GHOST / HALESTORM – Bochum, RuhrCongress (13.06.2023)

Ghost © Sandro Griesbach
Ghost © Sandro Griesbach
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Wenn sich an einem heißem Wochentag bereits um 8:00 Uhr morgens einige Fans vor einer Konzerthalle einfinden, steht etwas Besonderes an. Eben dies war hier der Fall – denn Ghost spielten eine ausverkaufte Zusatzshow im Bochumer RuhrCongress. Eigentlich sollten auch manche Anwesende zu der Zeit in der Schule sein, aber ein Ghost Konzert vereint ja quasi den Musik- mit dem Religionsunterricht ;). Bei sengender Hitze harrten die Anhänger der Band tapfer aus, bis sich um 18:30 Uhr die Türen am Einlass öffneten. In der anfangs noch angenehm kühlen Halle fanden sich ganze 5.000 Besucher ein. Und obwohl es kein einziges Ticket an der Abendkasse gab, gestaltete sich die Anreise völlig problemlos. Bemerkenswerterweise quetschte man die Menschen auch nicht einfach in die Location hinein. Stattdessen konnte man sich locker bewegen, wo man auch ging oder stand – ein Gefühl der unangenehmen Enge blieb hier tatsächlich aus. Die Verantwortlichen waren einfach bestens auf den Andrang vorbereitet. Neben den üblichen Kaltgetränken gab es gar diverse Speisen im Angebot. Verhungern oder verdursten musste hier wahrlich niemand. Und auch das Personal fiel durchweg positiv auf. Den Start in den Abend empfanden wir also mehr als gelungen.

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Dies galt jedoch leider nicht für alle. Denn der lange Tag in der unnachgiebigen Sonne hat vereinzelt doch Spuren bei den jungen Fans hinterlassen. Nachdem diese so standhaft ausharrten, ließ sich das ein oder andere Mädel dann doch sicherheitshalber von den Securities über die Absperrung heben. Wer ein Konzert der Band Ghost besucht, plant übrigens in der Regel eine stattliche Vorbereitungszeit ein. Bei der bevorstehenden Zeremonie möchte man schließlich nicht im Alltagslook daherkommen. Stattdessen verwandelten sich zahlreiche Fans zu kunstvoll anmutenden Geschöpfen der Nacht. Selbst ein absolut perfektes Double von Papa Emeritus IV wartete in der ersten Reihe geduldig auf seine Ikone. Was noch auffiel? Zahlreiche kleine Ghost Stoffpuppen tummelten sich inmitten der jungen Besucher. Das gesamte Spektakel fand schließlich nicht nur auf – sondern auch vor der Bühne statt.

Doch zunächst waren die Special Guests des Abends an der Reihe: Halestorm. Sängerin Lzzy Hale war zwar noch nicht zu sehen, durchaus aber zu hören. Schrie sie doch bereits aus der Entfernung alles in Grund und Boden, dass einem Angst und Bange um das eigene Gehör wurde. Auf der Bühne fanden sich ihr Bruder Arejay Hale an Drums sowie Gitarrist Joe Hottinger und Bassist Josh Smith ein. Und auch die Fronterin ließ dann nicht mehr lange auf sich warten. Mit einer orangefarbenen Lederjacke, einem kurzen Karorock und schweren Plateau-Boots stürmte sie motiviert hinzu. Die US-Hard Rock Band preschte mit ihrem Opener Miss The Misery auch sogleich gut los. Gekonnt spielte sie die Saiten auf ihrer pinkfarbenen Stratocaster im Glitzerlook an. Dabei wurde die Band lautstark von kreischenden Mädels empfangen. “How are you doing tonight, Bochum? Thank you for having us. This next one is for the ladies, the weirdos and the strange ones.” Für den selbstbewussten Track Love Bites (So Do I) wurde die Band im Jahr 2013 gar mit einem Grammy ausgezeichnet.

