MELTING SOUNDS FESTIVAL – Essen, Zeche Carl (25.03.2017)

MELTING SOUNDS FESTIVAL - Essen, Zeche Carl (25.03.2017)
The Convent, © Michael Gamon
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Begeben wir uns auf ein kleines Experiment: Man gehe als Schreiber auf ein Festival, bei welchem man mit fast keiner der auftretenden Bands vorher echte Berührpunkte hatte, geschweige denn ein Album von ihnen besitzt. Einfach mal unvoreingenommen mitreißen lassen und schauen, ob man die Location vielleicht mit der ein oder anderen neuen CD verlässt.

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Soviel vorne weg: Das Experiment ist durchaus geglückt. Der Veranstalter des kleinen, sympathischen Melting Sounds Festivals, welches insgesamt zum dritten Mal stattfand, bewies beim Booking Geschmackssicherheit. Ein internationales, musikalisch schwarz-buntes Programm erwartete einige hundert Besucher in der Zeche Carl im Essener Norden. Den Anfang machten mit etwas Verspätung The Foreign Resort aus Dänemark. Das Kopenhagener Trio hat sich dichtem, wavigen und treibenden Post-Punk verschrieben. Zappelige Drums, dominant wabernde Bässe und die klagende Stimme von Sänger Mikkel B. Jakobsen ließen nicht selten Erinnerungen an Bands wie die White Lies oder The Chameleons aufkommen. Gut, dass das Songmaterial mit diesen prominenten Referenzen dem ersten Eindruck nach mithalten kann. Überzeugend vor allem der “Instant-Ohrwurm” Dead End Roads und der kompromisslose Uptempo-Rausschmeißer Dark White, beide vom noch aktuellen 2014er-Album New Frontiers. Ein toller Opening Act, lediglich der Gesang hätte ein wenig mehr Lautstärke vertragen können. Augen offen halten: The Foreign Resort haben bereits einige vereinzelte Deutschland-Konzerte für den Sommer gebucht.

Härtere Gitarrenklänge erfüllten nach der folgenden Umbaupause den sich immer besser füllenden Raum. Whispers In The Shadow haben in ihren etwas über 20 Jahren Bandgeschichte schon so manches Genre gestreift. Post-Punk, Gothic-Rock, Psychedelic, Prog oder eine Mischung von alledem – Sänger Ashley Dayour und seine Mitstreiter schreiben Abwechslung offenbar nicht nur in der heimischen Sprache groß. Die Publikumsinteraktion wurde beim ersten Auftritt im Jahr 2017 gen Null gefahren, stattdessen lag die volle Konzentration auf der Musik. Und die schepperte ordentlich. Teilweise mit knalliger Trommelunterstützung, dann wieder mit etwas mehr Keyboard, dann mal wieder ein dickes Riff – das Quintett lieferte einen kurzweiligen, überzeugenden Auftritt.

Es folgte der nächste durchaus radikale Stilwechsel. Das niederländisch/deutsche New Wave-Urgestein The Convent machte sich in den letzten Jahren recht rar auf (deutschen) Bühnen, nach einer von Monkeypress.de präsentierten Tour zum 30-jährigen Jubiläum im vergangenen Herbst gab es allerdings jetzt nochmal einen Nachschlag im nicht so weit entfernten Ruhrgebiet. Einige Zuschauer schienen extra wegen der dritten Band des Abends nach Essen gereist zu sein, nicht selten wurden zwischen den meist recht langen Stücken Songwünsche reingerufen. Diese wurden von der Band um Sänger Carlo van Putten (Dead Guitars), der offensichtlich einen großen Spaß daran hatte, möglichst ausdrucksstark für die Fotografen zu posieren, zum Teil auch erfüllt. Vor allem Winning und She sorgten für Jubel bei den Edelfans. Insgesamt lieferten The Convent einen musikalisch einwandfreien und gleichzeitig auch den vielleicht ruhigsten Auftritt des Abends ab.

Gut fürs Trommelfell, denn im Anschluss wurde es umso lauter. Und vor allem dunkel. Sehr dunkel. Wer sich bei The Sisters Of Mercy-Konzerten immer darüber beschwert, dass “man ja nichts sehen könne” – haltet euch bloß von Cold Cave fern. Dunkler geht’s nimmer. Was insbesondere für den Verfasser dieser Zeilen ein kleiner Schock war, hat dieser doch einige grobe Erinnerungen an den Support-Slot des kalifornischen Synthwave-Projekts bei den Nine Inch Nails auf deren 2014er-Europa-Tournee. Und da spielten Cold Cave noch bei blauem Himmel, strahlendem Sonnenschein und 26 Grad Celsius auf der Bühne der Zitadelle Spandau in Berlin. Wesley Eisolds “Baby” hat seitdem auch keine neuen Veröffentlichungen auf den Markt gebracht,  entsprechend gab es den bewährten Mix aus melodiösem Synthie-Pop und knalligem Electro-Industrial vor einem extrem spartanischen Video-Hintergrund. Soviel sei gesagt: In einer derartigen schummrigen Umgebung funktioniert solch eine Musik deutlich besser. Richtig ausgelassen wollte die Stimmung im Publikumsbereich trotz der hochgradig tanzbaren Sounds allerdings nicht werden, im Kontext des Festivals wirkten Cold Cave einen Tag vor dem Ende ihrer Deutschland-Tournee eher wie ein Fremdkörper.

Vier Bands aus vier Ländern in etwas über vier Stunden. Somit wurde es gegen kurz vor halb Zwölf endgültig Zeit für ein richtiges “Heimspiel”. Teile von The Fair Sex hätten den Weg zur Zeche Carl eigentlich zu Fuß oder mit dem Drahtesel zurücklegen können, stammt die Underground-Ikone doch direkt aus der “Grünen Hauptstadt Europas 2017”. Ähnlich wie die Routiniers von The Convent hat sich der Electro-Wave-Rock-Act in jüngerer Vergangenheit eher rar auf Bühnen gemacht, über viele Jahre lag die 1984 gegründete Band dabei komplett auf Eis. An diesem Samstagabend gab es aber ausgiebig Gelegenheit, nicht nur zu Klassikern wie No Excuse zu feiern.  Songs aus verschiedenen Schaffensphasen, treibende Beats, Sequenzen und Riffs, dazu Jungs ausdrucksstarke und dominante Stimme – ein würdiger Headliner, der die Zuschauer bis circa 1 Uhr bestens unterhielt und dass, obwohl Stammgitarrist Lawrence wegen Windpocken ausfiel. Der wurde in Essen von Lotus Feeds Marten den Umständen entsprechend hervorragend vertreten.

Fazit: Es bleibt zu hoffen, dass es die Veranstalter auch in den nächsten Jahren schaffen, im industriell-charmanten Ambiente der Zeche Carl ein attraktives Programmpaket zu schnüren, welches einen weiten Bogen um den sonstigen Szene-Festival-Einheitsbrei macht. Die Marke “Melting Sounds” dürften durch die musikalisch hochwertige dritte Ausgabe jedenfalls weiter gestärkt worden sein, die überwiegend starke Akustik tat dabei ihr Übrigens. Weiter so!

2018 wird das Festival übrigens am 31. März stattfinden! Alle Infos dazu findet Ihr auf der Facebookseite des Festivals.

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