Festivals wie das Vainstream Rockfest, auf dem 21 Bands an nur einem Tag ohne zeitliche Überschneidungen spielen, haben den Nachteil, dass zu früher Stunde angefangen werden muss, was dem typischen Festivalbesucher normalerweise missfällt. Nicht so an diesem Samstag, wo schon kurz nach Beginn um zehn Uhr das Gelände rappelvoll mit feierwütigen Fans war. Leider war es nicht nur auf dem Gelände voll, sondern auch vor dem Gelände. An der Bändchenausgabe reihten sich tausende Metalfans in die Warteschlange. Wartezeiten von bis zu zweieinhalb Stunden kamen zu Spitzenzeiten vor und sorgten für Unmut der angereisten Fans, noch bevor sie auf einen Blick auf die Bühnen hatten. Immerhin verpasste man so rund vier der Vormittagsbands.
Aufgrund einer längeren Anreise kam ich erst gegen 11:30 Uhr an, passierte die mittlerweile rund 400m lange Schlange vor der Bändchenausgabe und stellte mich in die (glücklicherweise!) deutlich kürzere VIP/Gäste/Presse-Schlange an. Die australische Hardcore Formation Deez Nuts war gerade im letzten Drittel ihres Sets, sodass ich mich direkt Richtung Desperados Stage begab, wo Neaera als erste Band mit Heimvorteil an den Start gingen. Neaera, die erste deutsche Band des Tages, hatte direkt doppelten Heimatbonus, denn die Jungs um Sänger Benny Hilleke kommen direkt aus Münster. Mit Songs wie dem Opener Ours Is The Storm vom aktuellen Album, wussten Neaera das Publikum zu überzeugen und sorgen schon zu früher Stunde für unzählige Crowdsurfer, die den Securitys am Bühnenrand kaum eine freie Sekunde gönnen. Um das Publikum noch weiter aufzuputschen stellte sich Benny des Öfteren auf die Absperrung im Bühnengraben um dem feiernden Publikum so nahe wie möglich zu sein.
Direkt im Anschluss war es an Sondaschule die Stimmung aufrecht zu erhalten. Keine einfache Aufgabe für die Spaßtruppe aus dem Ruhrgebiet, doch die Ska-Punker schlugen sich sehr gut, wenn auch vermutlich mit einem anderen Publikumsteil als wenige Minuten zuvor ihre deutlich härteren Kollegen von Neaera. Auf einem Festival, wo Metalcore, Hardcore und Melodic-Death Metal sich die Klinke in die Hand gaben, waren Sondaschule mit ihren zwei Posaunenspielern eine willkommene Abwechslung. Mit spaßigen Texten und viel Tanz verzauberten sie aber auch die eher harten Vainstream Rockfest Gäste.
Neben den beiden großen Hauptbühnen, gab es in diesem Jahr erstmals eine dritte und kleinere Bühne im hinteren Teil des Geländes. Hier spielten über den gesamten Tag hinweg nur drei Bands und den Tag über gaben Skater ihr Können zum Besten. Leider auch während der Auftritte, was Bands wie beispielsweise Red Fang zum einen Platz stahl und sie zum anderen zu Nebendarstellern deklassierte. Alles in allem eine unnötige und platzverschwendende Bühne und eine Zumutung für die dort spielenden Bands.
Mit The Ghost Inside im direkten Anschluss kam die erste Band auf die Münsteraner Bühne, für die ich den weiten Weg auf mich genommen hatte. Melodic-Hardcore wie er im Buche steht gaben die Jungs um Fronter Jonathan Vigil zum Besten und das Publikum ging bei Songs wie Engine 45, Dark Horse oder Unspoken erwartungsgemäß ordentlich ab. Der Bereich vor der Desperados Stage war so voll, dass man kaum ein Bein an die Erde bekommen konnte und dass obwohl noch nicht alle Besucher auf dem Gelände waren.
