Bereits
in der neunten Runde befinden wir uns dieses Jahr mit dem Amphi Festival und
wie auch in den vergangenen Jahren ist für das musikalische Seelenheil der rund
16.000 Besucher in Form von 40 Acts auf drei Bühnen, darunter Musik und
Lesungskunst, gesorgt. Dass doch eines anders werden würde als sonst, war aber
bereits einige Tage zuvor klar. Im Vergleich zu manch anderem Jahr mit
regnerischen Vorhersagen war uns der Amphi-eigene Wettergott dieses Mal so
gnädig gestimmt wie bisher noch nie. Rund 30°C im Schatten an allen beiden
Tagen, Sonne pur und eine dadurch äußerst ausgelassene Stimmung sorgten gemeinsam
mit den vielen Bands für eine heiße, gar explosive Mischung, die so schnell
niemand vergessen wird.
Anders
als sonst fällt schon am Freitag der Startschuss für das Amphi Festival 2013 in
Gestalt der separaten exklusiven Eröffnungsveranstaltung „Call the ship to
port“, bei der man lässig über den Rhein schippernd sagenhaften Konzerten
lauschen darf. Wer diesem Ründchen nicht beiwohnen konnte oder wollte, hat aber
am ganz offiziellen Festivalsamstag bei den ersten Bands sicher ähnlich viel
Spaß.
Die
sympathischen Jungs von A Life [Devided]
fackeln auf der Mainstage nicht lange
und geben der feierwütigen Menge genau das, was sie verlangt: eingängige Texte
und einen feinen Mix aus Synthie- und Gitarrenklängen. Die Sorge der
Oberbayern, sie müssten vor rund 10 bis 20 Menschen das Festival eröffnen,
erweist sich schnell als Irrglaube und Songs wie das VNV Nation Cover Perpetual oder der Dauerbrenner Heart on Fire sorgen für ordentlich
Bewegung im gut gelaunten Publikum. Nicht weniger schweißtreibend, musikalisch
aber etwas härter geht es mit den Silbermännern von Stahlmann weiter. Und wie sollte es auch anders sein… Frontmann
Mart und seinen Mannen haben die hungrige Meute vom ersten Moment an wieder
voll im Griff, fordern sie immer wieder zu Höchstleistungen auf und schaffen es
mit Stimmungsgaranten wie Stahlmann, Hass Mich..Lieb Mich oder Spring Nicht, die Menge in Brand zu
stecken . Im Anschluss an diesen
silbernen Glitzerglanz sorgen vier junge Damen erst einmal für staunende
Gesichter, als sie die Plätze der Electropop-Kombo Solitary Experiments auf der Bühne einnehmen. Für die Augen macht
das schon einiges her, aber doch sind die eingefleischten Fans froh, als Dennis
und seine Jungs die Situation auflösen und es mit dem Hit Pale Candle Light und einigen weiteren Krachern dann richtig
losgeht.
Im Staatenhaus freut man sich ebenfalls
bereits seit dem frühen Samstagmittag über elektronische Klänge sämtlicher
Couleur, mal etwas härter durch FabrikC
oder Xotox, mal etwas sanfter mit Frozen Plasma. Besonders zelebriert
wird auch der Auftritt des hyperaktiven, gut gelaunten Faderhead. Ohne Rücksicht auf Verluste geht nicht nur der
sonnenbebrillte Aggrotech-Guru, sondern vor allem auch seine vielen Fans
ordentlich zu Stücken wie The Way To Fuck
God oder Join Us ab. Nicht
weniger aktiv wird es im Anschluss bei Funker
Vogt und Grendel, die in eine
ähnliche Kerbe zielen und die Stimmung in der vergleichsweise kühlen Halle
immer weiter ankurbeln.
