Ashley Dayour (WHISPERS IN THE SHADOW) im Interview: “David Bowie fehlt mir sehr”

MELTING SOUNDS FESTIVAL - Essen, Zeche Carl (25.03.2017)
Whispers In The Shadow, © Michael Gamon
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Whispers In The Shadow meldeten sich kürzlich mit einer neuen Platte zurück. Yesterday Is Forever heißt die neueste Schöpfung der Psychedelic-Wave-Rocker aus Österreich. Sven Erichsen plauderte zu diesem Anlass mit Sänger Ashley Dayour über das Album, Einflüsse, Wunschträume und Pläne.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Zum Einstieg: Mögt ihr den Lesern, die Euch noch nicht kennen, einmal die Band vorstellen, wie Eure Musikkarriere begonnen hatte und wie ihr auf Eure musikalische Ausrichtung gekommen seid?
25 Jahre sind es nun schon. Das ist eine sehr lange Zeit, in der eine Menge passiert ist. Ich mag hier eigentlich nicht die Bandgeschichte ausrollen, dazu gibt es ja genug Infos anderswo. Unsere Ausrichtung, die sich über die Jahre immer wieder gewandelt hat, ergab sich natürlich erstmal ganz von selbst. Wir haben als Teenager angefangen, die Musik zu machen, die uns eben gefallen hat. Da gab es keinen großen Masterplan. Wir hatten dann ganz am Anfang ein Riesenglück, sehr, sehr schnell eine Plattenfirma zu finden. Ein Jahr, nachdem wir begonnen haben, kam ja schon unser Debüt Laudanum raus. Und ehe man es sich versieht, sind 25 Jahre vergangen und man hat einige Stil- und Line-Up-Wechsel hinter sich und sein zehntes Album veröffentlicht. Wie konnte das passieren? Ich weiß es nicht.

Bitte erklärt den Lesern einmal das Konzept Eures neuen Albums Yesterday is Forever – welche Ideen stecken dahinter, wieviel Arbeitszeit habt ihr in die Produktion investiert und wie lief der Arbeitsprozess ab?
Das Album ist, obwohl es sicher Themen gibt, die sich wiederholen, kein klassisches Konzept-Album. Nostalgie ist allerdings eines der Hauptthemen und das keinesfalls nur positiv betrachtet. Wenn man immer nur zurückschaut, wird es irgendwann keine Progression mehr geben und ich stehe dem anhaltenden 80er-Revival – so sehr ich vieles aus dieser Zeit auch mag – durchaus mit Skepsis gegenüber. Das dauert ja nun schon länger als die 80er selbst. Es gibt aber auch andere Themen wie etwa das toxische Verhalten großer Teile unserer Gesellschaft (Toxic Express), oder auch spirituelle und persönlichere Tracks wie The I In The Void und Walk On The Mirror. Einige Texte wurden in einem Stream Of Consciousness geschrieben, das heißt, ich schrieb einfach auf, was mir in den Sinn kam, ohne darauf zu achten, was das nun genau bedeutet. The Horror und Straight & Narrow sind zum Beispiel so entstanden. Ich will aber gar nicht zu sehr auf die Texte eingehen, jeder ist eingeladen, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Es gibt ja genügend Hinweise in den Lyrics. Die Songs schreibe ich in meinem Homestudio. Erst dann kommt die Band hinzu und wir gehen zum eigentlichen Recording in ein Aufnahmestudio. Der gesamte Prozess – vom Songwriting bis zum fertigen Album – hat von September 2019 bis Juli 2020 gedauert. Die reine Studioarbeit mit Aufnahmen und Mixen, wofür unser Keyboarder Martin „Acid“ Gutmann verantwortlich ist, hat davon etwas mehr als zwei Monate in Anspruch genommen. Das Songwriting selbst dauert am längsten. Ich werfe viel weg und es dauert oft, bis ich die richtige Richtung gefunden habe.