Mittlerweile war es unerträglich heiß und da es auf dem Gelände kaum Schatten gab, stieg die Sonnenbrandgefahr bedrohlich an, sodass ich mich auf dem Weg machte beim nächstbesten Supermarkt ein wenig Geld in Sonnencreme zu investieren. Außerdem war es so möglich an etwas zu trinken zu kommen, denn Wartezeiten von einer halben Stunde (Wertmarken) und 20 Minuten (Getränkestand) machten es nahezu unmöglich im nötigen Takt an kühle Getränke zu kommen. Auch der Weg durch die Menschenmassen war aufgrund des hoffnungslos überfüllten Geländes ein Weg von mindestens zehn Minuten (bei eigentlich überschaubarer Distanz). Aus diesem Grund verpasste ich den größten Teil des Anti-Flag Konzertes und den kompletten Agnostic Front Auftritt. Schade, aber meine Haut wird es mir danken.
Aussehend wie ein ordentlich geschminkter Black-Metaller, aber dafür vorübergehend vor der Sonne geschützt, betrat ich passend zu Jennifer Rostock wieder das Festivalareal. Jennifer Rostock ist eine Band, die ordentlich Stimmung macht, aber insbesondere durch ihre Frontfrau Jennifer Weist auf sich aufmerksam macht. Von Tattoos übersäht und meist freizügig gekleidet weiß Jennifer lasziv zu unterhalten. Sie hatte auch auf dem Vainstream das Publikum voll im Griff und schaffte es sogar einen kleine Wall Of Death anzuzetteln. Neben dem üblichen „Männer gegen Frauen Singwettstreit“ und dem auf die Bühne holen von Fans zwecks Gesangsbeteiligung gab es beim Jennifer Rostock Auftritt viel Interaktion mit dem Publikum. Diese Art der Mitmachshow kam erwartungsgemäß gut an und so feierte Münster unter Konfettibeschuss, bis nach rund 45 Minuten zu den Tönen von Nenn mich nicht Jenny zu frühzeitig Schluss war.
Mittlerweile standen sich die Asking Alexandria Fans vor der Nachbarbühne die Beine in den Bauch und warteten sehnsüchtig auf den Konzertbeginn der US Amerikaner, welche mit Closure in ihr Set starteten. Das Publikum sang die Songs (insbesondere den Hit The Final Episode) aus vollem Hals mit feierte die Jungs gebührend.
Als nächstes waren Callejon aus dem Rheinland an der Reihe und die Fans zogen in Heerscharen vor die Bühne. Bereits beim ersten Song Blitzkreuz war die Stimmung gut und ausgelassen. Neben beiden Versionen von Porn From Spain und Sommer, Liebe, Kokain gab es natürlich auch Songs aus ihrem aktuellen Album Man spricht Deutsch. Mit der Coverversion vom Fettes Brot Hit Schwule Mädchen und dem Ärzte Klassiker Schrei nach Liebe konnten Callejon das Publikum überzeugen.1
Boysetsfire standen als nächstes auf dem Plan und wurden von vielen Festivalbesuchern heiß erwartet. Energiegeladen und voller Power starteten die Mannen um Sänger Nathan Gray in ihr Set und das Publikum war sofort mit vollem Enthusiasmus mit von der Partie. Die Band, die mehrfach die Schreibweise ihres Bandnamens änderte, hatte erst kurz zuvor, am 07. Juni 2013, ihr aktuelles Album mit dem Titel While A Nations Sleeps… veröffentlicht und kam damit gut bei den Kritikern an. Kein Wunder, dass den anwesenden Münsteranern auch neue Stücke präsentiert wurden. Auch kein Wunder, dass das brandaktuelle Material ebenso abgefeiert wurde, wie die Klassiker zu denen beispielsweise After The Eulogy gehörte.