Zu Pianoklängen kniete sich die Rockröhre an den Bühnenrand und sang “I wanna get off of you – off, off, off.” Dazu riss sie ihre Faust empor und die Menge tat es ihr entschlossen nach. Joe headbangte wild dazu und Arejay interagierte immer wieder samt kleiner Gesten mit dem Publikum. “Bochum, are you a freak like me?” Inbrünstig sangen allerlei Fans den gleichnamigen Titel mit. “It is so wonderful to be in this sancturary tonight.” Sanfte Gitarrenlaute läuteten die Ballade Familiar Tast Of Poison ein. “Everybody, get those lighters up!” Arejay tauschte seine Drumsticks abwechselnd mit einer Triangel und einem Tambourin, während sich Joe nun eine goldene E-Gitarre für seine Solo Performance umhing. Diese ruhigen Augenblicke standen Halestorm außerordentlich gut, zumal sie nicht mal an Intensität einbüßten. Für einen Special Guest war die Lightshow übrigens außergewöhnlich vielfältig. An soviel Licht kann man sich sonst nur seltenst im Vorprogramm erfreuen. Nun hatte Arejay seinen großen Auftritt, stand er doch für ein ausgiebiges Drum-Solo ganz allein im Rampenlicht. Schnell gewann er die Menge für sich, feixte mit ihr herum und schnappte sich kurzerhand zwei überdimensionale Drumsticks, mit denen er uns ein weiteres Solo kredenzte.

Doch seine restlichen Band Member ließen ihn auf der großen Bühne nicht lange allein. Lzzy übernahm kurzerhand wieder das Kommando: “Who is seeing us for the first time? Welcome to the family. This one is for all our old and new friends tonight. It’s called ,Chemicals’.” Catchy und fluffig kam der Song daher, ehe Lzzy kurz darauf den letzten Streich des Abends ankündigte: “Before we leave, we all love you. We’ll be back soon. This is my church and you are my people.” Nach einer einstündigen Spielzeit verteilte die Band noch etliche Plektren an ihre alten und neuen Fans und ließ ihre Setlists in die ersten Reihen flattern.

Setlist HALESTORM – Bochum, RuhrCongress (13.06.2023)

01. I Miss The Misery
02. Love Bites (So Do I)
03. I Get Off
04. Wicked Ways
05. Freak Like Me
06. Familiar Taste Of Poison
07. Takes My Life
08. Drum Solo
09. Back From The Dead
10. Chemicals
11. Mayem
12. The Steeple

Weblinks HALESTORM:

Homepage: halestormrocks.rom
Facebook: facebook.com/halestormrocks
Instagram: instagram.com/halestormrocks

Während die Spannung in der Umbaupause stieg, wurde die Sicht auf die Bühne durch einen riesigen weißen Vorhang verdeckt. Theatralisch wurden wir schonmal mit Orgeltönen und Chorgesängen auf die bevorstehende Zeremonie eingestimmt. Ausgesprochen elegant war übrigens die Crew der Band gekleidet. Ganz in schwarz mit feinen Westen und goldenen Anstecknadeln waren auch sie ein wichtiger Bestandteil des großen Ganzen. Als die Gitarren einsetzten, sorgte ein lauter Knall für den finalen Startschuss: Vorhang auf für Ghost. Die drei Nameless Ghouls an den Saiteninstrumenten gesellten sich direkt an den Bühnenrand und zu dem Kracher Kaisaron konnten wir einen ersten Blick auf ihr fantasievolles Äußeres erhaschen. Zu feudalen Uniformen trugen sie aufwendig gestaltete schwarze Ledermasken, die mit Schläuchen, Nieten und kleinen Teufelshörnern versehen waren. Die Augenpartie glich dabei einem Fernglas und Aussparungen waren einzig an der Nasen- und Mundpartie auszumachen. Erkennen konnte man dennoch nichts, denn ihre Nasen waren ohnehin schwarz eingefärbt und ihre Münder wurden von schwarzem Stoff bedeckt.

Nun wurde auch die immense Tiefe der Bühne ersichtlich. Im Hintergrund prangten drei opulente Kirchenfenster samt üppiger Malereien. In der Mitte ist durch eine Holztreppenkonstruktion ein stattliches Podest für das kupferfarbene Schlagzeug entstanden. Links und rechts davon standen weitere Nameless Ghouls an den Keys und an zwei Mikrofonen. Na und Papa Emeritus IV? Er folgte seinen Mitmusikern auf dem Fuße. Auch er trug die aktuelle Ghost Uniform aus edlem Zwirn. Zumindest anfangs – denn sein Outfit sollte sich noch mehrfach ändern. “Are you ready for us, Bochum?” Die Hard Rock Single Rats jubelte einem direkt für die Folgetage einen Ohrwurm unter. Schwerwiegende Themen wie die Verdammnis oder der schwarze Tod wurden uns eingängig dargeboten. Faith erinnerte an die mürrischeren Anfangstage der Band. Herrlich aggressive Riffs und verspielte Soli zogen sich durch die schwermütige Mid-Tempo Nummer, während sich die riesige Fanschar textsicher einklinkte. “Guten Abend Bochum. How do you feel? It’s nice to be back. It took quite long, but now we’re here. What day is it? Wednesday? Is today Tuesday? We’ve got a new album out. This is a song from the new album. It’s called ,Spillways’.” Damit folgte ein 70er Jahre Pop-Rock Song mit seichtem Discokugelflair.

