“Die innere Zerrissenheit ist das zentrale Motiv.”
Düster, dunkel und desolat – diese drei Wörter beschreiben ziemlich genau den ersten Eindruck vom neuen Heisskalt-Album Vom Wissen und Wollen. Auch beim zweiten Hören ändert sich dieser Anschein nicht, doch das zweite Album der Stuttgarter braucht mehr als nur einen oder zwei Durchläufe, um seine vollkommene Dimension zu entfalten. Da schwingt Mut mit, Dinge zu ändern und Wut über die eigene Unzufriedenheit. Heisskalt bauen in den zwölf Songs eine Brücke zwischen den Kontrasten, die so weit voneinander entfernt liegen wie ihr Bandname es andeutet.
Das Debütalbum Vom Stehen und Fallen war bereits von dunklen Schatten umzogen, doch siegte in den meisten Fällen der Mut, etwas ändern zu können. Das spiegelte sich zum einen in Zeilen wie „Will sagen bevor noch jemand hinfällt. Passt bitte aufeinander auf in dieser Scheißwelt“ und in den poppig-punkigen Melodien wieder. Die Zuversicht auf Besserung ist verschwunden. Deutlich wird dies vor allem musikalisch. Heisskalt haben sich von geraden Mainstream-Melodien entfernt. Verzerrte, schammelige Gitarren haben das Ruder übernommen. Ebenso wirre, ungelenke und dramatische Melodieführungen. Es wurde experimentiert – angekommen ist die Band kurz vorm Post-Hardcore. Die schnelle, rockige, vorab veröffentlichte Single Euphoria, die als Opener der Platte fungiert, ist nicht stellvertretend für den bedrückenden Sound, der sich durch die restliche Platte zieht.
Textlich legen Heisskalt den Finger direkt in die (eigene) blutige Wunde. Der Zweifel scheint in jeder Pore zu stecken, eine Flucht ist schier unmöglich, denn „der Zweifel beherrscht uns“. Die innere Zerrissenheit ist das zentrale Motiv, welches das zweite Album von Heisskalt dominiert. In lautmalerischen Gewändern wird dieses Gefühl abgebildet, die jede Facette davon verdeutlichen. In den Texten von Sänger Mathias Bloech reicht es nicht, nur zwischen den tonnenschweren Zeilen zu lesen. Wie bei einer Zwiebel muss Schicht für Schicht abgezogen werden, um den Kern klar und deutlich vor sich zu sehen. Das ist mühsam und zeitaufwändig. Wem das zu viel Aufwand ist, ist zu empfehlen: Lied über Nichts – ein weiterer Song im Stile von Schatz, bekannt von der EP Mit Liebe gebraut.
Heisskalt sind mit ihrem zweiten Album Vom Wissen und Wollen wie ein Stein im Schuh: unbequem. Sie graben weiter in der Tiefe, dort wo alles dunkel ist und kein Licht hinfällt, denn sie wollen wissen, ob es wirklich keinen Ort ohne Zweifel gibt. Jeder Song dieser Platte ist unberechenbar, denn alle kommen an den Punkt, an dem sie mit der Brachialität einer Lawine über einen hereinbrechen. Doch aufgeben ist keine Option für die vier Stuttgarter, denn sie haben gelernt, „was uns nicht umbringt macht uns stärker, was uns nicht umbringt lässt die Möglichkeit es selbst zu tun“.
Tracklist HEISSKALT – Vom Wissen und Wollen
01. Euphoria
02. Absorder
03. Nacht ein
04. Hab Angst
05. Apnoe
06. Trauriger Macht
07. Von Allem
08. Doch
09. Nichts Weh
10. Lied über Nichts
11. Tanz, Tanz
12. Papierlunge