Drei Gigs innerhalb von 48 Stunden – dann war sie auch schon wieder vorbei, die kurze Deutschland-Tour von Apoptygma Berzerk. Klar ist, dass Stephan Groth & Co. ein rundum positives Fazit ziehen können: Volles Haus in Hannover, ausverkauftes Haus in Dresden, fast ausverkauftes Haus in Köln. Drei Mal durfte kräftig gefeiert werden, erstmal durften sich die Fans aber gleich zwei Vorbands widmen.
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Den Anfang machten Vile Electrodes. Anais Neon und Martin Swan musizieren seit zehn Jahren, haben bereits drei Alben veröffentlicht, sind aber zumindest in Deutschland nur Eingeweihten bekannt. Ob sich das nach dieser Tour ändern wird? Stimmlich überzeugt die extravagant gekleidete Sängerin auf jeden Fall, der Midtempo-Electropop vermag aber wohl zum Beispiel von CD nachts auf der Autobahn eher zu überzeugen als auf der Bühne. Das Duo versteckt sich über 30 Minuten hinter den Reglern und Knöpfen, so richtig mitreißend kam der Auftritt bei aller Qualität der Songs nicht rüber. So war auch nicht mehr drin als Höflichkeitsapplaus.
Das sollte sich rund 25 Minuten später ändern. Natürlich sind The Invincible Spirit gerade in Deutschland absoluter Szene-Kult. Mit Tanzboden-Schrubbern wie Provoke You, Make A Device und allen voran Push! machte sich das Projekt Mitte der 80er-Jahre einen Namen. Nach einer längeren Pause kehrten TIS vor vier Jahren mit dem Album Anyway zurück – dessen Titeltrack eröffnete das mit nur sieben Songs viel zu kurze Set. Klar, Show gibt’s hier nicht, Anja Vorel steht hinter der Maschine, Thomas Lüdke läuft die Bühne auf und ab und singt – aber es knallt vorzüglich, nicht nur bei Push!. Unter lautem Applaus verabschiedete sich das Duo mit einer Coverversion von Joy Divisions Ballade Atmosphere.
Halbe Stunde Umbaupause, dann kamen die – in Bezug auf ihre Setlists – ewig unberechenbaren Apoptygma Berzerk. So langsam könnte man im Vorfeld der Auftritte der Norweger doch wirklich mal Setlist-Bingo spielen. Getreu der Frage: Welche Asse aus der nun mehr als 25-jährigen Bandgeschichte, die ewig nicht gespielt wurden, holt Stephan Groth diesmal aus dem Ärmel?
Treffer Nummer eins bei dieser Tour: Weight Of The World. Der Opener der 2009er-Rocket-Science-Tour fand nach fast zehn Jahren zurück ins Set – endlich. Das Publikum erinnerte sich anscheinend trotzdem noch an die Lyrics, direkt von Beginn an wurde vor allem in den vorderen Reihen lautstark mitgesungen. Komplett neu dabei waren erwartungsgemäß die beiden neuen, sehr synthiepoppgien Atom & Eve und A Battle For The Crown von der im September erscheinenden Nein Danke-EP.
Vielseitigkeit ist die große Stärke von Apop
Nach einem Dreier-Block vom 1996er-Album 7, bei dem kräftigst getanzt und gefeiert wurde, ging es weiter mit zwei raren Köstlichkeiten. Insbesondere das düster-schleppende Stitch vom Debüt Soli Deo Gloria setzte einen starken Kontrastpunkt zur vorherigen Partystimmung. Ein Moment, in dem man nochmal mit Nachdruck merkte, wie vielseitig das musikalische Werk von Stephan Groth ist. Nach der B-Seite Dead Air Einz kam dann das wohl umstrittendste Lied der Bandgeschichte. Komischerweise scheinen sich aber mittlerweile alle, egal ob Alt-Fans oder Nicht-ganz-so-Alt-Fans auf Shi-Shi-Shi-Shine On einigen zu können, anders ist der Mitgröl-Chor zum The-House-Of-Love-Cover wohl nicht zu erklären. Gänsehaut kurz darauf bei Nearer, bei dem Keyboarder Jonas Groth mal wieder zeigte, was für eine wunderbare Stimme er hat. Manch einer mag sogar behaupten, er sänge besser als sein Bruder …
Für große Diskussionen war aber keine Zeit, schließlich folgte mit dem Fairlight-Children-Cover Before You Came Along direkt die nächste Überraschung. Einige unverzichtbare Standards später gab es mit Fade To Black, Bitch und dem abschließenden Backdraft noch drei vollelektronische Highlights.
Vor letzterem nahm sich Stephan Groth noch ein wenig Zeit zum Plaudern. Er erzählte aus seiner Jugend, wie er in den 80ern einen Plattenladen betrat – eigentlich auf der Suche nach einer Depeche-Mode-LP. Was er letztlich kaufte, war allerdings Current News, das Debütalbum von The Invincible Spirit. Fasziniert von den Sounds begann Groth mit dem Musikmachen. So war es für ihn eine große Ehre, dass sich TIS-Mastermind Thomas Lüdke dem Stück Backdraft für die kürzlich veröffentlichte Remix-Platte SDGXXV annahm. Und wie schon beim E-Tropolis im März performten beide die Dark-Wave-Perle aus dem Jahr 1993 zusammen. Der bestmögliche Abschluss für ein von vorne bis hinten gelungenes Konzert.
Setlist APOPTYGMA BERZERK @ Köln, Essigfabrik (17.08.2019)
01. Weight Of The World
02. Unicorn
03. In This Together
04. Atom & Eve
05. Love Never Dies
06. Deep Red
07. Non-Stop Violence
08. Stitch
09. Dead Air Einz
10. Shine On
11. Asleep Or Awake
12. Nearer
13. Before You Came Along
14. A Battle For The Crown
15. Kathy’s Song
16. Eclipse (Ok Minus Rmx)
17. Shadow
18. Until The End Of The World
19. Starsign (Z)
20. Fade To Black (Z)
21. Bitch (Z, Substaat Rmx)
22. Backdraft (Z, The Invincible Spirit Rmx)
Die Livefotos stammen vom Auftritt in Hannover: © Alf Urbschat
Weblinks APOPTYGMA BERZERK
Facebook: https://www.facebook.com/ApoptygmaBerzerk
Homepage: http://www.theapboffice.com/
Bandcamp: https://pitchblackdrive.bandcamp.com/