DAS SCHILLERNDSTE FESTIVAL SEIT ES DUNKEL GIBT – A. Otto
Mit diesen Worten wurden wir am Sonntag auf einer Anzeigetafel am Eingang empfangen. Den Regenschirm tauschten wir an diesem Tag gegen eine gute Portion Sonnencreme. Warum muss das M’era Luna Festival eigentlich so früh beginnen? Die Nacht war kurz – zu kurz! In der gemieteten Unterkunft hat irgendein Schlaumeier vor uns Spülmittel statt Reinigungstabs in die Spülmaschine gegeben und nachts um zwei Uhr befand ich mich mitten in einer nicht enden wollenden Schaumschlacht. Vermutlich waren die Schaumparties in den 90er Jahren unterhaltsamer. Hundemüde Schaumberge eliminieren zu müssen und abwechselnd den Boden zu wischen, weil auch noch Wasser aus der Maschine lief, war jetzt nicht so wahnsinnig beglückend.
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Dementsprechend müde schleppte ich mich also um kurz vor 11:00 Uhr zur Main Stage, um den Beginn von Dragol nicht zu verpassen. Bislang sagte mir der Name nichts. Auf dem Backdrop prangte der Bandname und darüber ein silberner Drache. Die Kleidung der Musiker bestand aus Fellen, Leder, Kettenhemden und teils Federn. Ihre Gesichter wiesen wilde Bemalungen auf. Sie hatten Trommeln und ein Streichinstrument – ich erwartete also etwas mittelalterliches. Wobei – Dragol haben ebenso wie Antiage den Newcomercontest gewonnen. Hatten sie gar etwas überraschendes parat? Moment, da war auch ein Tasteninstrument. Zu lieblichen Klängen schienen sie eine Geschichte zu präsentieren. Dabei vereinten sich die Stimmen von Runa und Vandil auf eine sehr angenehme Art und Weise miteinander. “Der stärkste Wolf bleibt hinten, und treibt das Rudel an. In der Mitte schreiten die Alten, die Kleinen schmiegen sich an. Ganz vorne geht einsam die Kriegerin, sie führt die Sippe an. Noch ein Berg, noch ein Tal, noch ein Schritt, durchs Dunkle geht sie voran.”
Erzählungen unterbrachen den Gesang der beiden. Eine mystische Stimmung breitete sich aus. Mit üblicher Mittelaltermusik hatte dies hier nichts zutun. Selbst elektronische Effekte waren zu hören und statt der Geschichte handelte es um dunkle Märchen, die hier unsere Faszination auslösten. Fast schon tranceartig wirkten die Trommelklänge bei dem Stück Sag Es. Ganz frei und losgelöst bewegte sich Runa und wurde so zur Stammestänzerin. Auch wenn das Publikum zum Tanzen eingeladen wurde – dazu war es kaum in der Lage, war es doch völlig verzaubert von dieser außergewöhnlichen Darbietung. Leider konnten wir Dragol nur 20 Minuten lang bewundern und belauschen – das Los der Opener beinhaltete schließlich auch ein kurzes Set. Schrei Dein Leid beschloss auch schon den einnehmenden Auftritt der Band. Einen außergewöhnlicheren und gelungeneren Start in den zweiten Festivaltag hätte ich mir nicht wünschen können.
02. Unser Land
03. Der Klauen
04. Sag Es
05. Schrein Dein Leid
Das komplette Kontrastprogramm sollte uns anschließend an der Club Stage erwarten. Innerhalb kürzester Zeit befand ich mich inmitten einer steilen Party! Wie es dazu kam? Zunächst bereitete uns eine tiefe Stimme auf den anstehenden Gig der Blitz Union vor. Erstaunlich viele Besucher haben sich zu dieser frühen Zeit bereits hier versammelt. Gemeinsam mit der ominösen Stimme zählten wir den Countdown herunter. Leuchtelemente rückten einzeln die Worte “Vision, Spirit, Power und Desire” in den Fokus. Zwei große Figuren mit futuristischen Masken samt langen schwarzen Umhängen waren neben den Drums platziert. Schwarz gekleidet und mit schwarz-weißem Haar enterten die Jungs aus Prag die Bühne. Mark Blitz zog im futuristischen Look sogleich die Blicke auf sich. Musikalisch hatten sie einiges zu bieten: knallharte Metal Riffs trafen auf EDM, rockige Elemente gingen in Industrial Sounds über. Die Grenzen verschwammen und binnen Momenten schien ein Sog zu entstehen, dem hier niemand entweichen konnte. Und die Menge hatte Bock! Nach nichtmal zwei Minuten klatschten bereits alle im Takt. “Thank you for getting up so early. We are Blitz Union from Prag. We have only 20 minutes. I need you to move. Get up!” Eine Sirene läutete die Revolution ein. Ohne Umwege gingen die stampfenden Beats in die Beine. Ein eingängiger Refrain ließ uns easy mit einstimmen und passend dazu schnellten auch schon die Arme in die Höhe. “This is awesome. What a morning. But time is running, we have only two more songs. This song, we’re going to sing in German language for you.”
Plastic strotze gar vor herber Kritik am schonungslosen Umgang mit uns unserer Umwelt. “Ich bring dich um, ich wohn in dir. Ersticke deine schöne Welt – und du schaust zu! Hallo, hallo, ich heiße Plastik!” Dabei glänzte die gesamte Band mit einer außerordentlichen Bühnenpräsenz. Auf einmal warfen die Jungs etliche Masken mit ihrem Bandlogo ins Publikum. “Support the union. Take the mask and rock!” Blitzschnell zogen sich viele alte und neu hinzugewonnen Fans ihre Masken vor’s Gesicht und feierten weiter. Zu Deleted bat Mark Blitz seine Anhänger darum niederzuknien, um gemeinsam mit der Band in die Luft zu springen. Ein knackiger Breakdown löste in mir einen weiteren Augenblick der Bewunderung für die Blitz Union aus. Auf der Bühne wurde eine riesige Fahne geschwenkt und dann geschah es: Gitarrist Shodushi sprang in den Graben, überwand die Absperrung zum Publikum und bat die Menge, ihm einen Gang freizumachen. Und obgleich er sich hier auf einem Gothicfestival befand – und nicht auf einem Metalfestival (!) – zettelte er kurzerhand mutig eine Wall of Death an. Was soll ich sagen? Sein Vorhaben gelang. Ich traute meinen Augen kaum. Schon befand er sich mitten im munteren Gerangel. Mark verabschiedete sich stolz und happy von uns: “Time for breakfast. You were partying as hell!” Dass die spätere Autogrammstunde der Blitz Union stark frequentiert war, überraschte hier niemanden. Diese Band muss man von nun an auf dem Schirm haben!
