“Deutscher Pop mit Herz und Hirn”
„Mein Name ist Ludwig, König der Sonne. Ich bringe den Champagner, baden wir in Wonne.
Mein Name ist Cäsar, Veni Vidi Wein. Lass die Spiele starten, schenk die Gläser ein.
Mein Name ist Napoleon, sexy französisch Blut. Ich kriege wie ich will, alle stehen auf meinen Hut.
Mein Name ist Kleopatra, Herrscherin vom Nil. Jedes gute Fest braucht eine Schönheit mit Stil.“
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Wenn ein Album mit solchen Textzeilen startet, weiß man: Da stehen Künstler hinter, die etwas anders machen wollen. Fernab von Sound und Texten irgendwelcher „neuer deutscher Pop-Poeten“, fernab von Schlager, fernab irgendwelcher tausendfach gehörter ach so „tiefgründiger“ Gefühlsduseleien. Gut, ganz ohne schlagereske Momente geht es bei Tüsn auch nicht – aber das Berliner Trio um Stefan „Snöt“ Daniel Kokavecz und Tomas Golabski setzt diese auf seinem zweiten Album Trendelburg nur sehr wohldosiert ein.
Aufhorchen ließen Tüsn vor rund drei Jahren mit ihrem Debütalbum Schuld und vor allem der unverschämt eingängigen Hit-Single Schwarzmarkt. Die LP hatte hier und da noch einige Längen (lies: lyrisch wie musikalisch schwächere Momente) – die findet man auf Trendelburg (übrigens Snöts nordhessischer Heimatort) erfreulicherweise kaum noch. Klar ist: Wer mit der Vortragsart des Sängers nichts anfangen kann, wird auch hier nicht glücklich. Denn weiterhin kotzt Snöt regelrecht Pathos, wenn er nur den Mund aufmacht. Das findet der eine unerträglich aufgeblasen, der andere jubiliert hingegen über die Einzigartigkeit der Stimme.
Und auf Trendelburg auch über die Vielzahl der Details, um die Tüsn ihr Soundbild ergänzt haben. Klar, manch ein Song sofort erinnert an die Stücke auf Schuld – so gibt die Piano-Ballade Noch mehr beispielsweise einen perfekten Nachfolger für Humboldt ab – aber die Weiterentwicklung ist unbestreitbar. Recht sperrig, fast schon im verzweifelt-melancholisch-poppigen Soundgewand jüngerer Linkin-Park-Veröffentlichungen kommt Kranke Heile Welt daher, die österreichischen Senkrechtstarter Bilderbuch könnten hingegen als Inspirationsquelle für das schwer Club-Hit-taugliche Schwarzer Lambada gedient haben. Dröhnende Synthies erklingen in der ersten, eindeutig sozialkritischen, Single Made In Germany und treiben den Song jeweils nach den Refrains ordentlich an. Von einem flotten, fast nach Swing klingenden Groove profitiert Küsn – so klingt Musik für Leute zwischen 15 und 25, die in der Indie-Disco oder auf dem Open-Air-Festival Spaß haben – die T-Shirt-Spruch-würdige Refrainzeile „Komm trau dich raus aus deiner Haut. Ich will dich küssen – willst du das auch?“ tut ihr Übriges.
Aber auch Leute mit Vorliebe für die dunkleren Stücke, mit denen Tüsn schon auf Schwarze-Szene-Festivals begeistern konnten, kommen auf ihre Kosten. Herausragend das programmatisch betitelte Melanchotherapie mit einem sensationellen Refrain. Der Song würde auch als Lagerfeuer-Akustikballade funktionieren, kommt auf dezentem Synth-Pop-Rockigem Unterbau aber einfach richtig gut. Vielleicht „der“ Hit des Albums.
Ganz zum Schluss ziehen Tüsn das letzte Ass aus dem Ärmel. Letzter Tag liefert alles, was der Fan braucht: Treibende Drums, flirrende Synthies, punktgenaues Gitarrenspiel, Ohrwurm-Chorus und ein traurig-verängstigter Text über verlorene Liebe.
Fazit: Wer Schuld mochte, müsste Trendelburg eigentlich lieben. Tüsn machen auf ihrem zweiten Album alles besser als auf dem ohnehin schon solide guten Debüt und liefern intelligentere Texte, mutige musikalische Einflüsse, tollere Refrains – und das alles, ohne Gefahr zu laufen, die Fangemeinde mit dem Ergebnis zu verschrecken.
Tracklist TÜSN – Trendelburg
01. Trendelburg
02. Zweifel
03. Melanchotherapie
04. Kranke Heile Welt
05. Scheitern
06. Schwarzer Lambada
07. Made In Germany
08. Küsn
09. Schlaflose Inkubation
10. Noch mehr
11. Letzter Tag
Trendelburg ist via SoulFood Music erschienen.
Alle Tourdaten der Trendelburg-Tour findet Ihr hier.
Weblinks TÜSN
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