Nun hat Tobias Forge sein Jackett gegen lederne Fledermausflügel eingetauscht und zog damit entzückte Blicke auf sich. Erhaben stolzierte er über die Bühne und kniete sich zu dem Song nieder, mit dem Ghost im Jahr 2016 wohlverdient einen Grammy eingeheimst haben: Cirice. Mit seinem einnehmenden Wesen zeigte der Fronter dabei auf einzelne Fans und zog damit alle in seinen Bann. “Can’t you see that you’re lost? Can’t you see that you’re lost without me?” Er ließ es sich aber auch nicht nehmen, seinen Musikern einzeln die Ehre zu erweisen, ihnen bei ihren jeweiligen Parts zuzusehen und dabei stolz auf sie zu zeigen. Hinreißende Metal-Momente hatte der Song Hunter’s Moon inne. Ebenso hart und sperrig, als auch melodisch und einnehmend glänzten Ghost auch mit diesem Track. Den Schalk hatte Tobias übrigens durchaus in kleinen Momenten inne. Als sich seine Ghouls mit ihren Saiteninstrumenten gekonnt in der Bühnenmitte in Pose schmissen, vermachte er ihnen leicht abseits stehen kurzerhand mit seinen Fingern Hasenohren. Aber auch die Ghouls vermochten es untereinander gern, sich zwischendurch mit kleinen Gesten Scherze zuzuspielen. Der Spaß kam hier auf der Bühne keinesfalls zu kurz.

Was mir sehr angenehm auffiel – Tobias Forge hatte es scheinbar nicht nötig, den ganzen Abend über selbst stets im Fokus zu stehen. Immer wieder gab er seinen Ghouls den Raum, sich auch in Szene zu setzen und brillieren zu können. Und im Publikum fand man übrigens weder irgendwelche Pits, noch Crowdsurfer oder Gerangel vor. Stattdessen genoss man dieses okkulte Happening einfach oder man schwang kurzzeitig mal seinen Schopf, aber generell ging es extrem gesittet zu. Im Pabstgewand mit einem aufwendig gestalteten Talar und einer verzierten Mitra performte der einnehmende Frontmann Call Me Little Sunshine. “You will never walk alone. You can always reach me. You will never ever walk alone.” Zu Con Clavi Con Dio schwenkte er eine Ladung Weihrauch umher und beschwor die Menge: “Satanas, we are one. Out of three, trinity.” Zu Watcher Year Zero wurde die Bühne in flackerndes rotes Licht getaucht. Zum Gitarrenspiel der Ghouls hörten wir neben einer Kirchenorgel choralen Gesang. Es entstand eine gewisse Dramatik, die durch heftige Feuerschübe noch verstärkt wurde. Papa Emeritus IV erschien in einem weiteren opulenten Gewand und die Rock-Oper nahm lautstark umjubelt ihren Lauf.

Natürlich durfte auch die verspielte Power Ballade He Is nicht fehlen. Hier vereinten sich liebliche Gitarrenklänge mit verträumten Pianoparts und Tobias’ Gesang wirkte dazu wahrlich betörend. “Are you with us?” Und ob wir das waren. Das gesamte Publikum war in dieser hinreißenden Ghost-Welt gefangen und es gab kein Entrinnen. Auf einmal wurde ein gläserner Sarg auf die Bühne gerollt. Darin befand sich Papa Nihil (= Papa Emeritus Zero), den am 03.05.2020 in Mexiko das Zeitliche segnete. Unter sprühenden Funken gelang es einem Crew-Mitglied, diesen mithilfe eines Reanimationsgerätes wiederzubeleben. Sofort reichte man Papa Nihil – der sich einst auch als “Sax-God” einen Namen machte – ein Saxophon und äußerst lässig legte er ein fetziges Solo hin. Doch die Wiedersehensfreude hielt nicht lange an. Mit dem letzten Ton erlitt er einen neuen Schwächeanfall und wurde mitsamt seines Sarges wieder in den Hintergrund bugsiert.