02. Revolution
03. Hotel India Victoria
04. Plastic
05. Deleted
Zurück zur Hauptbühne. An dieser Stelle schaute ich auch zweimal hin. Menschen, wohin man auch sah. Zu dieser Uhrzeit? Wow! Auch hier erwartete uns bereits eine Stimme: “Guten Morgen, M’era Luna! Willkommen zur Heldmaschine.” Vor der Bühne tanzten zahlreiche schwarze und orangefarbene Luftballons über den ersten Reihen umher. Die Musiker trugen schwarze Masken nebst Umhängen und seitlich kam nun auch Sänger René Anlauff angefahren. Gleichzeitig nahmen das Quintett die Masken ab und mit einem breiten Grinsen im Gesicht konnte der Gig starten. Ihr gesellschaftskritischer Song Luxus läutete das Set ein. Ein Track über die unstillbare Gier, den Hals nicht voll kriegen zu können. René war ebenso überrascht, bereits in tausende Gesichter blicken zu können: “Unfassbar! Guten Morgen, M’era Luna. Mir kommen die Tränen.” Summend läutete René den Titel Kein Zurück ein. Obgleich die Gitarren hart erklangen, sang der Fronter mit sanfter Stimme “Ein Augenblick, und kein Zurück. Ein Glück, das in die Ferne rückt. Ein Augenblick, und kein Zurück. Ein Fluss fließt nie zum Berg zurück.” Direkt gingen die Arme in die Luft, um hin- und herzuschwingen. “Leute, einen riesigen Respekt, dass ihr jetzt schon alle da seid. Wir lieben euch.” Die Neue Deutsche Härte der Heldmaschine kam blendend an. Schlagzeuger Dirk Oechsle bestieg immer wieder seinen Drumhocker, um die traumhafte Aussicht auf das schwarze Meer zu genießen, aber auch um genau dieses immer wieder anzuheizen.
“So, jede Band will größer werden – so auch wir. Deshalb haben wir uns nochmal einen ganz alten Song herausgesucht. Er heißt ,Propaganda’.” Eben diese erklang lautstark mithilfe des gigantischen M’era Luna Chors. Ein riesengroßes Tuch mit dem Aufdruck der Heldmaschine wurde plötzlich über den Köpfen der Fans aufgespannt. Damit machten die Anhänger der Band sichtlich Eindruck bei dem Fronter: “Wir haben die geilsten Fans der Welt. Die haben das alles selbst gemacht. Hammergeil” Zum Dank schickte er einige Luftküsse auf die Reise. “So Leute, es ist ja noch früh. Deshalb heißt es jetzt Frühsport. Seid ihr bereit?” Der Songtitel Springt! stand hiermit auf der Festivalordnung. Feuerschübe heizten die Motivation der Frühsportler zusätzlich an. “Wahnsinn! Schon kommen wir zu unserem letzten Song, der beschreibt, weshalb ich hier speziell das “r” rolle. Falls es die anderen noch nicht wissen – hier kommt es als Erklärung – in Form eines Songs.” Wie diese nun lautete? “Ja, mit dem Ro-Ro-Rollenden R fängt mein Name an. Ich bin damit geboren… Ich rolle das ,R’, weil es mir gefällt.” Zum Schluss machte die Heldmaschine noch ein “heißes Angeberfoto für dieses Social Media Ding da”, ehe sie glücklich von dannen zogen. “Das war schön, unvergesslich!”
02. Kein Zurück
03. Sucht
04. Propaganda
05. Springt!
06. ®
Gitarrenlastig ging es auch auf der zweiten Bühne weiter: Manntra boten feinsten Folk-Rock aus Kroatien. Zu zahlreichen Feuereffekten wurden hier die Schöpfe geschwungen. Schnell hatten sie das Publikum auf ihrer Seite, das nochmal erheblichen Zulauf gewann, als nebenan das Set der Heldmaschine beendet war. Rennend eilten die Anhänger der Band in Windeseile hinüber, um die feiernde Meute kräftig zu unterstützen. Zwischenzeitlich hatte DJ Jodo seinen großen Auftritt und wusste an seinen Reglern zu entertainen. Zum Song In The Shadows zückte Sänger Matijevic Sekul eine Feuerwaffe und hatte sichtlich Spaß, als er die Flammenschübe in die Höhe schoss. Hüpfend besiegelte man den Königsmord, der die brutalen Taten des monarchischem Herrschers ein Ende setzen sollte. Ihr kurzweiliger Auftritt endete mit Nightmare – noch einmal reckten die Fans ihre Fäuste in die Luft – eher sie ihre Armen nach einer wahrlich kräftezehrenden Einheit zur Entspannung herunternehmen konnten.
02. Morana
03. Ori Ori
04. Barren King
05. In The Shadows DJ Jodo Set
06. In The Shadows
07. Konigsmörd
08. Slave
09. Nightmare
In einem blauen Arbeitskittel machte sich der Yeti der Eisfabrik an eben dieser zu schaffen, die aufwendig für die Auftritte der Hamburger erbaut wurde. Mit einem Knopfdruck an einer Eismaschine eröffnete er den Gig der Band. Die Keyboards waren in Eissegen eingebettet. Langsam fuhren diese auf und ab. Ein Eiswürfel umschloss das MacBook, während die E-Drums in ein Konstrukt aus Rohren, und Absperrhähnen der Eismaschine integriert war. In weißer Arbeitskleidung erschienen die frostigen Herren zu ihrem musikalischen Dienst. Charly Barth-Ricklefs alias Dr. Schnee trotze seiner Erkältung und strapazierte seine Stimmbänder für diesen Auftritt aufs Äußerste. Rau klingend lud er uns mit Walking Towards The Sun und dem Schneemann zum Tanz vor der Main Stage ein. Eisiger Dampf entwich der emsigen Maschine. Während der Yeti bereits seitlich am Bühnenrand kaum zu bremsen war und er von dort aus bereits zu dem Future Pop Sound Party machte, sprang er zum White Storm ungestüm in den Bühnengraben, begrüßte von dort aus die Fans und schüttelte etliche Hände. Charly war happy: “Danke fürs Mitmachen. Das ist ein sehr geiles Bild von hier oben!” Für meinen Geschmack hätte die Setlist mehr Wumms bieten können. Alle machten zwar brav mit, aber die Eisfabrik habe ich schon wesentlich energetischer erlebt. Immerhin – der Clubhit Friends machte uns dann doch noch richtig Beine. Mit schüttelndem Hintern reihte sich der Yeti erneut mit ein und versprühte gute Laune.
