Ellie Goulding ist derzeit eine der Konsenserscheinungen in der Popmusik. Wer sie kennt, der mag sie entweder, oder, was vielleicht noch wichtiger ist, lehnt sie zumindest nicht ab. Nicht so sexualisiert wie Miley Cyrus oder Rihanna, nicht so schwermütig wie Adele, nicht so perfekt wie Taylor Swift und nicht so speziell wie Lady Gaga, liegt sie irgendwo dazwischen und damit auch genau richtig. Diese Nische hat ihr immerhin erfolgreiche Auftritte zum Beispiel auf dem renommierten Glastonbury 2014 gesichert. Und so hätte es mich eigentlich nicht überraschen dürfen, dass in Oberhausen die König-Pilsener-Arena gebucht wurde, die immerhin ein Fassungsvermögen von knapp 12.000 bietet. Und viele freie Plätze konnte ich auch nicht ausmachen…
Sicher mit Rücksicht auf das recht junge Publikum hatte der Veranstalter sich entschieden, den Einlass auf 17.30 Uhr zu legen, so dass um 19 Uhr bereits der Support in Person von Sara Hartman auf der Bühne stand. Sara Hartman ist eine junge Amerikanerin die momentan in Berlin lebt und sehr gefälligen Pop spielt. Sara hatte 40 Minuten, das Publikum von ihrer Musik zu überzeugen und das funktionierte an diesem Abend in Oberhausen auch recht gut. Mit viel Spielfreude und guter Laune, einem sehr ordentlichen Sound und angenehmen, netten Songs schaffte es die junge Frau, das Publikum nicht nur nicht zu langweilen, sondern durchaus gut zu unterhalten. Eine gute Gelegenheit für das junge Publikum, schon mal das rhythmische Kopfnicken und Hüftwackeln zu üben. (https://www.facebook.com/sarahartmanmusic)
Jetzt begann also das Warten auf Ellie Goulding, die für 20 Uhr angekündigt war. Ich hatte also ein paar Minuten, mir das Publikum anzuschauen. Wie schon erwähnt, ein Großteil des Publikums bestand aus jungen Mädels, begleitet von ihren Freunden, zum Teil auch ihren Eltern. Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich hier um eine Folgeerscheinung des bereits eingangs erwähnten Massenappeals handelt. Die Ticketpreise waren human, Ellie Goulding mag man, da geht man auch gerne mit seiner Freundin, seiner Tochter, seinen Kindern hin. Als der erste Vorhang fiel und ein weiterer Vorhang, diesmal mit Ellies Bild enthüllt wurde, ertönte der erste Jubel im Publikum und die Smartphones kamen zum Einsatz. Ungelogen, in der Reihe vor mir wurde der Vorhang nicht nur fotografiert, sondern gefilmt. Man muss schon sehr zynisch sein, um diese Begeisterung als albern wahrzunehmen. Ich hatte mich aber dazu entschlossen, den Abend zu genießen und empfand diesen jugendlichen Enthusiasmus als eher charmant. Genau das soll Popmusik doch schaffen, Freude schaffen, Begeisterung wecken, gute Laune machen.
Ebenso pünktlich wie die Vorband begann dann auch die Hauptattraktion des Abends. Um 20 Uhr fiel der nächste Vorhang. Verhüllt von zwei goldenen Schleiern die von der Saaldecke hingen, untermalt von einem Intro, fuhr eine Hebebühne aus dem Bühnenboden, auf welcher dann die gute Ellie ins Rampenlicht gehoben wurde. Eigentlich ein wenig seltsam, eine Show mit Aftertaste zu beginnen, aber hey, Popmusik darf auch Ironie. Außerdem war ich wohl der Einzige im Saal, dem das seltsam erschien, gefühlt hatte das komplette restliche Publikum das Smartphone in der Hand und ein großes Grinsen im Gesicht. Was für eine Stimmung… Ok, die oder der Deutsche an sich ist nicht unbedingt die oder der Lockerste, wenn es darum geht, in Konzerten zu tanzen. Klatschen, rufen, Arm in die Luft, Hüftwackeln, Kopfnicken und sogar Hüpfen, das bekommen wir besser hin.