Schaurig schön ging es mit Mummy Dust weiter. Ein weiblicher Nameless Ghoul stürmte mit einer Keytar nach vorn und verlieh dem Song eine besondere Note. Während sich Papa Emeritus IV lasziv zu den Klängen bewegte, kamen die Konfettikanonen zum Einsatz. Diese ließen haufenweise Ghost-Scheine ins Publikum regnen und sorgten für einen aufgeregten Jubelsturm. Mit den extra für die Band designten Scheine hatten die Fans sogleich einzigartige Erinnerungsstücke, die sie stolz mit nach Hause nehmen konnten. Selbstredend entsprach ein Schein 666 “Dollar”. “Time is running out. Nein, nein, nein? One more song? One more Stück? But before we leave, we need you. I want to take this opportunity, to say Dankeschön to all the people for making this possible. A big applause for you! It’s so important to enjoy life and to have fun. It feels like being home in Germany. From the bottom of my heart: Dankeschön, Bochum.” Mittlerweile haben sich unter den Fans etliche Knicklichter ausgebreitet, die nun emsig in die Höhe gehalten wurden und die gemeinschaftliche Stimmung nochmal unterstrichen. Respite On The Spitalfields bildete vorerst den musikalischen Abschluss.

Ghost verließen die Bühne und nahmen Backstage noch für einige Augenblicke Zugabe-Rufe und enthusiastischen Jubel wahr, ehe sie ein letztes Mal ihre Spielstätte des heutigen Abends enterten. Papa Emeritus IV ergriff noch einmal das Wort: “They said, you are still in the hall. I said no. What are you still doing here? That’s my aftershow outfit. If I play one more song, would you get the fuck out of here? Ok, you get zwei, that’s a deal. But if we would play three songs, would you be happy and leave? Ok, I see what I can do.” Die Pailetten seines türkisfarbenen Sakkos funkelten mit den leuchtenden Augen der Fans um die Wette. Das große Finale begann zunächst mit Kiss The Go-Goat, gefolgt von Dance Macabre. Somit kam nochmal ordentlich Schwung in die heiligen Hallen und alle genossen nochmal unbeschwert das Hier und Jetzt. Zu Square Hammer schwang auch Tobias Forge ein letztes Mal seine Hüften. Die packende Atmosphäre war deutlich spürbar. Und doch war nun an der Zeit Abschied zu nehmen.

Nachdem die Schweden im vergangenen Jahr (vermutlich pandemiebedingt) noch nicht wieder vor vollends gefüllten Reihen spielen konnten, haben sie es sich umso mehr verdient, wieder in ausverkauften Locations zu rocken. Die aktuelle Tour macht noch in einigen Städten Halt. Das Finale steht dann am 11.+12.09.2023 in Los Angeles auf dem Programm. Hierfür gelten gesonderte Bedingungen. So werden Ghost an diesen beiden Abenden ohne Special Guests agieren. Zudem ist die Mitnahme von Handys und Smartwatches strengstens untersagt. Alles deutet also darauf hin, dass die letzten Tage von Papa Emeritus IV gezählt sind. Was genau das Genie Tobias Forge diesmal im Schilde führt? Wir werden es (zumindest im Nachhinein) erfahren :).

Setlist GHOST – Bochum, RuhrCongress (13.06.2023)

01. Kaisaron
02. Rats
03. Faith
04. Spillways
05. Cirice
06. Hunter’s Moon
07. Ritual
08. Call Me Little Sunshine
09. Con Clavi Con Dio
10. Watcher In The Sky
11. Year Zero
12. He Is
13. Miasma
14. Mary On A Cross
15. Mummy Dust
16. Respite On The Spitalfields
17. Kiss The Go-Goat (Z)
18. Dance Macabre (Z)
19. Square Hammer (Z)

Weblinks GHOST:

Homepage: ghost-official.com
Facebook: facebook.com/thebandghost
Instagram: instagram.com/thebandghost

 

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1 Comment

  • Ihr wisst nicht wie glücklich es mich macht, dass die Aktion mit den Knicklichtern aufgefallen ist. Es war leider ganz anders geplant und es ging viel schief. Es hätten viel, viel mehr sein sollen. Aber nun weiß ich meine Bemühungen die Knicklichter vor dem Konzert zu verteilen waren nicht umsonst. Danke!!

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