Einen
alten Bekannten treffen wir auf der Mainstage
an. Bei diesem Strahlewetter hat Alexander Wesselsky
seinen mächtigen Eisbrecher zu Hause gelassen und erfüllt sich stattdessen
einen Wunsch zu seinem vergangenen 44. Geburtstag: mit ein paar Freunden auf
der Bühne zu stehen und einige Megaherz-Stücke zu spielen, die er schon lange
nicht mehr live performen konnte. „Wir sind die Wesselskys, die Familie, die
ich mir schon immer gewünscht habe.“ Der braungebrannte Charmeur schafft es
direkt, die Sympathien der Menge auf seiner Seite zu wissen. Und so schüttelt
er zu Krachern wie Jordan oder 5. März sein nicht vorhandenes Haar und
probiert sich sogar an Stücken wie Wir
Sterben Jung, das trotz seiner Bedenken gut beim Amphi-Publikum ankommt.
Alexx zielt und trifft genau ins Schwarze…immer und immer wieder! Nach dieser
Ekstase fängt uns das mittelalterlich-rockige Geschwader Tanzwut ab. Als eine der wenigen Bands dieses Genres an diesem
Festivalwochenende schaffen es der Teufel und sein Gefolge, die Menge schnell in
einen brodelnden Hexenkessel zu verwandeln. Kein Wunder, dass spätestens bei Bitte, Bitte alles mitsingt und sich im
Takt bewegt.
Nach
so viel körperlicher Ertüchtigung, kann sicher jeder eine Abkühlung gebrauchen.
Doch auch wenn wie gewohnt bei Agonoize
viele Körperflüssigkeiten fließen, ist es doch wohl hier eher der Angstschweiß,
der für den nötigen Klimawechsel sorgt. Während des pompösen Intros schwebt
Frontmann und Blutrauschsüchtiger Chris L. gekreuzigt und mit Dornenkranz versehen
aus den Höhen auf die Bretter des Tages. Während seine schneeweißhäutige
Komplizin sich lange, spitze Nadeln durch die zarten Wangen stößt, bereitet
sich Chris allmählich auf das nächste Blutbad vor. Bis Das Blut Gefriert…. dass diese Gefahr heute nicht besteht,
zeigt er in aller Deutlichkeit und entlässt Fontänen roten Kunstbluts in die
Menge. Songtechnisch setzt man auf beliebte Kracher wie Schaufensterpuppenarsch, Koprolalie,
Femme Fatale oder Staatsfeind und sorgt für mindestens
genauso viele freudige wie schockierte Gesichter. Eine Show, die polarisiert,
aber auch hier und heute exzessiv zelebriert wird.
Synthie-Pop
fürs Herz kann man sich derweil im Staatenhaus bei De/Vision abholen. Und nicht nur Sänger Steffen Keth tanzt freudig
auf der Bühne zu Songs wie mAndroids,
auch das Publikum lässt sich von den feinen synthetischen Beats treiben und taucht
schnell in die Tiefen des De/Vision-Universums ein. Etwas härter zur Sache geht
es im Anschluss bei Suicide Commando. Umzingelt
von makaber an Streben baumelden schwarzen Leichensäcken zieht Genius Johan van
Roy wieder einmal alle Register und lässt uns teilhaben an seiner
gesellschaftskritischen, aufwühlenden und bewegenden Show, bei der an diesem
Tag kein Kracher fehlen soll und kein Auge trocken bleibt. Wie gewohnt liefern
der Belgier und seine Live-Brigade eine energiegeladene, aufrüttelnde und authentische
Darbietung ab, die auf diesem Erdball Ihresgleichen sucht.
