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ROME – Hall Of Thatch

ROME - Hall Of Thatch

Der lange Weg zu sich selbst.

Diesen Weg ist Jérôme Reuter angetreten und er hat sich dabei für die schwierigste Form von Selbstfindung entschieden. Denn für ihn es gibt keine höheren Instanzen, die er anzapfen könnte. Alles muss vom ihm selbst, aus ihm selbst kommen. Das allein scheint schon schwer. Doch am Anfang dieses Prozesses steht das, was am schwierigsten ist. Denn am Anfang muss man sich erst einmal von allem befreien, leer machen, muss alles loslassen, sich reinigen. Denn zuviel hat man über die Jahrzehnte an Ideen, Antworten, Ballast, Grübeleien, Ekel und Hoffnungen gesammelt, eingeimpft bekommen oder selbst internalisiert (Blighter, Hawker). Erschreckend, was man dabei alles findet und wie hartnäckig sich das alles an einen klammert.

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Von diesem ersten Kapitel handelt das Album. Wer mit der Diskographie von Rome vertraut ist, dem wird sofort klar, dass Hall Of Thatch damit eine Zäsur darstellt. So nah hat uns Jérôme Reuter noch nie an sich heran gelassen. Auf den zehn vorangegangenen Alben nahm der Sänger immer eher die Rolle des melancholischen Troubadours ein. Hier vertrat er aus angemessener Distanz die Positionen dunkler, gestrauchelter und gescheiterter Außenseiter aus Geschichte und Literatur und machte sie für seine Hörer zu Identifikationsfiguren. Dazu nutzte er stets einen hochintellektuellen, philosophischen, wie literarischen Überbau und bediente sich einer stark verklausulierten Sprache.

Die Sprache behält er auch auf Hall Of Thatch bei, vom Überbau hat er sich getrennt. Hier beginnt wirklich etwas Neues. Botschaften bekommt man bei Rome jedoch nach wie vor nicht auf dem Silbertablett serviert. Im Gegenteil, es wird alles eher noch viel schwerer und tiefer. Noch deutlicher, weil direkter, ist der Bruch jedoch zu hören. Hall Of Thatch ist rau, unmittelbar und naturalistisch. Da ist nichts mehr in Jérôme Reuters Stimme, dass an die distanzierte, erzählerische Sanftheit vorheriger Alben erinnert. Auf Hall Of Thatch liegt sie nackt und bloß vor uns, wie aufgekratzter Schorf. Selbst in Momenten schreiensten Zynismus erscheint sie noch verletzlich. Über weite Strecken erinnert Reuters Gesang an Leonard Cohens nachdenkliche, beinahe wölfisch-fatalistische Interpretationen seiner Songs Of Love And Hate (z. B. Hunter, Slaver, Hawker). Nur ein kleiner Vergleich, welcher Grad an Reife und … nun ja geschundene und ungeschönte Selbstsezierung den Songs auf Hall Of Thatch innewohnt.

Für den Hörer ist das nicht immer leicht, manchmal vielleicht sogar ein wenig erschreckend und verstörend, trotzdem aber unwiderstehlich und lehrreich. So ein Album hört man nicht mal eben zwischendurch oder so nebenbei. Je nach Veranlagung, kann man die Grenzen nachfühlen, die der Künstler für sich bereit war auszuloten. Songs wie Martyr, der an den bekannten Rome Songs etwa so nah dran ist, wie der Pluto an der Sonne, lassen einen nach dem ersten Hören erst einmal ratlos zurück. Und Songs wie Nurser, Slaver oder Hawker erscheinen auch nur im ersten Moment wie klassische Rome-Stücke. Doch solche Schablonen aufzulegen, führen bei Hall Of Thatch nicht weiter. Hunter rief bei mir beinahe verängstigende Gefühle wach, so dass Clemency am Ende von Hall Of Thatch erst einmal nur scheinbare Versöhnung brachte.

Es wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern, Romes neues Album in Gänze zu erschließen, falls das überhaupt möglich sein sollte. Die Arbeit daran dauerte immerhin auch Jahre, in denen es Jérôme Reuter während seiner Tourneen immer wieder ins südvietnamesische Hinterland zog. Buddhistische Gesänge und Gebete fanden als Audio-Dokumente ihren Weg auf das Album, als Soundtrack dieser Reise, deren Zeuge wir auch auf den kommenden Veröffentlichungen sein werden.

Soviel ist jedoch bis jetzt selbst mir klar geworden: es ist seine Reise. Jérôme Reuter möchte auf Hall Of Thatch weder Missionar, noch Schmerzensmann sein, dem man nachfolgen soll. Denn die grundlegenden Antworten auf die grundlegenden Fragen, sind immer immanent. Sein neues Album indes ist brillant.

Hall Of Thatch erscheint am 19.01.2018 bei Trisol Music Group.

Tracklist ROME – Hall Of Thatch:

01. Blighter
02. Nurser
03. Hunter
04. Slaver
05. Martyr
06. Hawker
07. Prayer
08. Keeper
09. Clemency

Weblinks ROME:

Official: http://rome.lu/
Facebook: https://www.facebook.com/romeproject/

 

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