Unterstützt von vier Tänzern, einer ebenfalls vierköpfigen Band und drei Background-Sängerinnen geht es mit Holding on for life und Goodness Gracious weiter, bevor mit Something in the way you move und Outside die ersten wirklichen Höhepunkte geboten werden. Man erkannte die Höhepunkte übrigens recht gut am lauten Kreischen des begeisterungsfähigen Publikums und am vermehrten Smartphone-Einsatz. Mit Devotion ging es daraufhin in die erste kurze (verdiente) Pause für Ellie, ein Video übernahm und so war Gelegenheit für einen Wechsel des Outfits. Keep on dancin gab das Motto für den nächsten Block an Songs vor, es wurde bunt und die Tänzer durften wieder unterstützend mitwirken. Eine kurze Tanznummer gab Ellie Goulding erneut die Gelegenheit, sich in ein weißes Brautkleid zu schmeißen und sich dem Publikum anzunähern. Die halbrunde Bühne hatte in der Front einen kurzen Laufsteg, auf dem sie sich zu ihrer „Armee“ begeben konnte. Und so war es dann natürlich Explosions, My Blood und eben Army, die in intimer Nähe zum Publikum geboten wurden. Von meinem Sitzplatz aus betrachtet, sah es so aus, als würde Ellie im Publikum schweben, ein schönes, passendes, Bild, das diesen Teil des Konzerts sehr gut beschreibt.
Die jungen Damen in der Reihe vor mir waren inzwischen dazu übergegangen, die Musik auf ihren Smartphones zu löschen, um mehr Platz für weitere Videos zu schaffen. So wurde Miley und Violetta entsorgt, damit mehr Ellie mit nach Hause genommen werde konnte.
Es folgte der obligatorische akustische Teil des Abends, natürlich mit Lights, meinem persönlichen Höhepunkt, bevor es dann mit Lost & Found in den letzten Part des regulären Sets ging. Ein erneuter Wechsel des Outfits, jetzt wurde noch mal Energie eingefordert, bevor das Konzert mit I need your love und natürlich Burn seinen nächsten Höhepunkt und halt auch das vorläufige Ende erreichte.
Aber kein Ellie Goulding Konzert ohne Love me like you do, dem Hit aus Fifty Shades of Grey und damit hatte dann auch die Lautstärke des Kreischens einen neuen Rekord erreicht… Megakreisch!
Vor dem Konzert hatte mir eine Freundin viel Spaß gewünscht und dabei unter anderem Ellie Goulding als so „unglaublich authentisch“ beschrieben. Es ist schwer, bei einem Konzert dieser Größenordnung Authentizität zu bieten und es wäre geradezu dumm, bei einem Konzert dieser Größenordnung diese Authentizität auch zu erwarten. Dafür wäre dann wohl auch die Produktion und ebenso die Erwartungshaltung der Zuschauer zu groß. Die paar Worte, die Ellie Goulding an diesem Abend an das Oberhausener Publikum richtete waren höflich, zurückhaltend und nett. Laut eigener Aussage kämpfe die Arme mit einer Erkältung und wollte sich ihre Stimme für die Songs bewahren. Fair enough… Bei allem, was ich im Vorfeld über Ellie Goulding gelesen hatte, bei den Videos, die ich mir angeschaut hatte, kam mir aber immer ein Gedanke, wow, sympathisch. Und genau das durfte ich auch in Oberhausen erleben… Eine sympathische Künstlerin, die ihrem Publikum einen tollen Abend bereiten wollte und dabei auch noch Spaß hatte.
Für viele Zuschauer war dieser Abend mit Ellie Goulding sicher eins der ersten, wenn nicht sogar das erste richtige Konzert. Die Wahl hätte sicher schlechter ausfallen könnte. Eine Floskel wie „ein großer Spaß für Jung und Alt“ könnte nicht ehrlicher gemeint sein. Glückliche und zufriedene Besucher überall sprachen da eine eindeutige Sprache. Ellie Goulding hat sich ihre Stellung als Konsenserscheinung mehr als verdient.
Setlist ELLIE GOULDING – Oberhausen, König-Pilsener-Arena (26.02.2016):
01. Intro (Delirium)
02. Aftertaste
03. Holding on for Life
04. Goodness Gracious
05. Something in the Way You Move
06. Outside (Calvin Harris)
07. Around U
08. Devotion
09. I Do What I Love
10. Keep on Dancin’
11. Don’t Need Nobody
12. Heal (Tänzer)
13. Explosions
14. My Blood
15. Army
16. Lights (Akustik)
17. Lost and Found (Akustik)
18. Figure 8
19. On My Mind
20. Codes
21. Don’t Panic
22. We Can’t Move to This
23. I Need Your Love (Calvin Harris)
24. Burn
25. Anything Could Happen (Z)
26. Love Me Like You Do (Z)
Fotos: Markus Hillgärtner