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Interview: ANDY JULIA (SOROR DOLOROSA)

FOTOS: PROPHECY FEST 2017 - Bands Freitag (28.07.2017)

Andy Julia ist nicht nur Kopf und Sänger der französischen Goth-Rock Band Soro Dolorosa, die mit Apollo im September ein fulminates Come-Back bei Prophecy Productions hingelegt haben. Was viele nicht wissen dürften, Andy Julia ist darüber hinaus ein geschätzter und überaus gefragter Fotograf. So hat er neben Promotion-Bildern von Bands wie Derniere Volonte, Alcest und Les Discrests auch High-Fashion und Architektur fotografiert. Ein Besuch auf der Seite des Künstlers lohnt sich da allemal. Mit uns sprach Andy Julia aber über Symbolismus, das Prophecy Fest, das dieses Jahr in die dritte Runde ging, musikalische Kooperationen und Freundschaften und vor allem über Soror Dolorosa und ihr vorläufiges Magnum Opus Apollo.

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Ich hatte das Glück, Euch auf dem Prophecy Fest dieses Jahr in Balve zu sehen. Eurer Konzert dort war das erste seit zwei Jahren und ihr Jungs ward wie entfesselt auf der Bühne. Wie war es für Euch nach so langer Zeit wieder auf der Bühne zu stehen, obendrein mit neuem Material im Gepäck?

Wir hatten eine großartige Zeit auf dem Prophecy Fest, in jeder Hinsicht. Es war ein Vergnügen, an so einem außergewöhnlichen Ort zu spielen. Ja, es gab bei uns eine Auszeit bei Konzerten, weil wir sehr viel Zeit im Studio für die Aufnahmen und die Produktion von Apollo verbracht haben. Wir haben es vorgezogen, unsere ganze Energie und Aufmerksamkeit auf die Qualität des Albums zu fokussieren. Nach dieser langen Zeit wird es einige Änderungen geben und dann werden wir im Frühjahr wieder auf der Bühne stehen. Für den Moment werden wir einige Video-Clips veröffentlichen und unsere Energie darauf verwenden, das Universum von Apollo, soweit es geht, weiter zu entwickeln.

Die Songs auf Apollo sind viel ambitionierter als unsere älteren Sachen und das verlangt auch nach sehr viel Arbeit, um sie für die Bühne vorzubereiten. Ein paar Songs haben wir schon auf dem Prophecy Fest gebracht. Ich muss sagen, dass es eine riesige Freude war, sie im riesigen Raum der Balver Höhle nachhallen zu hören. Das wenige, das ich jetzt schon sagen kann, ist, dass die kommenden Konzerte von Soror Dolorosa ebenfalls eine deutliche Entwicklung zeigen werden. Ich denke, wenn du deine Musik im Studio weiterentwickelst, musst du auch die Performance entwickeln, um die Entwicklung auf der Bühne auch zu zeigen. Ich denke, das ist der interessanteste Teil daran, wenn man auch eine Live-Band ist.

Das Konzert in Balve war auch Euer Debüt als Band bei Prophecy Productions. Wie hat Euch das Fest gefallen?

Das Prophecy Fest war fantastisch. Ich selbst konnte kurz bei den Auftritten von Glerakur, Sun Of The Sleepless, Noêta, Arcturus und Dool reinschauen. Ich habe jetzt zwar nur ein paar rausgegriffen. Aber jede Band, die dort gespielt hat, hatte ihren ganz eigenen Ausdruck. Das machte die Auswahl des Line-Ups in verschiedener Hinsicht sehr interessant. Es war ein sehr intimes und entspanntes Festival, so wie ich es eigentlich bevorzuge, denn du kannst die Bands wirklich genießen und hast so die Möglichkeit, Leute zu treffen und angenehme Momente zu verbringen.

Ich habe auch wirklich die Ruhe in Balve selbst genossen, in einem bequemen Hotel zu schlafen, die After-Show Partys mit guten Freunden zu besuchen und die ganze Nacht Musik zu hören und darüber zu diskutieren. Ich hoffe, das nächste Prophecy Fest wird wieder genau dort stattfinden. Ich würde, wenn ich die Möglichkeit habe, sofort wiederkommen, auch um ein anderes Line-Up zu sehen. Denn ich weiß, dass im Moment sehr viele interessante Bands bei Prophecy unterschreiben und ich bin sicher, dass auch das nächste Line-up vollkommen nach meinem Geschmack sein wird.