Wer gestaltete das Cover/Artwork?
Dieses Mal war dafür Billy Phobia aus Madrid verantwortlich. Ich habe ihm dazu schon sehr früh Demo-Versionen der Songs geschickt, damit er sich inspirieren lässt. Das hat ganz wunderbar funktioniert. Ich kannte ihn schon länger, da er die T-Shirts meines anderen Projekts The Devil & The Universe gestaltet hat. Das Cover bildet, so denke ich, eine wunderbare Einheit mit den Songs, was die Stimmung angeht.

Welche Instrumente und welche Programme (DAWs) werden bei Euch auf der neuen Platte verwendet?
Die Frage müsste fast lauten “Welche nicht?”. Das ginge schneller. Eine große Rolle spielte diesmal eine Fender Villager 12- Saiter, der Sound dieser Akustikgitarre zieht sich durch viele Songs und ist auch etwas Neues im bandeigenen Kosmos. Allerdings fügt er sich sehr gut ein und wirkt nicht wie ein Fremdkörper. Ansonsten alles, was man an Effekten, Gitarren, Keyboards etc. in unserem Arsenal so finden kann. Fender Jazzmaster, Fender Precision Bass, auch ein Fender Bass VI (Gitarren Bass) kam zum Einsatz. Lazy Schulz, unser Gitarrist, hat damit sämtliche Melodiegitarren gedoppelt. Dazu unzählige Effekte von Electro Harmonix bis Boss und darüber hinaus. Streicher wurden eingesetzt. Ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht mehr so genau daran erinnern, was wo wie verwendet wurde. Das Album ist ja ein ziemliches Kaleidoskop, auch was die Instrumentierung angeht. Nur bei den Amps waren wir puristisch, den einzigen, den wir verwendet haben, war der für unsere Musik prädestinierte Roland Jazz Chorus 120. Zu DAWs: Ich selber verwende Cubase, aber im Studio wars Logic.

WHISPERS IN THE SHADOW - Adrift - official video

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Welche musikalischen Einflüsse und Vorbilder gibt es, was sind Eure Alltime-Favoriten im Plattenregal?
David Bowie. Ich glaube, darauf können sich alle in der Band einigen. Von ihm habe ich nicht nur musikalisch viel gelernt, sondern auch, was es bedeutet, immer neugierig zu bleiben, sich und sein Publikum herauszufordern und nicht stehenzubleiben. Er fehlt nicht nur mir sehr. Ich halte es für enorm wichtig, dass man als Musiker neugierig bleibt, was andere Musik oder Kunst ganz allgemein angeht, das muss jetzt nicht zwangsläufig immer der gleiche Musikstil sein. Letzten Sommer habe ich mich etwas eingehender in die Welt der arabischen Sufi-Musik begeben. Ich bin auch großer Klassik-Fan, Gustav Mahler ist mein Fave. All diese Musik muss jetzt nicht zwangsläufig einen offensichtlichen Einfluss auf das eigene Schaffen haben, aber man lernt, Ideen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Für die Kreativität ist es sehr förderlich, einen Blick über den eigenen Tellerrand zu riskieren. Allerdings spielt nicht nur Musik eine Rolle bei den Einflüssen, gerade bei diesem Album muss ich den Regisseur Werner Herzog erwähnen. Seine Art von Kreativität und wie er damit umgeht, hatte einen großen Einfluss auf mich beim Schreiben der Songs.

Mit welchen Künstlern aus der aktuellen Szene versteht Ihr Euch am besten und mit welchen würdet ihr gerne mal zusammenspielen und wo (WGT?) spielt ihr am liebsten?
Festivals sind sicherlich immer eine Bereicherung, weil man dort ein Publikum erreicht, das man sonst eben nicht hat. Gerade beim WGT, wo auch Fans aus Übersee dabei sind, ist es immer eine Freude. Ansonsten sind wir eher zurückgezogen. Ich weiß auch gar nicht so recht, was es aktuell so gibt, da meine musikalischen Präferenzen eher in anderen Musik-Bereichen liegen. Aber Namen, die mir einfallen und Musiker, mit denen wir auch einen freundschaftlichen Umgang pflegen, sind sicherlich Box & The Twins und Matt Howden bzw. sein One-Man-Project Sieben.

