sie haben sich hier wieder zurück zum modernen Electrosound begeben. Tanzbar und eingängig holt es mich aber ein wenig runter von der Begeisterung. Cinéaste entwickelt sich immer mehr zu einem Wechselbad der Gefühle. Besonders, wenn ich mit Forbidden Planet den nächsten Instrumental-Track ins Ohr bekomme, der sich nahtlos an die vorherigen Tracks anschmiegt. Ich höre auch hier besondere Soundtrack Qualitäten, welche mich spätestens jetzt von der Platte restlos überzeugen. Das tragisch schöne Nadja tut dem keinen Abbruch, auch wenn der Refrain mit Sicherheit ohne den chorähnlichen Gesang, welcher Nadja singt, noch mehr Tragik transportiert hätte. Die Geige bringt mir eine schaurig schöne Gänsehaut. Wow!
Den Abschluss bildet das eher banale Lola rennt. Bin ich auf der falschen Spur, wenn ich Assoziationen mit dem Film der 90er Jahre aufbaue? Es klingt für mich etwas deplatziert an der Stelle. Der Endtrack Redrum fällt dann leider auch hinten runter und verpufft etwas. Obwohl die Atmosphäre des Stücks mehr verdient hätte.
Fazit: Cinéaste ist keine banale weitere Electroplatte. EGOamp tauchen weiter ein in die Mystik ihres Genres und haben ein rundum gelungenes Album produziert, welches Platz für die große Bühne bietet. Ich hoffe, einige Stücke im kommenden Jahr dann mal live erleben zu dürfen.
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Tracklist EGOamp – Cinéaste:
01. The Shining
02. Assault On Precinct 13
03. Metropolis
04. Christine
05. Leaving Las Vegas
06. Breaking The Waves
07. IT
08. Un Chien Andalou
09. The Crucible
10. Forbidden Planet
11. Nadja
12. Lola Rennt
13. Redrum
Weblinks EGOamp:
Homepage: www.egoamp.jimdofree.com
Facebook: www.facebook.com/Egoamp
Instagram: www.instagram.com/egoamp
Bandcamp: www.egoamp.bandcamp.com