Ich habe Eure Bandvorstellung auf der Label-Seite gelesen und erfahren, dass eine Reihe von Kooperationen und Freundschaften zwischen Euch und den anderen Bands auf dem Label existieren (z. B. Alcest, Les Discrets, Lantlôs). Hängt das vorrangig mit Deiner Arbeit als Fotograph zusammen oder gibt es da noch weitere künstlerische Berührungspunkte?

Neige von Alcest ist einer meiner besten Freunde und unsere Zusammenarbeit startete selbstverständlich über das Bildmaterial und das eigentlich seitdem er mit seinem Projekt gestartet ist. Ich erinnere mich an die Zeit, als wir auch zusammen Musik gespielt haben und zu dieser Zeit hat mich Neige gebeten, die Drums zu übernehmen. Wir haben dann ein paar Mal geprobt, bevor er Souvenir D’un Autre Monde produziert hat. Dort hat er ja alles alleine eingespielt. Danach hat er sich auf die Suche nach einem Schlagzeuger gemacht, aber ich hatte zu der Zeit zu viel mit meiner Foto-Karriere und Soror Dolorosa zu tun. Aber wie die meisten wissen, hat er ja mit Winterhalter den besten Drummer gefunden, den man sich überhaupt vorstellen kann!

Aber, um auf die Alcest-Bilder zurückzukommen: bei deren Entstehungsprozess haben wir uns fast wortlos verstanden. Ich denke, unsere Vorstellungen lagen da sehr dicht beieinander. Das ist eine großartige Sache, wenn du als Künstler in einem Team an einem Projekt arbeitest. Ganz ähnlich war es auch bei Les Discrets. Da habe ich ja alle Band-Bilder gemacht und die Zusammenarbeit war immer großartig. Ich denke, wir verstehen einander und deswegen funktioniert das jedes Mal sehr gut während der Fotoaufnahmen.

Hat diese Zusammenarbeit Dich letztendlich zu Prophecy Productions geführt?

Nein, nicht erst damit, denn ich habe Prophecy Production bereits 1996 kennengelernt, als Empyrium A Wintersunset veröffentlicht haben. Tatsächlich war das die erste CD, die ich mir selbst gekauft habe und ich habe sie bestimmt hunderte Male gehört. Ich habe mich immer schon für die Musik von Empyrium interessiert. Aber es stimmt schon, die Arbeit mit Alcest und Les Discrets hat mich dem Label noch nähergebracht und ich denke, das beruht auf Gegenseitigkeit. Das Ding ist, und das finde ich wirklich interessant, dass es dort tatsächlich das künstlerische Ziel ist, uns zur Zusammenarbeit zu motivieren und das macht es für mich aus.

Der Bandname Soror Dolorosa stammt von einer der Figuren aus Georges Rodenbachs Roman Das tote Brügge. Der Roman zeigt einige sehr starke Charakteristiken vom Symbolismus des späten 19. Jahrhunderts, der als Gegenentwurf zum damals vorherrschenden Realismus und Naturalismus entworfen wurde. In welcher Weise beeinflusst diese Kunstströmung und ihre Epoche Eure Arbeit?

Symbolismus ist der letzte Atemzug der Tiefe und des Geheimnisvollen, bevor das Maschinenzeitalter alles dominierte. Es ist eine sehr spannende Kunstströmung, die es uns ermöglicht, uns vollständig selbst wahrnehmen. Eigentlich haben wir uns diese Frage nie gestellt … Das kam von ganz allein beim Betrachten der herausragenden Arbeiten von Ferdinand Khnopff, Jean Delville, Carlos Schwabe oder Koloman Moser. Ich denke, wir fühlen uns mit diesen Künstlern auf irgendeine Art verbunden, wir verfolgen ein ähnliches Ziel, nur eben in der Gesellschaft von heute. Ich denke, jeder Mensch, der die Welt intensiver, tiefer und geheimnisvoller gestalten möchte, als es uns der Alltagsverstand vorgibt, ist mehr oder weniger mit Symbolismus verbunden. Er ist das letzte Fenster, das zum Absoluten geöffnet ist. Er wird immer ein Teil von Soror Dolorosa sein, von der Geburt bis zur Asche.

Vor kurzem kam Euer neues Album Apollo raus. Soweit ich für mich selbst und die meisten der Reviews sprechen kann, die ich in letzter Zeit gelesen habe, ist es einfach nur fantastisch. Ihr habt vier Jahre an Apollo gearbeitet. Ich kann mir vorstellen, das kreative Prozesse, die so viel Zeit binden auf der einen Seite ein Album reifen lassen. Aber andererseits können von Zeit zu Zeit auch Momente der Frustration auftauchen, während des ganzen Prozesses. Möchtest Du uns etwas über den Entstehungsprozess zu Apollo sagen? 

