Denn ja, das aktuelle Album finde ich bisher so „naja“. War die letzte Platte The North in meinen Ohren die schwächste Stars Platte für immer, toppt das aktuelle Album diese Ansage nochmal. Hörte ich auf The North mit dem famosen The 400 wenigstens einen Hit, so blieb mir dieses Gefühl beim wochenendlichen Hören der aktuellen Platte gänzlich versagt. Mein erster Durchlauf verpuffte im nichts, ich bemerkte noch nicht mal das Ende der CD. Stille ist genauso gut oder schlecht wie eine Stars Platte? Um Himmels Willen, das darf und kann nicht sein. Als ich dies erschrocken feststellte, folgte direkt im Anschluss ein zweiter Durchlauf. Aber auch dieser endete ohne Hängenbleiber. Mmhh, sollte es wirklich so sein, dass die Kanadier nun endgültig durch sind? Ich möchte das nicht glauben und ich will es so auch nicht sehen, sind Amy Millan und Torquil Campbell doch eines der schillerndsten und skurrilsten Gesangspaare der Indieszene und gehören Stars doch in den Kreis der besten Bands der Welt.
Ihnen bei der Arbeit zuzusehen ist immer ein großer Spaß, auch wenn ich als Zuschauer nie so richtig einschätzen kann, ob sich die beiden gerade nur annerven oder sich wohl fühlen in der Umgebung des jeweils anderen. Nach bisher jedem Konzert fragten wir uns das. Einhellig blieb die Meinung nach dem letzten Brüssel Auftritt der Stars, der uns irgendwie merkwürdig anmutete. Wir mutmaßten, dass es der letzte Auftritt gewesen sei, den wir von den Stars gesehen hatten. Viel gaben wir damals nicht mehr auf die Stars. Das war 2012 und es war die Tour zum The North Album. Gott sei Dank irrten wir uns!
In schöner Regelmäßigkeit kommen Millan, Campbell, Evan Cranley, Chris Seligman und Pat McGee mit jedem neuen Album auf Tournee. Und auch wenn die Hitdichte in den letzten Jahren leicht rückläufig war, die Band scheint eine solide Fanbasis zu haben, die nach wie vor zu ihren Konzerten geht. Das Luxor fand ich überraschend voll, ihr Berliner Auftritt scheint gar ausverkauft. Andererseits ist das auch gut nachvollziehbar, kennt man die Livequalitäten der fünf Musiker. Amy Mullen hat eine wunderschöne, perfekte Gesangsstimme, Torquil Campbell ist ein großer Entertainer. Da alle Musiker ihr Handwerk verstehen, sind Stars Auftritte musikalisch hochqualitativ und ihre Konzerte eine Show. Die Wundertüte dabei ist für mich Torquil Campbell. Ist er gut gelaunt, wird es lustig unterhaltsam, ist er weniger gut gelaunt, wird es skurril unterhaltsam.
Ich habe die Kanadier noch nie richtig schlecht gesehen, aber schon oft sehr gut. In Köln schien der Schauspieler allerbester Laune, von den ersten Augenblicken an war sie ihm ins Gesicht geschrieben. Die Folgerung, dass ihr Köln Konzert ein lustig unterhaltsames war, ist richtig. Amy Mullen schien sich von der guten Laune anstecken zu lassen, sehr oft feixten die beiden gemeinsam umher, und das spannende Nichtwissen über ihren aktuellen Sympathiestatus zueinander war somit schnell aufgelöst. Heute nervte niemand den anderen: Torquil Campbell durfte um Amy Mullen herumtanzen, sich hinter ihrem Rücken verkriechen, den Kopf auf ihren Arm legen. Die Band wirkte guter Dinge und rasch wurde mir bewusst, dass das heutige Konzert in keinem Vergleich zu meinen letzten beiden Stars Abenden stehen sollte. Es war um Längen besser und ein rundum wundervoller Konzertabend. Trotz der Musik. Denn dass die Stars hauptsächlich Songs von No one is lost spielen würden, las ich zuvor in den Setlisten der letzten Konzerte; dies verringerte aber null die Schönheit des Abends. Live wurden Songs wie From the night oder Are you ok? und No one is lost zu richtig guten Songs, die den Riesenhits in diesem Augenblick nur sehr wenig nachstanden.