Ganz
andere Töne werden auf der Mainstage
bei Phillip Boa & The Voodooclub
angeschlagen. Für viele der hier Anwesenden sicher eine willkommene Abwechslung
zum typischen Amphi-Lineup! Es dauert nicht lange, bis Phillip Boa und Pia Lund
die Masse in ihren Bann gezogen haben und auch wenn Mastermind Phillip selbst
doch derjenige ist, der seinen Voodooclub anführt, lebt die gesamte Klangkunst,
die dort von der Bühne schallt, doch auch maßgeblich von den gesanglichen
Beiträgen Pias. Eine Darbietung zwischen Kunst, Können und der richtigen
Mischung aus hellen und dunklen Gedankenbildern. Kein Wunder also, dass wir mal
träumen und an anderer Stelle bei Kill
Your Ideals hemmungslos abrocken. Weniger gitarrenlastig, dafür aber mit
mindestens genauso viel Energie empfängt uns der Headliner VNV Nation auf der Außenbühne. „Ihr seid für die nächsten 80
Minuten bei uns in guten Händen“, nimmt uns Frontmann und Entertainer Ronan
Harris in Empfang. Das ist den zahlreich erschienenen Fans natürlich klar und
so dauert es nicht lange, bis sie sich der unbändigen Aktivität ihres großen
Idols auf der Bühne anschließen. Ob Space
& Time, Tomorrow Never Comes
oder Further… Ronan sorgt dafür,
dass seine Anhänger nicht untätig herumstehen, sondern immer in Bewegung
bleiben. Er ist wahrlich das Gegenteil von Stillstand! Viel mehr bewegen Songs
wie Illusion trotz oder gerade wegen
der ruhigen Note und bescheren ungeachtet der noch immer vorherrschenden Hitze
eine dicke Gänsehaut, als plötzlich nur noch die Fanmenge die Zeilen der
wunderbaren Ballade singt. Diese besondere Stimmung bleibt auch den
Musikerkollegen von Ronan und seinen Jungs nicht verborgen und so feiern auch
sie am Bühnenrand ordentlich mit und lassen sich wie wir von diesem Mysterium
gefangen nehmen. Hier fehlt wirklich nichts, angefangen beim schmeichelnden
bunten Licht, als es langsam zu dämmern beginnt, über die Songsauswahl, die
jedes Fanherz glücklich macht, bis hin zu der Hingabe des Künstlers selbst.
Ronan liebt uns, betont er immer wieder. Und wir lieben ihn.
Aus
dieser friedlichen Seelenruhe und inneren Zufriedenheit wird man bei den ersten
Schritten ins Staatenhaus sehr
schnell wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht. Es tobt ein Aufstand, der
durch Atari Teenage Riot angezettelt
wurde. Und so offenbart sich die multikulturelle Combo, die sich irgendwo
zwischen Geschrei, Kampf und instrumenteller Lärmkunst befindet, als Geheimtipp
des Amphi Festivals. Kunst liegt im Auge des Betrachters, nicht aber bei der
Kult-Formation Alien Sex Fiend.
Jedes noch so klischeebehaftete Spinnenweben, jeder noch so lachende, lechzende
Totenschädel auf der Batcave-Bühne hat hier seine Berechtigung. Und wie auch
vor drei Jahren beim WGT gehört es auch heute zum guten Ton, sich als letzter
Act des Tages etwas zu verspäten. Geduldig warten wir, als plötzlich
tonnenweise Nebel durch die düstere Halle zieht und jede noch so gut versteckte
Seele einfängt. Ein Poltern, Zirpen und Surren läutet den Auftritt ein und
bedrohlich wabernde Klangkulissen finden schnell ihren Weg in unsere Köpfe.
Frontmann und Gesamtkunstwerk Nik Fiend wirkt unnahbar und mysteriös wie eh und
je. Was er auch an Tönen von sich gibt, viel mehr wirkt es, als erzähle er
Geschichten. Geschichten aus seinem Leben oder einer anderen Welt, in die er
uns entführt. Ganz gleich, was der ein oder andere hier erwartet, es geschieht
ständig etwas, das noch unerwarteter ist. Und selbst wenn man bis zum heutigen
Tag noch keine Bekanntschaft mit dem Werk von Alien Sex Fiend gemacht hat…dass
diese Show Kultstatus beanspruchen darf, ist sicher für niemanden hier schwer
auszumachen. Ein genialer und äußerst gelungener Abschluss des ersten
Festivaltages!
Wir haben für euch schon einmal eine Galerie mit Bildern des ersten Tages zusammengestellt, die ihr hier oder durch Anklicken der Bilder erreichen könnt:
Galerie Amphi Festival Tag 1 (Samstag, den 20.07.2013)
Der Bericht und Fotos von Tag zwei folgen in Kürze!
Autorin: Tanja Pannwitz
Fotos: Michael Gamon
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Galerie Amphi Festival Tag 1 (Samstag, den 20.07.2013)