Langsam ging es auf den Ende des Abends zu und mit A Day To Remember ging eine der letzten drei Bands des Hauptprogrammes auf die Bühne. Ein Favorit vieler Anwesender und das zu Recht, denn der Mix aus harten Growls und Melodischem kommt meistens gut an. So auch auf dem Vainstream wo die Amerikaner unter anderem eine Preview auf ihr langersehntes neues Album präsentierten. Bei Songs wie All I Want oder I’m Made Of Wax Larry What Are You Made Of brachten sie die Menge zum Kochen und die Fans sangen textsicher und aus voller Kehle mit.
Parkway Drive aus Australien waren die letzte Band auf der rechten Bühne und verlangtem dem Publikum sportliche Höchstleistungen ab. Circle Pits, Moshpits und unzählige Crowdsurfer wechselten sich von Minute zu Minute ab, sodass niemand im direkten Einzugsbereich der Bühne still stehen konnte. Als die ersten Töne von Carrion ertönten war eingefleischten Parkway Drive Fans direkt klar, dass dies der letzte Song ihrer Band werden würde, sodass sie ein letztes Mal alles gaben.
Der Höhepunkt des Abends stand nun bevor und alle richteten ihre Augen gebannt auf die EMP Stage, die mit ordentlich zusätzlicher Lichttechnik für den bevorstehenden In Flames Auftritt aufgerüstet worden war. Die Erwartungen vieler Fans auf eine ansehnliche Pyroshow wurden leider nicht erfüllt, aber zumindest die Lichtshow sah sehr ansprechend aus. Mit Hits wie Pinball Map, Cloud Connected oder The Quiet Place zogen sie ihre Fans in den Bann und lieferten einen astreinen Auftritt ab. Natürlich gab es auch ein paar brandaktuelle Songs von Sounds Of A Playground Fading, die jedoch nicht unerwartet auf der Setlist waren. Hingegen (für mich) überraschend spielten sie The Hive von Whoracle aus dem Jahre 1997. Leider bekamen In Flames mit nur rund 60 Minuten nicht so viel Spielzeit, wie man es sich gewünscht hätte, aber bei so vielen Bands pro Tag muss nun mal ein straffer Zeitplan sein.
Gegen halb elf endete der Open Air Teil des Festivals, aber es war noch lange nicht vorbei, denn die Aftershow Party lockte noch mit Erik Cohen, Clutch und All That Remains, wobei mir insbesondere bei letzteren nicht klar ist, warum sie einen so ungünstigen Platz im Billing einnehmen mussten. Trotzdem zog es nach In Flames noch viele Besucher in die nahegelegene Sputnikhalle um den Abend nicht allzu ruhig ausklingen zu lassen.
Zusammenfassend war das Vainstream Rockfest 2013 ein Festival der Extreme: Eine extrem starke Bandauswahl (zu einem mit rund 60 Euro fairen Preis), lockte viel zu viele Besucher auf das Festivalgelände in Münster, was aus allen Nähten platzte. Organisatorisch schienen die Veranstalter auf diese (allerdings nicht unerwartet erscheinende) Menschenmenge leider nicht vorbereitet. Das Gelände war viel zu klein und jegliche Stände (Bändchenausgabe, Wertmarkenverkauf, Getränkeverkauf) waren hoffnungslos unterdimensioniert. Auch möchte man bei 30°C auf einem schattenlosen Festival von den Getränkeverkäufern kein „Ähh … ne … Wasser hamma nisch mehr“ hören.
Alles in allem standen somit viele großartige Bands und ein mehr als feierwütiges und begeistertes Publikum auf der einen und eine relativ schlechte Organisation auf der anderen Seite, sodass es schwer fällt eine endgültige Bewertung vorzunehmen. Immerhin sind die Bands das wichtigste, aber nachlässige Organisation kann den Spaß schon sehr trüben…
Hier unsere komplette Fotogalerie zum Vainstream 2013:
Galerie VAINSTREAM 2013 (06.07.2013)
Autor & Fotos: Markus Hillgärtner
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Galerie VAINSTREAM 2013 (06.07.2013)