Mit lautem Jubel werden die Mannen um den australischen Charismatiker begrüßt und legen mit We No Who U R noch recht verhalten, aber schon beeindruckend los. Gleich nach diesem ersten Song kommt Nick seinen Fans ganz nah und klettert kurzzeitig auf die Balustrade zum Zuschauerraum, bevor Jubilee Street angestimmt wird und am Ende furios ausklingt. Bedrohlich klingt der tiefschwarze Bass nun bei Tupelo und die kräftigen Drumschläge bohren sich in unsere Körper. Längst ist auch klar, dass Nicks Stimme in Topform ist und uns tief im Innersten packt. Versuche dieser Invasion zu entkommen sind zwecklos, wozu auch die stets perfekte Lichtuntermalung beiträgt. Immer wieder beugt er sich über seine Jünger, die ihre Hände dem Meister entgegenrecken, ihn anbeten und stützen. Alles wirkt geradezu magisch und damit dieses Gefühl niemals nachlässt, wird das Niveau hochgehalten, denn nun folgt jener Track, dessen unnachahmliche Atmosphäre bereits unzählige (Horror-) Filme so schauerlich schön untermalte: Red Right Hand. Hier können sich die Bad Seeds dann auch zeitweise vollends austoben, nicht zum letzten Mal an diesem Abend. Nick quittiert die Stimmung mit einem „Danke schön“ in perfektem Deutsch, was wir nur unererseits dankbar zurückgeben können.
Auch wenn von den Gründungsmitgliedern nach dem Ausstieg von Mick Harvey 2009 endgültig nur noch Nick Cave selbst dabei ist, kann er sich auf seine Band durch und durch verlassen, denn auch die Bad Seeds 2013 sind eine Ansammlung begnadeter Musiker, allen voran natürlich Multiinstrumentalist Warren Ellis, mit dem Cave auch bereits diverse Filmscores komponiert hat und der folgerichtig heute auf der Bühne auch gesondert vorstellt wird. Nick Cave selbst ist äußerst publikumsnah, interagiert sehr viel und erwidert Liebesbekundungen mit einem charmanten „I love you too“. Und auch bei seinen Texte improvisiert er gekonnt und schafft es sogar Miley Cyrus darinmit einzubinden.
Das Hauptaugenmerk liegt bei der Push The Sky Away-Tour natürlich auf dem neuen Album, von dem immerhin 6 der 9 Tracks gespielt wurden. Und auch wenn man auf Tracks des The Good Son-Albums leider komplett verzichten muss, gehört doch so mancher Klassiker und auch die ein oder andere versteckte Perlen der Vergangenheit zum Set. Die Band beeindruckt dabei sowohl bei den etwas lauteren, als auch bei den vielen leisen Momenten, bei denen Nicks Stimme natürlich noch klarer zur Geltung kommt. Für die passende instrumentale Begleitung sorgt er beizeiten sogar wie bei God is in the House oder Watching Alice am Piano selbst und lädt zum Träumen ein.
Die Schlussphase leitet das äußerst mitreißende The Mercy Seat ein, ganz sicher für viele ein absolutes Highlight, das zu Recht mit viel Beifall bedacht wird. Hier entlädt sich scheinbar all die Spannung, die sich zuvor im Publikum aufgestaut hatte, als viele eher andächtig lauschten und wie pahypnotisiert der Darbietung folgten, statt auszurasten. Stagger Lee scheint den Anwesenden dann wieder etwas Ruhe zu gönnen, doch immer stärker und dichter baut sich die Atmosphäre des Songs auf, der am Ende fast Albtraumartige Auswüchse offenbart. Da kommt das blau untermalte Push The Sky Away als letzter Song des Mainsets zur Beruhigung gerade recht. Doch falls die Band dachte, dass sie sich danach klammheimlich wegstehlen kann, so hat sie die Rechnung ohne den Wirt das Publikum gemacht. Nachdem sich Cave und seine Bad Seeds recht lange bitten lassen, werden die Zugabewünsche immer lauter und nachdrücklicher bekundet und die Halle droht kurz zu zerbersten. Die Zuschauer wollen mehr und sollen das auch dank tosendem Applaus bekommen! Wieder ist es -dieses Mal bei We Real Cool– jener bedrohliche Bass der uns sofort tief in die Welt der Bad Seeds aufnimmt, bevor es mit Papa Won’t Leave You Henry richtig tanzbar wird. Für den Abschluss sorgt danach mit der Ballade Give Us A Kiss ein ganz neuer Song, der noch einmal alle melancholischen Stärken der Künstler offenbart.
Einziger Wehrmutstropfen eines ansonsten perfekten Abends war, dass natürlich einige weitere Klassiker fehlten und man sogar mit Do You Love Me, Jack The Ripper und Deanna auf drei tolle Songs im Vergleich zum Konzert in Hamburg am Sonntag verzichten musste. Aber bei solch tollen Musikern, einer derart dichten Atmosphäre mit stimmungsvollem Licht und einem so großartigen Sänger mag man bei immerhin zwei vollen Stunden Spielzeit nun wirklich nicht meckern!
Setlist Nick Cave & The Bad Seeds:
01. We No Who U R
02. Jubilee Street
03. Tupelo
04. Red Right Hand
05. Mermaids
06. From Her To Eternity
07. West Country Girl
08. God Is In The House
09. Watching Alice
10. Into My Arms
11. Higgs Boson Blues
12. The Mercy Seat
13. Stagger Lee
14. Push The Sky Away
15. We Real Cool (Z)
16. Papa Won’t Leave You, Henry (Z)
17. Give Us A Kiss (Z)
Autor: Michael Gamon