Wie sieht es mit Videos aus? Ist es noch wichtig, Clips (z.B. Forever 1985) zu den Tracks für z.b. Youtube, FB und andere Kanäle zu produzieren?
Natürlich, wenn man Reichweite haben will. Und natürlich auch künstlerisch. Einen Song optisch passend umzusetzen, gehört zu den interessantesten Bereichen bei einem Album. Edie Calie, die für alle Videos zuständig ist, passt mit ihrer spontan kreativen Art und ihrem Ideenreichtum auch wunderbar zu unserer Arbeitsweise. Für das neue Album gab es 3 Clips: Forever 1985, Walk On The Mirror und Adrift. „Walk On The Mirror“ mit seiner psychedelischen und etwas abgehobenen, grotesken Grundstimmung halte ich für unser bestes Video bisher.

WHISPERS IN THE SHADOW - Walk On The Mirror - Official Video

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Da ich ein Fan vom guten alten Vinyl bin: Wie steht Ihr zur gerade wiederauflebenden Vinylkultur – oder ist die Zukunft wirklich das digitale Streaming, Bandcamp und Co.?
Es wird dieses Jahr die allererste Vinyl-Veröffentlichung der Band geben, rechtzeitig zum 25er. Was das genau wird, will ich aber noch nicht verraten. Vinyl scheint immer wichtiger zu werden, ja. Aber die meisten Menschen erreicht man mit Streaming. So viele Leute wie im Moment haben uns wohl noch nie gehört. Allerdings ist die Vergütung halt ein Problem. Darum sollte jedem Musik-Liebhaber klar sein: Wenn du willst, dass deine Lieblingsbands was bekommen, dann kauft euch die Platte, CD oder ein Shirt oder geht zu Gigs. Ich selbst kaufe mir tatsächlich noch Alben, weil ich mir bewusst bin, dass Musik einen Wert hat und haben soll. Damit beweise ich auch meinen Respekt gegenüber dem Künstler. Ich muss auch sagen, glücklicherweise haben wir eine sehr treue Fanbase.

Was mich immer wieder begeistert hat, sind sogenannte “Nebenprojekte” von Künstlern. Ist sowas wichtig, um sich hier künstlerisch “auszuprobieren” (wie bei “Music for Rituals”)?
Für mich machen andere Projekte nur Sinn, wenn die musikalische Reise tatsächlich woanders hingeht. So wie ich das auch mit The Devil & The Universe mache. Die beiden Projekte sind ja sehr unterschiedlich, nicht nur, was die Musik angeht, sondern die gesamte musikalische und künstlerische Ausrichtung. Mit Whispers In The Shadow stehen uns allerdings so viele Wege offen, das nächste Album kann genauso gut ein synthlastiges Album werden oder eines mit heavy Gitarren. Da ist vieles möglich. Daher brauche ich auch nicht zig weitere Projekte, um mich auszutoben. „Music For Rituals“, weil du es erwähnst, war ein recht kurzlebiges Projekt und sowas wie der Vorläufer von eben The Devil & The Universe.

Zum Schluss: Was können wir noch von Euch in 2021 erwarten, Konzerte gehen wohl erst ab Herbst / Winter?
Schwer zu sagen, ob es dieses Jahr noch Konzerte geben wird. Ich hoffe es natürlich. Wir hätten ein paar wirklich tolle Shows gebucht. Unter anderem beim New Waves Day mit einem fantastischen Line-Up (siehe Artikel unten). Wir haben auch eine 25-Jahre-Jubiläumsshow bei einem renommierten Festival geplant. Mal sehen, was kommt, zurzeit ist es schwierig, zu planen. Ansonsten steht wie gesagt eine sehr spezielle 25-Jahre-Veröffentlichung an. Auch mit The Devil & The Universe wird es ein neues Album geben. Und ein neues Projekt habe ich auch noch in der Schublade. Mir wird nicht langweilig werden im nächsten Lockdown.

Monkeypress präsentiert: NEW WAVES DAY 2021

Weblinks WHISPERS IN THE SHADOW

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Homepage:  www.whispersintheshadow.com
Instagram: www.instagram.com/whispersintheshadow

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