Der zweite Festivaltag in Göttingen fing mit weniger guten Nachrichten an. Die finnische Sängerin Alma musste krankheitsbedingt ihren für den Nachmittag geplanten Auftritt absagen. Ticketinhaber konnten sie entweder zurückgegeben oder gegen ein noch nicht ausverkauftes Konzert tauschen. Immerhin war das Wetter wieder etwas genesen, so dass sich auch mehr Besucher auf den Albaniplatz einfanden, als noch am Donnerstag.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Mystische Atmosphäre am späten Nachmittag
Wir haben uns an diesem Tag für drei Konzerte entschieden. Erster Stopp: wieder Stadthalle. Hier treten keine Geringeren als The XX am noch helllichten Nachmittag auf. Auch hier kann sicherlich keine Rede mehr von Newcomer sein. Sie sind längst über den Geheimtipp für alle Indie-Liebhaber hinaus. Neu ist aber ihr lang ersehntes drittes Album I See You, das sie Anfang des Jahres herausbrachten. Hiervon haben sie natürlich einige Stücke mitgebracht. Zu Beginn gibt es aber mit Intro und Crystalised zwei Songs ihres Debütalbums XX. Letzterer war ihre erste Single und 2009 der Durchbruch der Band. Direkt von Beginn an zieht die Band die Zuschauer mit ihrer geheimnisvollen Aura in ihren Bann. Die mystische Atmosphäre wird zu Beginn nur noch dadurch unterbrochen, dass die Ordner die Türen des Saals erst verspätet schließen und das Tageslicht von draußen hereindrängt. Das zumindest hat mich ziemlich gestört.
Das Konzert hat alles, was das Herz begehrt: tanzbare Nummern wie Shelter oder die aktuelle Single On Hold, ebenso wie sehr ruhige Momente beim Song Performance. Diesen singt Gitarristin Romy Madley Croft solo und gibt zu, dass ihr das immer wieder Angst einflößt. Mit Zerbrechlichkeit in ihrer Stimme ist der Song für mich persönlich das Highlight des ganzen Konzerts. Bassist Oliver Sim freut sich hingegen über die Nähe zu den Zuschauern. Denn anders, als bei der sonst so gewohnten Locationgröße, trennt sie hier kein riesiger Bühnengraben. Mit ihrem bisher größten Song Angels geht eine an Understatement kaum zu schlagende Performance zu Ende. Ich habe selten eine Band gesehen, die mit dem was sie macht und zeigt mehr im mit sich im Reinen zu sein scheint als das britische Trio.
Quirlig aufgedreht ohne Wurzeln
Nach The XX müssen wir uns beeilen, um es rechtzeitig zu Alice Merton in das Junge Theater zu schaffen. No Roots war ihre erste Single, die zur Zeit in allen Radiostationen aus dem Programm nicht wegzudenken ist. Der Titel des Songs ist quasi die Hymne ihres eigenen Lebens. Geboren ist sie in Frankfurt, aufgewachsen in Kanada und Großbritannien. Danach hat sie immer mal wieder die Wohnorte gewechselt, bis sie jetzt in Berlin angekommen ist. Dass es da schwer fällt seine Wurzeln zu definieren, ist wenig überraschend. Mit Hit The Ground Running steht schon die nächste Single in den Startlöchern. Der Song ist auch der Auftakt des Abends.
In der Setlist finden sich viele Songs, die zum Tanzen einladen, was sich auch Alice selbst zu Herzen nimmt und oft quirlig aufgedreht auf der Bühne umher hüpft. Ihre unglaublich ansteckende Art überträgt sich schnell auf das Publikum. Sie versorgt das Publikum immer mal wieder mit der persönlichen Geschichte hinter dem Song. Warum das unbedingt auf Englisch sein muss, wo sie auch einwandfrei Deutsch spricht, bleibt ihr Geheimnis. In jedem Song zeigt sich ihre Stimmgewalt. Da darf man sich schon sehr auf ihr bald erscheinendes Debutalbum freuen. Von ihr wird man in Zukunft noch einiges hören, da bin ich mir sicher.
Bevor es für uns zum letzten Konzert ging, hatten wir etwas Luft. Auf der City Stage gab es das Konzert von Joseph J. Jones, kurz auch JJJ. Der Brite verfügt über eine unglaublich tiefe, raue und einprägsame Soulstimme. Mit Gospel Truth ist gerade auf dem besten Weg, sich in den Köpfen der Menschen festzusetzen. Im Deutschen Theater tritt eine Stunde später Zak Abel auf. Dieser gab bereits am Nachmittag eine kleine Kostprobe auf der City Stage. Mit seiner Musik zeigt er eine gelungene Mischung aus Soul,Pop, R&B und Electronic. Danach lässt das Deutschpop Trio Lupid den Albaniplatz nochmal ordentlich feiern.
Merchverkäufer-Suche via Facebook
Das letzte Konzert des Tages führte uns erneut in die Stadthalle. Die amerikanische Band Welshly Arms um Säger Sam Getz gab sich die Ehre. Ihre Heimat liegt in Cleveland im Bundesstaat Ohio. Diese Wurzeln bleiben sie auch in ihrer Musik treu. Blueslastiger, handgemachter und ehrlicher Rock ist ihre Handschrift. Bekannt geworden sind sie durch die Single Legendary, die man nicht nur im Radio rauf und runter hörte, sondern auch in Film und Fernsehen gefeatured wurde. Der riesige Erfolg hatte zur Folge, dass die Band von vier auf sechs Mitglieder gewachsen ist. Zwei zusätzliche Backroundsänger geben dem Sound noch mehr Breite und Tiefe, als ohnehin schon vorhanden ist. Zudem bringen die beiden mit ihrer witzigen Mimik und Gestik auch unheimlich Spaß auf die Bühne.
Witzig war auch der Facebook Aufruf vor der Show. So suchte die Band noch eine freiwillige Person, die für sie in Göttingen Merch verkaufte. Als Dank gab es Abhängen mit der Band vor der Show. Ob der Aufruf erfolgreich war ist allerdings nicht übermittelt. Die Band fühlte sich sichtlich wohl und war schwer von der Bühne zu bekommen. Mit ihren hervorragenden Live-Qualitäten schaffen sie es vielleicht selbst irgendwann in die in ihrer Heimat stehende Rock And Roll Of Fame.