02. Walking Towards The Sun
03. Schneemann
04. Eins Mit Dem Wind
05. No Matter
06. White Storm
07. The Choice
08. Friends
Chris Pohl stellte unterdessen auf der Club Stage sein Projekt She Hates Emotions vor: “Ihr kennt uns vielleicht von anderen Formationen. Heute sind wir die Zebraboys.” Der Frontmann und sein Kompagnon an den Tasten (Jan Teutloff) trugen dazu die passenden Hemden. Mitgebracht haben sie uns elektronische Klänge der 80er Jahre, seicht, leicht zugänglich und manchmal wavig. Wie es zu dieser Zeit bei Musikshows im Fernsehen üblich war, wurden wir bestens unterhalten. Chris wandte sich an Jan: “Kann ich dir meine Sonnenbrille geben? Ich glaub jetzt erkennen die Leute, wer ich bin. Jetzt kommt die erste Single vom ersten Album. Als wir angefangen haben, gab es etwas, was viele interessanter fanden: Corona! Hier ist ,See The Light’.” Mittlerweile dachte niemand mehr an dieses kleine Virus-Biest. Also schenkte man lieber der Kombo auf der Bühne seine volle Aufmerksamkeit und startete eine fette Fete. Auch Jan war herzlich eingeladen, seinen Entertainingfaktor auszuloten: “Tut mir leid, jetzt kommt der Song, bei dem du animieren musst. Erstmal die Laune checken. Jetzt müsst ihr mal ein bisschen waven. Macht einfach, was er macht” Jan schwang sich nach vorn und leitete sein Publikum an, zu Another Step Into The Future die Arme in Schwingungen zu versetzen. Das klappte auch ganz vortrefflich. Beide Künstlern stand die Freude ins Gesicht geschrieben. “Jetzt dürft ihr tanzen – wenn ihr wollt. Der nächste Song heißt ,Final Dance’.” Auch hier ließ sich niemand lange bitten. Don’t Leave Me schoss sicherlich auch einigen Fans durch den Kopf, als auch schon der letzte Track für She Hates Emotions anstand. Unsere Zeitreise samt der locker-leichten Retrosause war dann hiermit auch leider schon beendet.
02. Space And Time
03. The One I Love
04. See The Light
05. Another Step Into The Future
06. Final Dance
07. Edge Of The Night
08. Don’t Leave Me
Bei einem Gothic Festival darf es auch schonmal schauriger zugehen. Hierfür waren Gothminister eine ganz vortreffliche Wahl. Also öffnete das Gruselkabinett auf der Main Stage seine Pforten. Bereits auf dem Backdrop lauerten unheimliche Gestalten. Ein riesiges Skelett prangte seitlich der Bühne. Die Überreste eines Dämons zierten den Mikroständer von Bjørn Alexander Brem. Auch die Orgel war mit einer übergroßen Fledermaus versehen. Zu Pandemonium betrat der Fronter die große Bühne – gekrönt, samt schwarzem Umhang. Amüsiert begrüßte er die Schar “Thank you M’era Luna. Are you ready to dance? Are you ready to rock? This one is called ,demons’. Come on!”. Spielerisch pogend und moschend wurde ihr Gothic Metal von der Menge aufgenommen. Auf einmal erschien ein “Untoter” im weißen Gewand, das mit Blutspritzern übersät war. Dieser schob ein verwestes Skelett über die Bühne, das in einem uralten Rollstuhl platziert war. Stolz wurde dem dahinsiechenden Geschöpf die Menge der Schwarzlinge präsentiert. So bekam es auf seine alten Tage auch nochmal das M’era Luna “zu sehen”. Die aktuelle Singleauskopplung I Am The Devil wurde mit heißen Feuerschüben unterlegt. “Are you ready for some more uptempo, again?” Aber klar! Immer her, mit den härteren Klängen aus der Hölle. Etliche Pyros sprühten ihre zahlreichen Funken empor. Zu der Weltpremiere The Battle Of The Underworlds trat Bjørn noch mit einer Nebelpistole einen unerbittlichen Kampf gegen eine weitere große Bestie aus der Vergangenheit an. Gothminister ließen die Herzen der ihrer Fans sichtlich höher schlagen. Den Gig der Norweger hätte ich keineswegs missen wollen. Ihre Show wirkte nicht albern, sondern absolut sehenswert. Und mit ihren Songs trafen sie ebenfalls den Nerv ihres dunklen Publikums. Tusen takk!
02. Demons
03. Star
04. I Am The Devil
05. The Sun
06. This Is Your Darkness
07. Darkside
08. Dusk Till Dawn
09. Liar
10. The Battle Of The Underworlds
Da die Sonne unerbittlich knallte, freuten wir uns nun über etwas Schatten unter dem wunderbaren Sonnendach der Second Stage. Melotron warteten hier mit deutschsprachigem Synthpop auf. Gleich zu Beginn gab es eine Premiere. Null erschien als Vorreiter zum kommenden Album Dynamika und übte scharfe Kritik am Verhalten der Gesellschaft. “Wenn Konsumieren die Antwort ist auf Lebensfrust und Alltagsstress. Aufgespritzt und tätowiert, der Luxus seinen Glanz verschmiert. Und hinter all dem hippen Scheiß stirbt jeder doch für sich allein” – sang Andy Krüger. Und solange dies so ist und die Welt ihre Augen vor all den Unsagbarkeiten verschließe, stelle man besser die Uhren auf Null und beginne von vorn. Dunkle, gar mahnende Klänge unterstrichen die klare Message des Songs. So darf es auf dem neuen Longplayer gern weitergehen – düster und tanzbar zugleich. Edgar Slatnow begleitete Du Bist Es Nicht Wert mit einem Keyboard to-go. “Haben wir Spaß zusammen? Ob ihr’s glaubt oder nicht – wir haben morgen auch Montag!” Doch daran wollte noch niemand denken, lieber tanzten wir zu Maschinen Aus Stahl und Der Anfang fröhlich weiter. Andy animierte die Menge und der liebliche Kindertraum entführte mit seinen verspielten Melodien in eine zuckersüße, bunte Welt. Ihr Klassiker Brüder rundete den knackigen Auftritt von Melotron ab. “Danke, M’era Luna. Bleibt am Leben! Wir wollen übrigens kein Foto mit euch. Wir behalten euch in guter Erinnerung!”
02. Du Bist Es Nicht Wert
03. Wer Wenn Nicht Wir
04. Maschinen Aus Stahl
05. Der Anfang
06. Kindertraum
07. Brüder
Beim Hauptgeschehen wurde die Letzte Instanz auch schon mit lautstarken “Hey, Hey”-Rufen begrüßt. Ihr Backdrop machte einen nachdenklich. Sah man doch eine Hand, die zwar eine andere umschloss – beide waren jedoch von einem Stacheldraht umwickelt. Zeit für trübe Gedanken blieb allerdings nicht. Die Mannen an den Streichinstrumenten Benni Cellini und Rico Schwibs traten wie gewöhnlich barfuß auf. Gleich zu Beginn machte Sänger Holly Loose den Fans eine treue Ankündigung: “Wir sind immer für euch da – wenn ihr uns haben wollt. Darauf habt ihr unser Versprechen.” Passend dazu spielten die Jungs ihr Ehrenwort. Schnell suchte Holly auch die Nähe zu seinen Anhängern. Blitzschnell schwang er sich auf die Absperrung zum Publikum und dichtete Dance D’amour performte um. Zunächst stachelte er die Meute auf und motivierte diese ihm zu folgen und in seine “Bier! Bier! Bier!”– Ausrufe mit einzustimmen. “Sind die Gedanken wirklich frei, weichen Lust und Gier, dann muss ich auch nichts tun – und trink mit euch mein Bier!” Der Bierdurst griff um sich. Zum Abschluss des Songs ertönte schließlich reihenweise “Noch ein Bier, noch ein Bier, noch ein Bier!” Benny sinnierte: “Wir haben heute überlegt, wann wir zum ersten Mal beim M’era Luna waren. Wisst ihr, was uns eingefallen ist? 2000! Das war vor 23 Jahren. Wir war ich noch jung und der Schwibs hatte noch Haare. Ihr habt uns die ganze Zeit begleitet. Wer war denn damals da? Aha ja, ein paar sind schon gestorben. Wir haben heute ein Lied mitgebracht, das kommt aus der zeit und wird noch immer gern gespielt. Das ist der ,Geigenspieler’.”