Apollo ist mit einem spirituellen Suche vergleichbar und mit einer langen Wanderung durch die Wüste. Vier Jahre lang an einem Album zu arbeiten, ist sehr lang in der heutigen Zeit, wo die Leute ständig die Unterhaltung durch sozialen Netzwerk und so erwarten. Jeder Schritt, jeder kleine Erfolg fühlte sich wie ein nie enden wollender Pfad an. Und ganz genau während dieser Zeit, wenn du das Gefühl hast, dass du nur Mist machst und alles ganz furchtbar wird, kannst du den Teil ermessen, der von dir selbst in dem Album steckt.

Ich denke, Apollo ist ein vielseitiges Album, das sehr gut ausdrückt, wie wir uns gefühlt haben, während wir daran gearbeitet haben. Ich denke ein gutes Album ist eins, bei dem du die Stimmung der Musiker fühlen kannst, während du es dir anhörst. Es ist wie etwas Wahres, Authentisches, wie bei einem guten Gemälde. Ich hoffe, dass es sich auch für Dich so anfühlt.

Apollo zeigt ein paar sehr eindrückliche Einflüsse aus dem Post-Rock, Shoegaze und sogar Ambient-Elemente. Ihr habt diese Elemente eingefügt, um gewissen Stimmungen einzufangen und eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen. Wie wichtig ist es für Euch, bei Eurer Arbeit Genre-Grenzen zu überqueren? Würdest Du mir zustimmen, dass diese künstlerische Freiheit – über die restriktiven Genre-Grenzen zu blicken –  essentiell ist für die Weiterentwicklung als Künstler und ihre oder seine Arbeit?

Wir sind große Fans von Slowdive, Ulver und Dead Can Dance! Ich meine, es ist völlig normal, dass diese ganzen Einflüsse auch auf die Texturen unserer aktuellen Songs wirken. Die Hauptsache, wenn du deinen Stil weiterentwickeln möchtest, ist, neue Methoden einzubeziehen und aufgeschlossen gegenüber den Bands zu sein, die du dir anhörst, während du selbst deine Musik machst. Ich denke, diese Mischung aus unterschiedlichen Subgenres ist der Sound von Soror Dolorosa auf Apollo, aber das muss er möglicherweise auf dem nächsten Album schon nicht mehr sein. Wer weiß schon, was wir bis dahin vielleicht noch entdecken werden? Ich persönlich hasse es, gelangweilt zu sein. Ich will mich nicht wiederholen und bevorzuge es eher, mich konsequent weiterzuentwickeln. Das ist eins der besten Dinge am Künstlerleben: Du fühlst, was du tust, ohne zu hinterfragen.

Auf der anderen Seite erzählt Euer spezifischer Sound auch einiges über eure Wurzeln. Ich habe auf Apollo auch Songs gehört, die die eine oder andere Ikone des Goth-Rocks neidisch machen würde. Wie sehr seid Ihr noch von diesen Ikonen beeinflusst? Wie wichtig sind sie für Eure Arbeit als Musiker?

Die Goth-Rock Ikonen werden für immer in meinem Herzen sein und meiner Musiksammlung! Aber ich will nicht irgendwo bei dem Zeug von vor 20 oder 30 Jahren hängenbleiben. Alles, was ich weiß ist, dass ich nicht will, dass mir irgendjemand erzählt, was ich tun soll. Ich möchte frei sein beim Komponieren und Musik machen. Wenn ich Musik mache, muss ich mich nur um eins kümmern, nämlich ob sie gut oder schlecht ist. Ich höre mir die Meister mit ihren besten Songs an und bekomme Gänsehaut, oder nicht. Und wenn ich Gänsehaut bekomme, dann ist das gut so und das reicht mir dann auch. Es gibt für mich keinerlei Grund mehr, mich zu vergleichen.

Kannst Du noch was über eine bevorstehende Tour mit Apollo sagen?

Wann genau wir soweit sind, auf die Bühne zu gehen, und ja, wir werden touren, kann ich im Moment noch nicht sagen. Das einzige, und das sicher ist, wir warten auf einen guten Moment, um das Maximum an Qualität für unser Publikum zu geben.

Vielen Dank für Deine Zeit und das interessante Interview!

Weblinks ANDY JULIA (Fotografie):

Official: http://www.andyjulia.com/
Facebook: https://www.facebook.com/andyjulia/

Weblinks SOROR DOLOROSA:

Official: https://sorordolorosa.bandcamp.com/
Facebook: https://www.facebook.com/sorordolorosaofficial/

Fotos: Andy Julia
Quelle: Apollo Promotion (Prophecy Productions) 

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