M.A.S.S. Extinction ist das Album für 2020 und wird auch das Album der 20er Jahre sein.
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Ich gebe jetzt mal eine ganz zaghafte Prognose ab: Covid-19 wird nicht das Ende der Menschheit sein, obwohl es sich für einige momentan so anfühlen mag. Und weil ich mich grad ein wenig warm gelaufen habe im Orakeln: Nein, der kleine, gar winzige Shutdown hat unseren Planeten nicht zum aufatmen gebracht, allen Delfinen in den Kanälen von Venedig zum Trotz. Wir verbrennen schon wieder, auch wenn die Vorboten der nächsten bevorstehenden Dürre derzeit nur Randnotizen in der täglichen Berichterstattung sind. Und obwohl Covid-19 zusätzlich die Welt zu lähmen scheint, werden wir auch dieses Mal von alldem nichts davon abbekommen, als einen angestrengten Sonnenbrand, weil wir am obersten Ende der global-kapitalistischen Nahrungskette sabbern. Deswegen fühlt es sich auch grad so gut an, ein Held zu sein. Ist es so leicht zu Hause zu bleiben, weil wir doch Bambus-Zahnbürsten haben und sicher irgendjemand ganz schnell noch irgendetwas anderes Nachhaltiges erfinden wird.
What if, one day, forebonding turns into reality? What if no “reboot manuals” were available for such an event?
Diese Fragen stellen sich Near Earth Orbit seit 2015 und konfrontieren uns mit dystopischen Weltuntergangsszenarien, deren Ursprung nicht allein unserer Fantasie entsprungen ist. Sie erscheinen fantastisch glaubhaft, utopisch greifbar und empirisch zwingend. In der Gegenwart sichtbar und in der Vergangenheit verwurzelt, werfen sie ihre Vorboten in eine ganz junge Zukunft. Unausweichlich, denn das Datum steht bereits fest: Es ist der 16. März 2034. In jedem Szenario. Und nicht nur darin offenbart sich die Genialität des ganzen Projektes.
Die Mütter und Väter dieses Datums, seine Propheten und Prophetinnen sind die Naturwissenschaftler:innen und Philosoph:innen, Politiker:innen und Soziolog:innen, Poet:innen, Musiker:innen und Filmemacher:innen unserer Zeit – visionäre Köpfe, geachtet und bewundert, belächelt. Sie zerbrachen und zerbrechen zum Teil an dem, was sie (voraus-)sahen. Es sind die Sternenwanderer, und Apokalyptiker, die Bladerunner und Neuromancer, die Naturschützer:innen und Humanist:innen.
Bei END OF ALL EXISTENCE (2015) machten uns Meteoriten und einfallenden Alienhorden den Garaus. A.T.O.M. (2017) konfrontierte uns mit den Folgen eines global nuklearen Schlages. Und schließlich und greifbar und hyperrealistisch illustrierten Near Eart Orbit, was nach der Singularität kommt, wenn künstliche Intelligenzen den Menschen überflüssig machen (Artificial Intelligence 2019). Bei all diesen Szenarien waren Artaud Seth, Jawa Seth und Ashley Dayour die Untergangsbegleiter und die lieferten den cineastischen, visionären Soundtrack zwischen Post-Goth und finsterem Ambient.
M.A.S.S. Extinction ist nun der Abschnitt im Weltuntergangszyklus, der am zwingensten ist. Denn wir erleben ihn grad am eigenen Leib, beim Blick aus dem Fenster, beim Blick ins World Wide Web, an jedem Tag. Wir müssen nicht auf die Außerirdischen warten, nicht auf die nukleare Vernichtung und nicht auf I.R.I.S. – Wir haben es selber versaut. Und wir sind blöde genug das selbst jetzt noch zu leugnen nur, um nichts weiter tun zu müssen. Oder wir warten, bis uns jemand eine brillante innovative Lösung präsentiert, die aber nicht ein Quantum von bisherigen Pfaden abweicht.
Population Overload und Moon Rush erzählen von diesen beiden Phänomenen, denen wir im Moment ausgesetzt sind. Es sind die Vorboten vom Ende des Anthropozäns. Es sind harsche Songs mit harschen Worten, sägenden Gitarren, treibenden Basslinien und Drums. Sirenen ertönen, die Katastrophe wird heraus geschrieen, während andernorts die Geschäfte emsig weiterlaufen. Wir haben uns verrannt. Ein Ökotopia, wie es Ernest Callenbach in seinem 1975 erschienen Roman beschreibt, ist nicht mehr möglich. Ecotopia bleibt sodann auch eine sechsminütige, weit fließende, kaskadenhafte, leicht wehmütige Song-Vision – von der Pionier-Idee zum längst vergessenen Traum. Vielleicht irgendwann, irgendwo, aber nicht mehr hier. Die Klimakatastrophe setzt sich unaufhaltsam fort, fatalistische Bässe begleiten uns dabei, atmosphärisches Dröhnen drückt uns zu Boden. Ein Zurück-zur-Natur bedeutet, sich mit unserem eigenen Aussterben abzufinden (Global Warming). Danach: Chaos (Critical Mass) – ein großartiges, dystopisches Post-Goth Stück – unser Abgang wird kein schöner sein. Danach: Stille (The End Of Nature). Danach: ein Requiem. Antropocence ist ein zartes, hallendes Klavierstück und der wahrscheinlich ausdrucksstärksten Stimme, mit der Artaud Seth jemals gesungen hat. Es endet mit dem einsamen, elenden Menschen, der viele Fragen hat. “See, this here … is us.”
Ein fantastischer Song, aber nicht der Höhepunkt auf M.A.S.S. Extinction. In zwölf Minuten erzählen uns Near Earth Orbit, wie es weitergehen wird, nach der Katastrophe. Interstellar ist die fantastische, musikalische Geschichte von Aufbruch und neuen Ufern, einer neuen Zukunft, die wie immer bei Near Earth Orbit nur außerhalb unseres Planten liegen kann. In verschiedenen Episoden fließen spacige Elemente mit einer außerordentlichen Bass-Arbeit, atmosphärischen Samplings und kosmischen Gitarrenriffs zusammen.
Mankind was born on earth, it was never meant to die here. (Christopher Nolan)
M.A.S.S. Extinction ist ein großartiges Album!
Es erscheint am 24. April bei Solar Lodge Records.
Das Album gibt es im CD-Format einzeln und als Teil verschiedener Bundles. Im earth eclipse pack und im supermassive pack gibt es die Vorgängeralben A.T.O.M. und END OF ALL EXISTENCE in komplett überarbeiteten Versionen. Teil beider Bundle ist weiterhin eine Booklet, das die Inhalte der vier “Weltuntergangs-Alben” – globale Erwärmung, künstliche Intelligenz, Atomkrieg und außerirdische Vernichtung – zusammenfasst. Beide Bundles sind streng limitiert und erfahrungsgemäß sehr schnell vergriffen.
Tracklist NEAR EARTH ORBIT – M.A.S.S. Extinction:
01. Population Overload
02. Moon Rush
03. Ecotopia
04. Global Warming
05. Critical Mass
06. End Of Nature
07. Anthropocene Ends
08. Interstellar
Weblinks NEAR Earth Orbit:
Official: http://www.nearearthorbit.org
Facebook: https://www.facebook.com/NearEarthOrbit
Bandcamp: https://nearearthorbit.bandcamp.com
Instagram: https://www.instagram.com/nearearthorbit
Label: https://solarlodge.de