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NOÊTA – Elm

NOÊTA - Elm

Seit 2013 verwebt das schwedische Duo Noêta Dark Ambient mit kargem Folk. Ihre Musik ist ein hypnotischer Sog: ruhig und eindringlich zugleich. In den Melodien spürt man still daliegende Seen und unter Raureif erstarrte Gräser, Felsen, deren Oberfläche durch Frost und Wasser schroff und rund zugleich geformt wurden und die spröde Rinde von Bäumen, die an der sonnenabgewandten Seite weich von Moos ist. Sie sind aber noch mehr. Denn neben der Vertonung dieser Eindrücke von Natur und Klima, ja ihrer klanglichen Meditation sind die Songs von Êlea (Gesang) und Ândris (Instrumente) durchzogen von philosophischen Überlegungen, die musikalisch nicht allein interpretiert werden, sondern mit den Kompositionen eine Symbiose einzugehen scheinen. Diese Überlegungen sind dabei weniger konkret, sondern wispern wie Gedanken, flüstern wie Gespinste und durchdringen wie Gefühle, allgegenwärtig, sanft und machtvoll zugleich. Dabei ist das, was uns Noêta zuraunen, nicht vage. Es ist die Anbetung der Macht der Gedanken, die sind. Vergeistigung, die ein Denken unnötig macht.

I am terrified by this dark thing
That sleeps in me;
All day I feel its soft, feathery turnings, its malignity. (Sylvia Plath, Elm*)

Bereits ihre erste EP psykhe (2015) zeigt die Liebe der Band zu den Gedanken, versinnbildlicht durch eine Frau, die durch die Liebe zur Göttin des Denkens und Fühlens wird. Das Debüt-Album Beyond Life And Death verfolgt das Konzept von Gedanken und Gefühlen in einem Dreiklang. Und auch das aktuelle Album Elm stellt wiederum diese beiden vermeintlichen Antagonisten in den Mittelpunkt, wenn auch im Unterschied zu den Vorgängerwerken thematisch fokussierter, musikalisch differenzierter und insgesamt dunkler.

Im Zentrum stehen selbstverständlich die beiden Songs Elm und Elm II. Hier haben sich Noêta von dem gleichnamigen Gedicht der US-amerikanischen Schriftstellerin Sylvia Plath (1932 – 1963) inspirieren lassen und Verse in die eigenen Lyrics übernommen. Plaths Gedicht gilt als eindrucksvolles Zeugnis ihrer Ängste und Depressionen. In dringlichen und beklemmenden Bildern schildert sie diese als dämonische Bewohner ihres Geistes, die sie immerfort quälen, ihr keine Ruhe gönnen und sie zu einem Ding werden lassen, vor dem sie sich fürchtet. Es ist ein unaufhaltsamer Prozess und ihre Schreie nach Hilfe verhallen währenddessen ungehört.

Clouds pass and disperse.
Are those the faces of love, those pale irretrievables? 
Is it for such I agitate my heart?

I am incapable of more knowledge.
What is this, this face
So murderous in its strangle of branches? (Sylvia Plath,Elm**)

Den schleichenden Horror, wenn einem der eigene Geist zum Fremden und zu einem Gefängnis wird, fängt das Duo im ersten Teil vom Elm durch ein ruheloses, melodieloses, repetitives Gitarrenmotiv ein. Êleas Gesang ist zerbrechlich und durchscheinend wie Spinnweben. Darüber ein Rufen, ein Hallen, klar wie Glas, das sich über den Gesang legt und zu seinem Echo wird. Hören wir hier schon einen Geist? Dazwischen ertönt geflüstert und atemlos die dritte Stimme: Es scheint als würde Sylvia Plath selbst von sich erzählen. Im zweiten Teil: nur noch ein unstetes, hallendes Dröhnen, zu dumpf, um bedrohlich zu sein. Eine bleierne Schwere der Resignation legt sich über die langsam geflüsterten Verse.

Die synergetische Beziehung zwischen Instrumentierung, Gesang und Lyrics zieht sich durch das gesamte Album. Die Grundstimmung ist Melancholie in ihrem tiefsten Schwarz. Dass dies aber ebenfalls seine Schattierungen haben kann, zeigt Elm ganz vorzüglich. So kann diese uns bedrohlich erscheinen, flehentlich, zerbrechlich, träumend oder wie das blanke Grauen. Der Opener Dawn Falls empfängt uns beispielsweise in dichtem Nebel: darin ein zaghaftes Tasten. Im Hintergrund klagt Êlea wie eine verlassene Banshee, während sie uns im Vordergrund schon bald bei der Hand zu nehmen scheint. Gitarre und Gesang strahlen plötzlich Zuversicht aus. Zaudern und Streben überlagern sich in Dawn Fall immer wieder und drohen einander auszulöschen. Tatsächlich bearbeitet der Song den ständigen Kampf zwischen innerer Zuversicht, die uns vorwärts bringen soll und dem Selbstschutz, der uns dann doch wieder zweifelnd zurückwirft.

Its snaky acids hiss.
It petrifies the will. These are the isolate, slow faults
That kill, that kill, that kill. (Sylvia Plath, Elm*)

Elm funktioniert stark über diese Ebenen der vertonten Emotionalität und dem Versuch Gedanken und Konflikte hörbar zu machen. Dadurch verlangt das Album, und damit steht es seinen Vorgängern in nichts nach, von seinen Zuhörern ein Sich-Einlassen und ein Sich-Hineinbegeben, denn Elm ist so ziemlich das genaue Gegenteil von eingängig. So laufen die einzelnen Stücke leicht Gefahr einförmig zu wirken, das Album an sich struktur- und seltsam formlos, wenn man nicht bereit ist, diese Strukturen und die dahinterliegende Form für sich zu entschlüsseln und dann zu betrachten. Das funktioniert mit nur Ruhe und mit dem Blick auf Elm als Ganzes.

*Verse aus dem Original im Song Elm
**Verse aus dem Original im Song Elm II

Elm ist am 23. April bei Prophecy Productions erschienen.

Tracklist NOÊTA – Elm:

01. Dawn Falls
02. As I Fall Silent
03. Disillusion
04. Above And Below
05. Fade
06. As We Are Gone
07. Elm
08. Elm (II)

Weblinks NOÊTA:

Facebook: https://www.facebook.com/noetaofficial
Bandcamp: https://noeta.bandcamp.com/

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