Zu Technobeats und den treibenden Drums von Andy Horst, verausgabte sich Benny an seinem Cello. Damit war das Medley aus alten Tagen eröffnet. Auf dem Fuße folgten der Egotrip sowie der Todestag. Die Flucht Ins Glück begann ganz sanft, nahm aber schnell an Fahrt und Freude auf. “Habt ihr Bock zu springen? macht euch bereit!” Denn es mit Wir Sind Eins stand eine gemeinsame Hopseinheit an. Große schwarze Ballons mit dem Logo der Band tanzten über den Köpfen der Menge umher. “Wie seid ihr bei Stimme? Wohohohooohooo. Wir stellen uns vor, das ist ein Lautstärkeregler. Ich hab Freunde in Hannover, denen hab ich gesagt, das M’era Luna ist so laut, das hört ihr bis zu euch. Passt auf, ganz oben ist lau, ne?” – keine Reaktion. “Oh, scheiße, der ist kaputt. Ich nehme einen anderen.” Holly ging ein paar Schritte weiter und deutete mit seiner Hand den nächsten Regler an. Gemeinsam mit seiner Hand ging die Lautstärke eines “Ohos” in die Höhe. Mehrfach erlaubte er sich, seinen Regler in verschiedene Richtungen zu drehen, ehe die Fans beim Song Finsternis eifrig mitsangen. Finale mit Komm und der Einladung zum Feuertanz. “Alles dreht im Kreise sich. Alles dreht sich dicht an dicht und in dem Kreis begeben sich: Er und sie und du und ich.” Wie in den Lyrics vereinten sich die Tänzer in der Menge und folgten ein letztes Mal den auffordernden Worten von Holly.
02. Entzündet Die Feuer
03. Disco D’Amour
04. Der Geigenschüler / Egotrip / Todestag
05. Flucht Ins Glück
06. Wir Sind Eins
07. Finsternis
08. Komm
The 69 Eyes scheinen eine Schwäche für Elvis Presley zu haben. Sowohl das Intro, als auch das Outro stammten nunmehr von dem King of Rock ‘n’ Roll. Sein Heartbreak Hotel läutete die Gothic Rock Show der Finnen ein. Nachdem das Quintett die Main Stage enterte, ging der Song nahtlos in Devils über. Da waren sie wieder “Goth as fuck” – wie es auch so schön auf einer Wange von Drummer Jussy geschrieben stand. Passioniert wurde auf und vor der Bühne losgerockt. “M’era Luna, we are The 69 Eyes. We fucking love you!” Feel Berlin – ihre Ode an unsere Hauptstadt folgte: “Do you like concrete agony Kreuzberg on Saturday? Tell me baby what you need. There’s the zoo alive as the city sleeps tonight.” Sänger Jyrki schien by the way überhaupt nicht zu altern – fantastisch sah er aus. “Wonderful to be here. We have also new music and a new album which came out something like two months ago. Here’s a song called ,Drive’.” Ihre neuen Songs waren definitiv weniger gothiclastig. Dennoch mangelte es ihnen nicht an Dynamik. “Here is a song, that we played when we were here for the first time ever. Some might remember still. Thank god, there was no technology like right now. It was probably not filmed. It was a brand new song and we play it again: ,Gothic Girl’.” Stolz kündigte Jyrki ein Rock ‘n’ Roll Gitarrensolo von Bazie an, das gewöhnlich begann und immer mehr Tempo aufnahm, eher der Track endete.
Zu Brandon Lee drehte sich Jyrki mit seinem Mikroständer tanzend um die eigene Achse. begeistert wurden die Hits vom Publikum gefeiert. Der Frontmann bedankte sich postwendend mit Luftküssen. “Dankeschön. One last thing, The 69 Eyes want to do today with you guys – we wanna dance with you. We came to dance – I came to dance, at least. So let’s do it. It’s called ,Dance D’Amour’. I show you how to it. So we can do it together. It’s very easy.” Jussy sprang umgehend auf und schwang seine Hüften von links nach rechts. “One last thing, before we go. Do you wanna rock?” The Lost Boys veranlassten Jussy noch einmal dazu, sein Schlagzeug zu strapazieren. Archzie und Timo-Timo posierten mit ihren Saiteninstrumenten nahe des Bühnenrandes. Jyrki schwang sich auch tanzend über die Bühne und gemeinsam zelebrierten sie ihren letzten Song. Mit einem letzten Scream ging der Finne zu Boden rollte sich vergnügt umher. Are You Lonesome Tonight bildete dann das Outro zu diesem fulminanten Set.
02. Feel Berlin
03. Betty Blue
04. Drive
05. Gothic Girl
06. Never Say Die
07. Brandon Lee
08. Dance D’Amour
09. Lost Boys
Elektronisch wurde es nebenan wieder mit den Ashbury Heights aus Schweden. Während Yasmine Uhlin im schwarzen, durchsichtigen Spitzen-Bodysuit daherkam, setzte Anders Hagström auf einen schneeweißen Anzug nebst passendem Hut und Sonnenbrille. Im Laufe der Jahre wechselten die Damen am Mikro durchaus. Nachdem ich die Band zuletzt mit Thea Thime gesehen habe und sie mir in der Besetzung nur semi-gut gefiel, war ich gespannt, was mich nun in der Kombination mit Yasmine erwartete. Sie war bereits zur Gründung des Projekts dabei und ist mittlerweile wieder zurückgekehrt. Von Beginn an nahm die rothaarige Sängerin die gesamte Bühne ein. Zudem hat die Band für den Auftritt einen Musiker verpflichtet, der abwechselnd an den Keys und an der E-Gitarre mitwirkte. Bereits beim Opener Waste Of Love setzte Jubel ein, als die Gitarre erstmalig erklang. Yasmine sparte nicht mit Komplimenten: “You’re fucking beautiful, M’era Luna.” Sie war sich ihrer Wirkung auf andere durchaus bewusst war und kokettierte gern mit lasziven Bewegungen oder spielte mit dem Einsatz ihrer langen Haare. Anders hingegen strahlte die pure Coolness gepaart mit einer angenehmen Lässigkeit aus. Auf der LED-Leinwand erschienen hochklassige Visuals, die mit diversen Farbspektren spielten. Ihr Clubhit Spiders hat ein schickes Fresh-up erhalten und klang moderner und vielfältiger denn je. Zu dritt hüpften die MusikerInnen ausgelassen umher. Der Funke aufs Publikum ist eh längt übergesprungen.
