Einlass ist bereits um 13:30 Uhr und der Startschuss fällt pünktlich gegen 15:00 Uhr, als die Senkrechtstarter Kraftklub die Bühne in der heute geschlossenen Arena entern. Trotz der frühen Tageszeit ist die Halle bereits ordentlich gefüllt und die eingängigen Melodien der Chemnitzer ziehen die Zuschauer in bester Rattenfängermanier immer näher an die Bühne heran. Da hilft auch kein Ritalin/Medikinet, die Menge geht gleich zu Beginn voll mit und feiert jeden einzelnen Song. Obwohl es ihr bisher größter Auftritt ist, geben sich die sympathischen Chemnitzer ganz locker, lassen ihr Publikum jubeln und tun dies dann mit einem selbstironischen „das ist vollkommen normal für uns“ lässig ab. Zur Halbzeit dürfen die Zuschauer erstmals durchschnauben und sich hinknien, bevor die Randale wieder losgeht und weitergefeiert wird. Nach einer Ode an ihre Heimat Karl-Marx-Stadt folgen die allseits bekannten und beliebten Hits Ich Will Nicht Nach Berlin und Songs Für Liam während die Begeisterung weiter stetig zunimmt und sogar Circle Pits die Runde im Innenraum machen. „Wir würden gerne noch ne Stunde spielen … aber irgendwann ist ja auch mal gut. Wir können eh nicht mehr, könnt ihr noch?“ schallt es aus den Lautsprechern und es darf bei ScheissIndieDisko noch einmal getanzt werden, bevor die fünf die Bühne unter starkem Applaus verlassen. Im November sind sie übrigens –vielleicht als ausgleichende Gerechtigkeit- in Dortmund zu sehen, was heute zwar etwas argwöhnisch aufgenommen wird, ihnen aber keiner wirklich böse nimmt.
Setlist Kraftklub:
01. Intro
02. Ritalin
03. Zu jung
04. Liebe
05. Eure Mädchen
06. Randale
07. Karl-Marx-Stadt
08. Ich will nicht nach Berlin
09. Songs für Liam
10. ScheissIndieDisko
Rockig geht es in bester Cowboymanier mit Muscleshirt und Cowboyhut und dem Song Last Day weiter, denn jetzt sind The BossHoss an der Reihe. Nebenberuflich auch bei The Voice Of Germany tätig, sorgen die beiden The BossHoss Gründungsmitglieder Sascha Vollmer und Alec Völkel und ihre Mitstreiter vor allem aber musikalisch für Ausrufezeichen, denn ihre Mixtur aus amerikanischen Country-Versionen bekannter Songs und Eigenkompositionen kommt an und hat sie ganz nach oben geführt. Vielleicht um das American Feeling live komplett zu machen erfolgen alle Ansagen auf Englisch, was bei einer Band aus Berlin allerdings etwas lächerlich wirkt. Hier wäre weniger vielleicht mehr gewesen. Trotzdem haben die Acht den Großteil des Publikums auf ihrer Seite und so führt uns der staubige Weg vom Klassiker Rodeo Radio über die erste Single des aktuellen Albums Don’t Gimme That hin zum Cameo Klassiker Word Up, bevor die Jungs nach 45 Minuten anerkennend vom Publikum verabschiedet werden und sich back on the road nach Berlin machen, wo sie noch am gleichen Tag einen weiteren Auftritt beim „Stars For Free“ Open Air absolvieren.
