Herbst. Die Jahreszeit der trübgrauen Himmel, Regengüsse und zunehmender Farblosigkeit der Natur. Die Stimmung bei vielen ist entsprechend gedrückt, vom „Herbstblues“, „Herbstdepression“ oder „Herbstmelancholie“ ist die Rede. Und Culk? Treffen mit ihrem zweiten Album Zerstreuen über Euch genau den Nerv. Denn „melancholisch“ ist vermutlich genau das Attribut, dass den meisten Menschen einfallen dürfte, wenn sie die Platte hören.
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Sophie Löw, Johannes Blindhofer, Benjamin Steiger und Christoph Kuhn stehen klanglich zwischen reduziertem Post-Punk und Shoegaze. Da denkt man naturgemäß direkt an Acts wie Joy Division, Slowdive, The Cure oder My Bloody Valentine. Von Epigonentum ist das Wiener Quartett aber weit entfernt, was vor allem an zwei Punkten festzumachen ist. Da wäre zum einen die auffällige Stimme von Sophie Löw, vielleicht irgendwo zwischen 2Raum-Inga und Helden-Judith zu verordnen.
Und: Die Texte. Die attackieren gerne das Patriarchat. Besonders auffällig beim zweiten Song Nacht, der wohl am ehesten als Single taugen würde, wenn Culk auf große Single-Hits schielen würden (was sie offenbar nicht tun). Das Stück handelt von Ängsten, denen sich Frauen beim Spazierengehen in der Dunkelheit oft ausgesetzt sehen: Hinter Zeilen wie „Straßen und Schuhe wechseln. So tun, als würde ich mit jemandem sprechen. Strenger Blick und schneller Gang. Schau mich nicht an“ steckt eine klare Message. Wie auch im ebenfalls recht eingängigen Helle Kammer: „Er sagt, er sagt an, er schreit: „Das ist gut, das gefällt mir! Und Frauen fragen viel zu laut: „Was ist gut, was gefällt dir?“
Das kommt alles sehr dringlich rüber, wie auch der Rest der Platte. Schnittige Gitarren, dröhnende verzerrte Sounds. Immer wieder kreieren Culk atmosphärische und düstere Soundwände, die irgendwann in sich zusammenfallen. Perfekt ist das zum Beispiel im Song Dichterin zu hören, bei dem man sich die zurzeit so schmerzlich vermissten Clubkonzerte auf der Stelle zurückwünscht. Schummriges Licht, Löws Stimme und dann die verhallte Lärmattacke – das sind in normalen Zeiten ganz große Live-Momente. Ähnlich aufgebaut, sich aber dann in einem lupenreinen Post-Punk-Inferno entladend, ist der vorletzte Song Ruinen. Da würde so manch verstorbenem Genre-Pionier beim Hören sicher ein Grinsen übers Gesicht huschen (Hallo Ian!).
Nach nur etwas mehr als einer halben Stunde ist dieser so düstere, melancholische, komplexe wie intensive Spaß leider schon wieder vorbei. Fazit: Das hier ist DIE Platte für den Herbst. Und Culk sind zweifellos ein Act, dem WGT- wie Haldern-Pop-Gänger eine Chance geben sollten.
Tracklist CULK – Zerstreuen über Euch
01. Leuchten und Erleuchten
02. Nacht
03. Jahre später
04. Dichterin
05. Helle Kammer
06. Starrsinn und Wahnsinn
07. Deine Rahmung
08. Ruinen
09. Bronzeguss