Auch zu Wild Eyes war die allgemeine Stimmung absolut fantastisch. Yasmine brillierte hier zusätzlich. Mit der Range ihrer Stimme, erreichte sie bei diesem Song doch mühelos auch die ganz hohen und anspruchsvollen Töne. “We’re getting closer to the end. But we’re doing this one first.” Wenn man den Titel einst las, dachte man DEN könnte man sich nie merken: Phantasmagoria. Sobald man diesen aber erstmalig zusammen mit einer Melodie im Kopf hatte, war es ein Klacks, sich an den Namen erinnern zu können. “I’m gonna have to take off my shoes for this one. Is it ok?” Zügig entledigte sie sich ihrer hohen Schuhe. Ups, der Mikroständer musste nun auch erstmal deutlich hinabgesenkt werden. Schon konnte Yasmine aber zum Closer Anti Ordinary bedenkenlos über die Bühne hopsen. “Sing with me, M’era Luna!” Selig stimmten die Fans ein “People like you better when you’re ordinary, ordinary. So why don’t you surrender and be ordinary, ordinary?” Yasmine headbangte wild auf einer Monitorbox. Als sie ihren Gitarristen kurz mit ihrem Handy filmen wollte, purzelte sie versehentlich auf sein Podest und musste über sich selbst lachen. “You were wonderful. We love you all.” Die Ashbury Heights waren genauso bezaubernd. Sämtliche Zweifel wurden ausgemerzt.
02. Headlights
03. Spectres From The Black Moss
04. Smaller
05. Is That Your Uniform
06. Spiders
07. Ivy You’re Shooting With Your Left It Means The Right Side Is Working
08. Masque
09. Wild Eyes
10. Phantasmagoria
11. Anti Ordinary
Im lässigen Outfit mit grauem Shirt, Camouflage Hose und Turnschuhen legte Peter Heppner los. Gefühlvoll und verträumt ging es mit Alleinesein und Meine Welt los. Zusammen mit seinen Musikern gelang es Peter, seinen Songs einen tanzbareren Touch zu verleihen. Dirk Riegner war mit seinem Keyboard direkt am Bühnenrand positioniert und ihm war während des Auftritts die pure Freude ins Gesicht geschrieben. Once In A Lifetime von Wolfsheim gehörte natürlich zu den besonders bejubelten Stücken. Wohligkeit und Nostalgie vereinten sich und sorgten für Glückseligkeit im Publikum. Auch Peter hat sich an diesem Tag für ein kleines Medley entschieden, das mit Just One World begann und mit Und Ich tanz’... endete. Joachim Witt revanchierte sich für den gestrigen Gastauftritt von Peter bei seinem Set und begleitete im Gegenzug nun Peter bei dem Titel Was Bleibt. Wann auch immer die beiden ihre Stimmen miteinander kombinieren, ihnen gelingt es damit, besondere Augenblicke zu erschaffen. Ihr Duett nahmen wir noch mit, dann wir entschieden uns aber dazu, dass eine Essenpause dringend von Nöten war. Das kulinarische Angebot war in diesem Jahr nochmal vielfältiger. Selbstredend sind die Preise nochmals gestiegen – aber die Qualität stimmte immerhin. Bei der Wärme kam uns Frozen Quark mit Früchten und Toppings sehr gelegen.
02. Meine Welt
03. Once In A Lifetime
04. Just One World / All Is Shadow / Sedate Yourself / … Und Ich Tanz’
05. Was Bleibt
06. Wir Sind Wir
07. Künstliche Welten
08. Herz (Metropolis)
09. Kein Zurück
Alles andere als geschmeidig ging es auf der zweiten Bühne weiter. Agonoize boten das komplette Kontrastprogramm zu Peter Heppner. Es wurde laut, roh und blutrünstig. Dazu wurde derber Aggrotech serviert. Mit scheinbar blutunterlaufenen Augen und einer narbenträchtigen Maske stürmte Chris herbei. Provokative Lyrics und ein stetes Spiel mit den Klischees standen nun auf dem Plan. Bereits bei der Femme Fatale hoffte man, dass keine Kinder mit ihren zarten Seelen in der Nähe standen. Der Band liegt es nunmal fern, jemals ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Chris war überaus präsent. Mal schob er sich den Mikroständer zwischen die Beine und posierte, dann sprang er auf die vorderen Boxen und war den Fotografen ganz nahe. Schnell schlug auch der tanzbare Sound um sich und erzielte seine Wirkung. Auf der Bühne sahen wir irre Bewegungen, wechselnde Outfits und Masken. Dein Gott wurde mit weißen Engelsflügeln, einer Dornenkrone und langen Nägeln zelebriert, die sich durch die beiden blutüberströmten Hände von Chris bohrten.
Vom Staatsfeind über den Glaubenskrieger – erlebten wir ein ungeheuerliches Hellectro Spektakel. Der Koprolalie konnte ohnehin niemand widerstehen – selbst wenn man kein Fan der Band ist – da zuckte unweigerlich das Tanzbein. Was wäre eine Show von Agonoize gänzlich ohne fließendes Kunstblut? Beim letzten Song war es soweit. Wir hörten: Bis Das Blut Gefriert. Ohne zu zögern schnappte sich der schonungslose Fronter ein großes Messer. Zunächst streichelte er es, dann setzte er es an seiner Handfläche an und zog es druckvoll hinab. Da schoss es hinaus – das Kunstblut. Noch traf es eher ihn – doch das sollte sich noch ändern. Zunächst beugte er sich nach vorn, um einen Schwall über der Menge zu verteilen. Dann begab er sich in den Bühnengraben und trat an die Menge heran. Hemmungslos versah er Reihe um Reihe mit dem roten Leibessaft und seine Anhänger ergötzten sich an dieser Szenerie.