Setlist The BossHoss:
01. Intro
02. Last Day
03. Rodeo Radio
04. I Keep On Dancing
05. Live It Up
06. Don’t Gimme That
07. Shake & Shout
08. Run Run Devil
09. Word Up
Bunt, schrill und funkig geht es mit Jan Delay und seiner Disko No. 1 weiter. Ein langes Intro lässt die gespannten Zuschauer noch etwas zappeln und schärft schon einmal die Sinne auf das, was da kommen mag. Nach und nach füllt sich die Bühne mit den quirligen Musikern, die der gebürtige Hamburger uns mitgebracht hat, und schlussendlich spaziert auch er selbst mit Sonnenbrille, Hut und einem farbenfrohen Anzug vor die Menge und die Party beginnt. Sofort vernehmen wir die bekannten Klänge von Türlich Türlich oder dem Backstreet Boys Medley, die natürlich jeder mitsingen kann, auch wenn Musik dieser Couleur vielleicht gar nicht jedermanns Hauptbaustelle ist. Die Stimmung ist in jedem Fall sagenhaft und Jan legt alles daran, seine Fans bei Laune zu halten. Er selbst rennt, dreht sich und wirbelt über die Bühne, tanzt mit seinen Tänzerinnen und Tänzern diverse Choreographien und animiert seine Anhänger immer wieder zum Mitmachen und Ausflippen. Die sympathischen Ansagen des kraftvollen Nordlichts kommen genauso gut an wie sein Spiel Freeze, bei welchem die Menge zunächst ausgelassen tanzt und beim Verstummen der Musik einfrieren soll. Bei Oh Jonny fliegen dann die Fetzen und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Menge wirbelt wild mit T-Shirts, Taschentüchern oder sonstigen Stoffen in der Luft herum, während Jan immer wieder nachlegt, durch den Security-Graben rennt und seinen Fans so nah ist, dass sicher dem einen oder anderen die Luft weg bleibt. Die lebensfrohe Combo bringt eindeutig Frischluft in die Veltins Arena und sorgt für viele zufriedene Gesichter.
Setlist Jan Delay & Disko No. 1:
01. Rave Against The Machine
02. Türlich Türlich
03. Large
04. Backstreet Boys Medley
05. Vergiftet
06. Für immer und Dich
07. Disko
08. Freeze
09. Feuer
10. Oh Jonny
11. Klar
12. Pump Up Medley
Die Vorfreude auf den nächsten Act legt sich über die Menschenmenge wie eine dicke Decke und ist in der großen Halle deutlich spürbar. Über LED- Bildschirme läuft bereits ihr Name in großen Buchstaben und sorgt immer wieder für erheiternden Jubel. Und dann tritt er endlich auf die Bühne: Brian Molko mit seiner Band Placebo! Mit Kitty Litter legen die Briten auch direkt stark los. Brians Stimme dringt tief in unsere Köpfe und es dauert nicht lange, bis er uns alle gepackt hat. Every You Every Me sorgt dann ziemlich zu Beginn bereits für eine Wahnsinnsstimmung und beweist, dass hier heute kein Mensch ohne absolute Textsicherheit bei diesem Kracher zu finden ist. „Vielen Dank, meine Brüder und Schwestern auf dem Rock Im Pott Festival!“ säuselt Brian charmant. „Jetzt spielen wir was für die Damen.“ Es folgt das wundervolle Special Needs, das kein Damenherz – und sicher auch kein Männerherz – unberührt lässt. Die Stimmung steigert sich immer mehr und die Fans fangen im ersten Viertel sogar an, Bälle oder Luftballons im Takt durch die Menge zu stupsen. Der nächste Höhepunkt ist spätestens bei Meds erreicht, das zunächst etwas ungewohnt daher kommt, sich dann aber nach und nach zur allseits bekannten Version entwickelt. Es folgen weitere Kracher à la Song To Say Goodbye und The Bitter End sowie mit Teenage Angst ein richtiger Klassiker. Verzaubert werden wir bei dem wundervollen Kate Bush Cover Running Up That Hill, das schon bei den ersten Klängen sich überschlagendes Gejubel sowie eine meterhohe Gänsehaut auslöst. Neben diesen Soundperlen bekommen wir aber mit B3 auch noch etwas Brandneues auf die Ohren. Und auch wenn hier noch keiner den Text mitschreien kann, kommt der Song doch sichtbar und hörbar gut in Gelsenkirchen an. Placebo, was zu Deutsch „Ich werde gefallen“ heißt, machen ihrem Namen beim Rock Im Pott 2012 wirklich alle Ehre.