Das neue Album ist mehr Disco, und Disco dominierte den Abend. Passend dazu ereigneten sich die Geschehnisse um die über der Tanzfläche hängenden Discokugel, die den schwächeren Part des Konzertes, eine Aneinanderreihung von Sogs der letzten beiden Alben -ich glaube Backlines, You keep coming up, This is the last time und Hold on when you get love and let go when you give it gehörten dazu– weniger schwach erscheinen ließen. Irgendwann entdeckte Torquil Campbell diese Discokugel, die ausgeschaltet über den Köpfen des Publikums hang. Seine Zwischenkommentare „die Kugel drehen zu lassen“ wurden drei Songs lang nicht erhört. Dann instruierte er seinen Bühnenroadie, die Sache in die Hand zu nehmen und dann strahlte sein Gesicht, weil sich die Discokugel drehte und die passende visuelle Untermalung zu den Songs gab.
Der stärkste Teil folgte kurz darauf ohne Discokugelreflektionen. Mit Dead hearts ging es los, ein Song, der wie gemacht ist für den Duettgesang der Stars. Nun waren sie in ihrer ursprünglichen Kernkompetenz angelangt. Ich kenne kaum eine andere Band, die so sehr die Dramatik des Lebens, den schmalen Grat zwischen Glamour und Tragik, “diese Sehnsucht nach dem einen magischen Moment, der womöglich nie kommt“ wie es die Spex beschreibt, in solch einen wunderschönen Duettgesang packen kann.
Your ex-lover is dead und Take me to the riot beendeten die starke Phase und fast auch das Konzert. Es folgten noch ein, zwei Discosmasher, darunter das live hervorragend funktionierende No one is lost und dann verabschiedeten sich die Stars nach guten 80 Minuten.
„Eine Zugabe“, sagte mein Konzertnachbar zur rechten. Mit What is to be done?, wurde ein eher ruhiger Song das scheinbar letzte Konzertstück. Die Stars mögen offensichtlich ruhige Konzertausklänge. Bereits auf ihrer letzten Tour beendeten sie mit dem eher gemächlichen The 400 ihre Konzerte.
Allerdings irrte der Nachbar. Köln gefällt den Stars, Torquil Campbell wurde nicht müde, dies schon während des Konzertes mehrmals zu erwähnen. Und so ließ sich die Band noch zu einer weiteren Zugabe hinreißen. Wohl auch, weil das Luxor ein sehr begeistertes Publikum abgab, das sogar den „hands up“ Quatsch bei einem der vorherigen Songs in ausreichender Zahl mitmachte.
Konzertjahr starts here. Und es war ein guter Konzertstart.
Dazu trug auch die Vorband bei. Children aus Berlin sind zwei Mädels und ein Junge, namentlich André, Laura & Steffi. Am Morgen las ich die Nachricht, dass sie tags zuvor in Frankfurt das Charles & Eddie Cover Would I lie to you? im Programm hatten, was mich nicht gerade euphorisiert dem Vorprogramm entgegenblicken ließ. Aber was sich scheußlich las, entpuppte sich als wunderbares und sehr passendes Cover. Zuvor hatten mich Children schon mit ihren zwei, drei eigenen Songs mehr als gepackt. Das Trio gefiel mir sehr gut, ihrer Kombination von 90er Jahre Eurodisco Synthies (das klingt schlimm, ist es aber nicht) mit weichem, sehr tanzbarem Indiepop konnte ich mich nur sehr schwer entziehen. Musik mit Worten zu umschreiben ist schwer, ich nenne Childrens Songs mal Melt!-Berlin-Sound. Was Besseres fällt mir nicht ein. Die Berliner haben mit Leaving Home eine LP und davor die EP No Future veröffentlicht. Hörenswert, denke ich.
Fotos: Natalie Kreuter