02. Schmerzpervers 2.0
03. Blutgruppe Jesus (-)
04. Dein Gott
05. Staatsfeind
06. Glaubenskrieger
07. A Hole
08. SubMissioNary
09. Koprolalie
10. Angst Ist Macht
11. Bis Das Blut Gefriert
Was fehlte bisher an diesem Tag? Eine klassische Mittelalter-Rockband. Subway To Sally schufen gerne Abhilfe. Ein neues Album hatte die Truppe ebenfalls im Gepäck. Ihre Himmelfahrt präsentierten sie gerade erst auf zahlreichen Tourterminen gemeinsam mit der . Blitz Union. Im Oktober stehen auch noch ein paar letzte Termine an, bevor dann im Dezember die Eisheiligen Nächte beginnen. Die Band befand sich also mitten im Tourmodus, als sie die Main Stage in Hildesheim enterte. Leinen Los und Feuer frei für Subway To Sally. Eric Fish setzte noch eins drauf und zündete zwei rote Bengalfackeln. Gitarrenliebhaber Ingo Hampf bekam scheinbar den Hals von seinem liebsten Instrument kaum voll – spielte er doch eine dreihalsige E-Gitarre. Zwar sind ihm mittlerweile keine vier weiteren Arme gewachsen, dennoch schindete sein 18-Saiter mächtig Eindruck! Eine Hinguckerin war aber auch die Violinistin Ally Storch, die mit ihrer überlangen, blonden Haarmähne und ihrer besonderen Aura. Eric Fish stimmte die Eisblumen an und tausende Schwarzlinge unterstützen ihn aus vollstem Herzen: “Wir sind wie Eisblumen, wir blühen in der Nacht. Wir sind wie Eisblumen, viel zu schön für den Tag. Wir sind wie Eisblumen – kalt und schwarz ist unsere Macht. Eisblumen blühen in der Nacht.“
Auch ein schmuckes Schätzchen aus alten Tagen hatten Subway To Sally parat – ihr Böses Erwachen. Ein imposantes Geigensolo von Ally begeisterte die Menge zusätzlich. Bevor Eric selbst zur Flöte griff, kündigte er die nächste Rutsche beliebter Songs an: “Tausend Dank, Freunde. Jetzt wird’s etwas leichtfüßiger: Hits, Hits, Hits! Seid ihr bereit mitzumachen? Darum geht’s. Fäuste in die Höhe.” Es folgte Sieben und der Tanz auf dem Vulkan. Passend dazu spukte der Sänger Feuer. “Ok, da wäre noch ein Tanz, der inzwischen Diskotheken ihren Namen gibt und der beginnt mit einem Schreiiiiiii!” Die Rede war vom Veitstanz. “War schön. Dankeeeee. Wollen wir jetzt einen würdigen Abschluss kreieren? Ich denke das machen wir. Wir singen alle zusammen ein Lied, bei dem ihr die Hauptstimme übernehmen müsst – immer beim Refrain. Schön die Klappe aufmachen.” Sein Plan ging selbstredend auf. Zum Kleid Aus Rosen zückte Eric eine rote Rose und warf sie mit den letzten Tönen ins Publikum. Obwohl sich Subway To Sally bereits höflichst verabschiedet haben, drehten sie nochmal eine Ehrenrunde. Beginnend mit Dudelsackklängen legten sie noch ihr quirliges Stück Julia Und Räuber nach. Die Mittelalterfraktion war glücklich!
02. Leinen Los
03. Eisblumen
04. Böses Erwachen
05. Henkersbraut
06. Autumn
07. Ihr Kriegt Uns Nie
08. Sieben
09. Tanz Auf Dem Vulkan
10. Veitstanz
11. Kleid Aus Rosen
12. Julia Und Räuber
Zurück zur Electro Bühne. De/Vision waren nun an der Reihe und uns begegnete ein prächtig gelaunter Steffen Keth. “Einen wunderschönen guten Abend, M’era Luna. Seid ihr gut drauf? Wir hoffentlich auch! So, zeigt’s mir!” Mit Synchronize entführten uns die Jungs auch direkt in ihre Synthpopwelt. “I close my eyes and synchronize with the tempting world outside.” Sorgfältig beobachtete Steffen sein Publikum und ließ den Anblick auf sich wirken. Eine wunderbare Live-Dynamik entwickelte sich bereits beim Track Rage. Die Vibrations zwischen der Band und den Fans flirrten munter umher. “35 Jahre gibt es uns dieses Jahr. Wir spielen mal ein bisschen was älteres – ,I Regret’. Oh, ist halt doch nicht ,I Regret’, sondern ,Dinner Without Grace’. Ist auch ein alter Song, sehr alt sogar.” Beseelt und gedankenverloren tanzte Steffen über die Bühne. „Jetzt kommt ,I Regret‘. Da hat jemand gepennt. Ich weiß nicht, ob ich das war oder ihr, könnt ihr euch aussuchen. Ich bin für euch.“ Die freche Note stand dem Sänger richtig gut. Mit geschlossenen Augen sang er die Zeilen, die De/Vision Fans schon oft mit ihm geteilt haben: „Please hold out I regret, all the nasty words I said. I can feel you getting colder“.
“Zwei haben wir noch plus zwei, wenn ihr richtig gut mitmacht – also vier. Wenn ihr es nicht gut macht – nur einen.“ Try To Forget sang Steffen mit seinen Fans im Wechsel – und das funktionierte blendend. Die Textsicherheit rundherum war wahrlich tadellos. „Wir haben noch zwei Songs. Wenn ihr so weitermacht plus eins. Ansonsten gehen wir alle nach Hause – also ich. Ihr könnt gern noch bleiben.“ Flavour Of The Week pushte das Gute-Laune-Level nochmals und setzte die Endorphine in Gang. Dieses Konzert von De/Vision fetzte wirklich. Es ist immer schön, diese Band live zu erleben. Aber Steffen wirkte diesmal besonders ausgelassen und fröhlich – das übertrug sich natürlich auch auf die Menge. „Hier kommt unser Klassiker ,Your Hands On My Skin‘ – was zum Schmusen. Ihr könnt so schön mitsingen und mitklatschen – alles, was ihr wollt.“ Voller Leidenschaft sang die Menge mit und es klang wahrhaft bezaubernd. Noch ruhiger wurde es zum Abschluss mit The Firing Line. Große Balladen werden bei einem Auftritt von De/Vison auch erwartet. Ihre ruhigen Songs wissen zu berühren und erreichen einen tief im Inneren. Somit rundeten die beiden letzten Songs das sorgsam ausgewählte Set perfekt ab. „Dankeschön, M’era Luna. Ihr wart großartig.“
02. Rage
03. What’s Love All About
04. Dinner Without Grace
05. I Regret
06. Time To Be Alive
07. Try To Forget
08. Flavour Of The Week
09. Your Hands On My Skin
10. The Firing Line
Eine kernige Portion Dark Rock stand uns nun mit Mono Inc. bevor. Auf der Bühne wurde ein mehrstufiges Podest erbaut. Ganz obenauf thronte Katha Mia mit ihren Drums. Ihre schwarzen Rabenflügel waren komplett ausgebreitet. Schwarze Federn zierten den Mikroständer von Martin Engler. Sein blonder Bart passte hervorragend zu dem gold besetzten Jackett. Während Katha Mia den Song Arabia mit orientalisch anmutendem Lauten bereicherte, besuchte Martin Carl Fornia und Val Perun an den Saiten. Letzterem und verpasste er einen Schmatzer auf die Stirn. Zu Where The Raven Flies setzten sich Katha Mias riesige Rabenflügel in Bewegung. Tausende Arme (oder Flügel ohne Federn?) wurden von den Raben im Publikum hin- und hergeschwungen. Und Martin sang “In your dreams you can disappear, in your dreams, fly to somewhere far away from here. No sorrow you can leave it all behind”. “Liebe Gemeinde, wir sind dieses Jahr aut Tour mit unserem neuen Album ,Raven Black’ und die erste Single aus diesem Album passt heute einfach absolut perfekt, wenn ich mir all die wunderschönen Damen heute ansehe. Ladies, ihr seid unsere ,Princess Of The Night’.” Nachdem die Flügel wichen, wechselte Martin für den nächsten Track sein Sakko. Flugs erschien er im roten Dress mit goldenen Knöpfen.