Setlist Placebo:
01. Kitty Litter
02. Battle For The Sun
03. Every You Every Me
04. Black Eyed
05. Special Needs
06. For What It’s Worth
07. I Know
08. Slave To The Wage
09. Bright Lights
10. Meds
11. Teenage Angst
12. Song To Say Goodbye
13. The Bitter End
14. Running Up That Hill (Kate Bush Cover)
15. Post Blue
16. B3 (neuer Song!)
17. Infra-Red
Das lange Warten ist zu Ende! Die Zeit, die man mit bombigen Auftritten und Shows an diesem Samstag hinter sich gebracht hat, ist verstrichen. Es ist endlich Zeit für den Headliner des allerersten Rock Im Pott: Red Hot Chili Peppers! Und die Kalifornier haben es sich heute wirklich zur Aufgabe gemacht, die Spannung so zu steigern, dass es kaum mehr auszuhalten ist. Saxophon- Gedudel füllt die Halle und mittlerweile sind schon 15 min nach dem eigentlichen Beginn um 21:15 Uhr vergangen, in denen sich eigentlich bisher noch nicht mehr getan hat. Doch plötzlich tut sich was! Unsere Aufmerksamkeit lässt los von dem Blasinstrument- Geplänkel und auf einmal sind alle Sinne auf die Bühne gerichtet, denn dort legen die Alternative- Rocker nun mit Monorchy Of Roses los. Was für ein Einstieg! Dieser mehr als deutliche Startschuss soll schon bald durch Hits wie Dani California, Can’t Stop und Scar Tissue stimmungsmäßig überboten werden. Frontmann Anthony Kiedis springt und wirbelt über die Bühne wie über einen Spielplatz, reißt die Fans immer mehr mit und auch seine Bandkollegen sorgen für einige Hingucker und vor allem Hinhörer. Chad Smith überzeugt mit seinem Drumsolo und auch Bassist Michael „Flea“ Balzary und Gitarrist Josh Klinghoffer gehen ordentlich ab und liefern sich ein musikalisches Battle nach dem anderen. Musikalisch bleibt hier und heute nahezu kein Wunsch offen: Under The Bridge, Californication, By The Way… um nur einige zu nennen. Und immer werden die prägnanten Zeilen von überlauten Fanchören begleitet, die einen Gänsehautschauer nach dem anderen erzeugen. Es ist unendlich faszinierend und bewegend, eine Menge von 41.000 Menschen an einem Ort dieselben Lieder singen zu hören und es steht sicher jetzt schon fest, dass man so eine Stimmung, wie sie hier und heute vorherrscht, nicht auf jedem Konzert erlebt. Einfach Wahnsinn!
Natürlich liefern Anthony und seine Männer auch noch eine satte Zugabe, die zunächst mit einer Jam- Session zwischen Drums und Gitarren beginnt. Die Klänge fügen sich wunderbar ineinander und zeugen von dem Können der Musiker. Bassist „Flea“ nutzt die Gelegenheit, um seine akrobatischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und läuft einige Meter nur auf seinen Händen kopfüber über die Bühne. Nach dieser Showeinlage folgen dann noch ein paar Lieblinge aus dem ellenlangen RHCP- Repertoire, darunter auch der Kracher Give It Away, bei dem die Arena nochmal ordentlich bebt. Ein wirklich phantastischer Auftritt, der mir noch heute im Kopf klingt und schöne Gedanken erzeugt!
Setlist Red Hot Chili Peppers:
01. Monarchy Of Roses
02. Dani California
03. Can’t Stop
04. Scar Tissue
05. Look Around
06. Throw Away Your Television
07. Universally Speaking
08. Soul To Squeeze
09. The Adventures Of Rain Dance Maggie
10. I Like Dirt
11. Under The Bridge
12. Higher Ground
13. Californication
14. Goodbye Hooray
15. By The Way
16. Suck My Kiss
17. Ethiopia
18. Give It Away
Das Rock Im Pott 2012 war ein voller Erfolg, der nicht nur auf die anwesenden Bands und deren Auftritte zurück zu führen ist, sondern auch auf die sagenhafte Organisation der Veranstalter, die Flexibilität und das Können von Sound- und Bildtechnik, die extrem gut gewählte Location und das stimmungsgewaltige Publikum. Wem es genauso gut gefallen hat wie uns, der kann sich bereits auf das kommende Jahr freuen, denn auch 2013 feiern wir wieder das Rock Im Pott.
Bis zum nächsten Jahr!
Autoren: Tanja Pannwitz (RHCP, Placebo, Jan Delay) & Michael Gamon (Kraftklub & The BossHoss)
Fotos Placebo & Kraftklub : Sparklingphotos.de Archiv