Für die nächste Ansage wurde der Bandleader ernst: “Wisst ihr was? Ihr seid liebenswert. Jeder von euch ist liebenswert, genauso wie er jetzt ist. Also zumindest ich liebe dich!” Dabei zeigte er strahlend in die Menge. “Denn wir glauben, dass es darum geht im Leben. Es geht nicht um Geld, Macht, teure Autos, teure Uhren. Nein, eigentlich möchten wir nur eins – geliebt werden. Für das, was man ist. Völlig egal ob groß, klein, schwarz, gelb, LGBT, VHS, ASP-Fan. Jeder ist richtig, so wie er ist und jedes Kind, das auf die Erde geboren wird, kommt rein. Kein Baby wird als schlechter Mensch, als Verbrecher oder sonstwas geboren. Es sind die äußeren Umstände die das aus uns machen, was wir später sind. Liebe ist durch nichts zu ersetzen. Wer als Kind nicht genug Liebe bekommt, zettelt als Erwachsener irgendwelche Kriege an oder wird Bundesgesundheitsminister. Hier ist ,Lieb Mich’.” Auf diesen fiesen politischen Seitenhieb in Richtung des Ministers hätte Martin meiner Meinung an dieser Stelle verzichten sollen. Nichtsdestotrotz machte die Band nun textlich einen Ausflug in die deutsche Sprache. Der Chefbooker verriet Martin Backstage, dass Mono Inc. bereits zum siebten Mal auf diesem Festival spielen. Daher wollte er dem M’era Luna einen eigenen Song widmen. Kurzum stimmte er den Hit von Leonard Cohen an und änderte das Wort Hallelujah in ,M’era Luna’ um. Seine Raben verstanden schnell und stimmten mit ein.
Schon ging die fröhliche Coversause weiter und es folgte die Mono Inc. Version von The Passenger. Da sich die Menge gerade warmgesungen hat, machte sie munter weiter. Doch der Fronter war noch nicht zufrieden. “Leute, ihr seid live im Fernsehen und meinte Mutter sitzt jetzt unten im Saarland, guckt Fernsehen und denkt ,hätt er mal was anständiges lernen können, der Jung!’ Könnt ihr einmal so richtig Gas geben?” Na das klang doch vielversprechend. Schnell sendete er noch einen Gruß nach Hause. Während die Raben vor der Bühne ihren M’era Luna Song weitersangen, platzierte man große Blechtrommeln neben die Drums von Katha Mia. Bei ihrem Solo wurde sie tatkräftig von Carl und Val unterstützt, die sich nun in schwarze Gewänder gehüllt haben. Beflügelt vom Applaus hatte die Schlagzeugerin auch sichtlich Spaß, als es umgehend mit Voices Of Doom weiterging. Ihre Jungs versammelten sich ums sie herum und genossen den weiten Blick über das Gelände. Nach einem weiteren Outfitwechsel reichte es Martin nun auch und er entledigte sich seines schwarzen Samtjacketts und spielte die letzten beiden Songs im T-Shirt. Während sich die Strahlen des Sonnenuntergangs in dem Bassdrums von Mia Katha verfingen, setzten die bekannten Orgelklänge ein. Dies konnte nur eins bedeuten: Finalrunde mit Children Of The Dark. Engagiert stimmte das Publikum nochmal mit ein und zur Verabschiedung konnten wir dann auch einen Blick auf das wunderschöne, wallende Kleid der Drummerin werfen.
02. Arabia
03. Where The Raven Flies
04. Princess Of The Night
05. Lieb Mich
06. Hallelujah
07. The Passenger
08. Voices Of Doom
09. Heartbeat Of The Dead
10. Children Of The Dark
Zeit für die Headliner auf der Club Stage: Hocico. Bereits zum siebten Mal wurden Erk Aicrag und Racso Agroyam für das M‘era Luna Festival gebucht – eine stolze Leistung. Auch diesmal sollte uns das Duo nicht enttäuschen. Zum Jubiläum der Band lief im Hintergrund ein Zusammenschnitt mit vielen Erinnerungen aus den vergangen Jahren. “Vor 30 Jahren… eine Reise die in Mexiko-Stadt begann und sich über die ganze Welt ausbreitete. Die dunklen Worte. Die heftigen Noten. Eine wütende Stimme. Die aggressiven Rhythmen krachen in die dunkelsten Ecken der Gesellschaft. Die Musik und die Worte… heulen heute Abend mit einer wilden Aggression.” Und in flammenden Lettern erschien der Bandname: Hocico. Vor uns sahen wir eine Zeremonie, die eine mystische Atmosphäre entstehen ließ. “Stammesmänner” räucherten die Bühne ein. Ein Tänzer hielt sich ein Geweih vor die Stirn. Ein anderer schwang sich in einen großen Holzreifen und drehte sich darin immer wieder um die eigene Achse. Der Trommler entlockte einer großen Muschel eigene Töne. Auf dem Mikroständer waren Schädel aufgespießt. Was würde bloß geschehen? Landete die erste Reihe gar in einem überdimensionalen Kochtopf?
Passend zum Start des ersten Titels Untold Blasphemies wurde noch flugs ein junger Mann in einem Rollstuhl in die erste Reihe geschoben. Was soll ich sagen? Er sog die harschen Klänge quasi in sich auf und feierte die Band mit Leibeskräften. Dabei freute er sich unsagbar und es war eine Wonne, ihn so euphorisch und glücklich zu sehen. Erks Schultern waren mit Fellstücken besetzt. An seinen schweren Kette hingen allerlei Knochen. „I have to tell you something. Tonight – no one gets out alive. Are you ready to die, M’era Luna? I wanna see you bounce.” Seht ihr, der Gedanke mit dem Kochtopf war gar nicht mal abwegig… Ab ging die Post mit No One Gets Out Alive. Erk stachelte die Menge weiter an: ”I’ll promise you, I’m gonna see you in jail!” Mit einem dreckigen Lacher verstärkte Erk noch unseren Auftrag, zur gemeinsamen Eskalation. Challenge accepted. „Can you feel it now? Can you feel it, M’era Luna? It’s time to ,Bite Me’.” Während die Sonne gen Horizont neigte, tobte sich die Menge nochmal richtig aus.
Doch dem Fronter reichte das noch nicht „Raise your hands! Are you ready to party with us?” Die Beats per Minute zogen nochmal kräftig an – Hocico goes Techno? Warum nicht?! Jedenfalls hatte es die Hacked Society wahrlich in sich. Zu der Atmosfera gesellten sich wieder die Tänzer hinzu. Einer von ihnen präsentierte uns einen Salto aus dem Stand. Gemeinsam versammelten sich um Erk und vollzogen ein aufwendiges Räucherritual. „Let’s go fucking crazy!“ Ungestüm sprang der Frontmann auf die Box im Bühnengraben und schüttelte heftigst seinen Kopf. Ein letztes Mal kamen seine Jungs hinzu – Tiempos De Furia. Der Trommler schlug derweil so heftig auf seine Drums ein, dass die lauten Klänge gar an ein Feuerwerk erinnerten. Auf der Bühne wusste man kaum, wo man zuerst hinschauen sollte. Der Reifen wurde geschwungen, eine Glaskugel wurde galant über den Körper balanciert, überall entstand erneut Bewegung. Erk flitzte umher und fetzte uns seine Lyrics um die Ohren. Hocico sind bekannt dafür, dass sie sich gerne aufwendige Inszenierungen für ihre Shows einfallen lassen. Erneut haben sie bewiesen, weshalb sie auf dem M’era Luna Festival so gerne gesehen werden. Die Jungs stellten sich gemeinsam für eine Verabschiedung auf. Erk schloss die Augen und verinnerlichte diesen Moment. „Let’s take a picture for eternity.“ Gemeinsam verneigten sich alle nochmal und ließen sich von der schwer begeisterten Menge bejubeln. Was für ein Finale auf der Club Stage!
02. Untold Blasphemies
03. No One Gets Out Alive
04. Bite Me
05. Hacked Society
06. Instincts Of Perversion
07. Atmosfera
08. Poltergeist
09. Altered States
10. Forgotten Tears
11. Tiempos De Furia
Als letzter Act erwarteten uns Within Temptation. Auch sie verbindet eine langjährige Geschichte mit dem M’era Luna. Zum neunten Mal erklommen sie hier mit ihrem Symphonic Metal die Bühne. Allmählich lernte Sängerin Sharon den Adel auch ein paar deutsche Wörter. “Es ist super, jetzt wieder hier zu sein!” Our Solemn Hour läutete die musikalische Reise durch sieben Alben der Band ein. In einer goldenen Corsage in Kroko-Optik und mit einer edlen schwarzen Krone samt langer Spitzen erschien die stimmgewaltige Frontfrau. Zusammen mit einer grandiosen Lightshow und einigen Pyros schmetterten sie uns Songs wie Faster und Paradise (What About Us?) entgegen. Sharon versuchte sich daran zu erinnern, wann sie das letzte Mal in Hildesheim auftraten. Ihrer Meinung nach war es im Jahr 2006. Doch bereits 2002 und 2003 traten die Niederländer – damals noch ohne jegliches Spektakel – hier auf. Schon damals galten sie als Senkrechtstarter. Auch mir sind sie damals direkt im Gedächtnis geblieben. Und dennoch hätten sie sich bestimmt nicht träumen lassen, welch fulminante Karriere ihnen noch bevorstehen sollte. Um ausgiebigst headbangen zu können, entledigte sich die Fronterin ihrer schmucken Krone. Ihre Fans taten es ihr nach und zusammen ließen sie zu der famosen Single Entertain You ihre Haare fliegen. Songs des kommenden Albums Bleed Out wurden bereits live erprobt.
Neben Wireless bekamen wir auch bereits die Leadsingle Bleed Out zu hören. Zu Raise Your Banner stellte sie uns die Frage, was wir wohl tun würden, wenn unser Land einem Krieg zum Opfer fallen würde. “Would you fight for your family and the ones you love?” Als Zeichen ihrer moralischen Unterstützung schwenkte sie eine riesige ukrainische Flagge umher. Im letzten Drittel ihres Sets reisten Within Temptation mit uns in ihre Vergangenheit. Ihr kraftvoller Klassiker Stand My Ground und die zarte Power-Ballade Angels begeisterten wie zu alten Zeiten. Ein kurzer Sprung nach vorn ins Jahr 2019 und wir hörten Supernova. Einen Song, den sie einst ihrem Vater gewidmet hat, als sie seinen schmerzhaften Verlust verarbeiten musste. Sie bat uns, an unsere wertvollen Menschen zu denken, die mittlerweile nicht mehr unter uns weilen. Und gemeinsam mit ihr blickten wir zu den leuchtenden Sternen hinauf und ließen ihre Ode auf uns wirken. Tiefe Gefühle entfachte Mother Earth. Die ganz große Hymne der Band traf uns mitten ins Herz und der beachtliche Chor der Schwarzlinge erhob ein letztes Mal seine Stimme für ein fantastisches Finale.
02. The Reckoning
03. Faster
04. Paradise (What About Us?)
05. Wireless
06. Entertain You
07. Raise Your Banner
08. In The Middle of The Night
09. Bleed Out
10. Stand My Ground
11. Supernova
12. Angels
13. Mother Earth
Am 10.08.2024 kehren wir hier erneut ein. Der Vorverkauf für das M’era Luna 2024 hat bereits begonnen. Folgende Bands wurden bereits bestätigt: ASP, Front 242, Saltatio Mortis, Lord Of The Lost, Schandmaul, Die Krupps, Suicicde Commando, Oomph!, [:SITD:], Assemblage 23, Universum 25, Dartagnan, Die Herren Wesselsky, Welle:Erdball, Lacrimas Profundere, Funker Vogt, Das Ich und Stahlmann.
Nehmt gerne an der Besucherumfrage teil, gebt den Organisatoren euer ehrliches Feedback und verratet ihnen, welche Bands ihr zudem noch sehen möchtet. Wir wünschen uns einheitliche Absprachen bei der Einlasssituation und mehr Mut seitens der Booker. Nicht umsonst spricht man noch Jahre später über Auftritte von Bands wie Korn, Iamx, Placebo, The Prodigy oder Tool. Ein paar Neuentdeckungen waren zwar in diesem Jahr dabei, aber gerade bei den mittelgroßen Bands oder den Headlinern darf gern mal wieder frischer Wind hereinwehen.
Rund 25.000 Menschen haben sich an diesem Wochenende auf dem Flugplatz in Hildesheim vereint. Sie haben friedlich miteinander gefeiert, fremde Menschen kennengelernt, neue Musik für sich entdeckt und ihnen allen aber auch den Organisatoren, all den Helfern und den Bands verdanken wir dieses sagenhafte M’era Luna Feeling, das dieses Festival in Drispenstedt ausmacht. Während wir erfüllt auf das Gelände zurückblickten und unseren notwendigen Heimweg antraten dachten wir nochmal an Melotron zurück. Wie auch Ihnen stand uns der gnadenlose Montag bevor – der uns mit all seiner Wucht zurück in den Alltag zerren wollte. Und doch blieben da die kleinen Momente, in denen wir uns an dieses Wochenende zurückerinnerten und die zugleich unsere Sehnsucht auf das kommende Jahr entfachten. Danke für alles, M’era Luna!
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Den Bericht zum Samstag findet Ihr hier:
Weblinks M’ERA LUNA:
Homepage: https://meraluna.de/
Facebook: https://www.facebook.com/meralunafestival/
Instagram: https://www.instagram.com/meralunafstvl/