Die Berliner Indierock/ New Wave Band The Wars durfte auf der Mainstage das Amphi Festival 2012 eröffnen und brachte das bereits recht gut gefüllte Gelände in Festivalstimmung. Glowsticks und Cybergoth-Haarpracht konnte man in der Halle bei Eisenfunk genießen, denn hier herrschten elektronische Industrialbeats und Noise-Elemente. Auch die sympathischen Jungs von A Life [Divided] hatten währenddessen auf der Mainstage keine Probleme mit ihrem Powerrock die Fans zu begeistern, präsentierten sie doch so Einiges für Auge und Ohr. Tyske Ludder sollte eigentlich jedem etwas sagen, der sich mit guter EBM Musik auskennt und die Jungs hatten dank Aggression und Melodie das Zepter in der Hand und ließen so manches Tanzbein schwingen. Die Schweden Spetznaz hingegen hauten in eine ähnliche Kerbe und animierten die Fans mit ihrer elektronischen Körpermusik á la Nitzer Ebb zum Tanzen. Während Sänger Pontus Stålberg Vollgas gab und so die ersten Reihen zum Pogotanzen brachte, hämmerte Drummer Stefan Nilsson auf seine E-Pads, dass es eine Freude war. Hits wie „Apathy“ sorgten für eine „Hüpfgarantie“ und offenen Applaus, während Stefan bei „Perfect Body“ blank zog und seinen Astra(l)körper zum Besten gab. Die Kölner Band X-Rx verbindet Aggrotech und Techno mit Hardstyle und sorgte im Staatenhaus für schwitzende Körper, während an der frischen Luft das Future-Pop-Projekt mind.in.a.box ihre elektronische Musik in die warme Sommerluft schickte. Als Gegensatz zu eher harschen Tönen im Staatenhaus erzeugte die Präsentation einen erfrischenden Kontrapunkt. Die Songs der Band wurden durch Einsatz von Vocoder-Gesang und Gitarre, Bass und Drums präsentiert und brachten die Fans zum mitwippen. Frank Spinath von Seabound indes musste nicht viel tun, um in der Halle seine Anhänger zu begeistern. Die nebelverhangene Performance der Bielefelder war energiegeladen, romantisch-melancholisch und spätestens beim Hit „Poisonous Friend“ waren alle Zuhörer in Bewegung, so atmosphärisch kam der Song rüber. Aber auch neue Songs waren im Repertoire der Electropopper, wie der Track „Nothing But Love“, vom kommenden Album, der überaus positiv aufgenommen wurde.
Corvus Corax war die einzige „Mittelalterband“ auf dem Amphi Festival und hielt somit eine Sonderstellung inne, aber nicht nur deshalb war es unter dem Zelt der Hauptbühne prall gefüllt und Castus Rabensang und seine Mannen brachten alle Haderlumpen und Burgfräuleins zum abfeiern. Elektronischer war es in der Halle, denn Tom Shear aus den USA, der jeden „Ronan Harris Double Contest“ glatt gewinnen könnte, sorgte mit Assemblage 23 durch zünftigen Future Pop für glückliche Gesichter. Unterstützt von seinem Drummer, der aus der Muppet Show entflohen sein könnte, spielte die Band u.a. Hits wie „Naked“, „The Voice Inside Your Head“ und „Let The Wind Erase Me“, die Mr. Shear mit dunkler, sonorer Stimme vortrug und unterstützt durch die perfekte synthetische Tanzmusik die Fans zum Mitsingen brachte. Die Kult-Synthiepopper Camouflage begannen ihre Show mit „Suspicious Love“, ein Track, der leider damals Anfang der 90er ziemlich unterging, nun aber als Liveintro perfekt herüberkam. Vorzustellen muss man die drei Herrschaften wohl nicht, den Ruf als deutsche Depeche Mode haben Heiko Maile, Marcus Meyn, Oliver Kreyssig längst weit hinter sich gelassen. Im schicken weißen Anzug fegte Marcus über die Bühne, während Heiko und Oliver Synthesizer respektive E-Drums bearbeiteten. Auch ein „echtes“ Drumset und E-Gitarre drückten die Syntpopstücke soundtechnisch nach vorne. Es dauerte eine Weile, bis die Stimmung ihren Zenit erreichte, aber dann gab es kein Halten mehr. „Neighbours“ vom ersten Album „Voices & Images“ spielte die Band in einer interessanten neuen Version und die Liebeserklärung an die Fans „We Are Lovers“ brachte jedes Tanzbein zum Zucken und der „kraftwerk-esque“ Mittelteil entzückte alle Electroheads. Auch Oliver durfte für den Track „Confusion“ im Shufflebeat an die Front und bei „Me And You“ winkten die Fans in bester „Never Let Me Down Again“-Manier ihre Arme. Bei „Love Is A Shield“ schmusten dann alle Pärchen und alle anderen, die die Aussage des Songs verstanden, bewegten sich im Rhythmus. Für den Song „Shine“ nahmen die Jungs den Livechor der Amphibesucher für das kommende Album auf, so wurde also lautstark mitgegröhlt. „The Great Commandment“ gab dem Publikum dann im positivsten Sinne den Rest.
Carsten, Frank und Tom der NRW Band [:SITD:] erhitzten die Gemüter ihrer Anhänger und verwöhnten sie mit einer Mischung aus Futurepop- und EBM ihrer alten und neuen Smash Hits. Mastermind Daniel Myer eroberte das Staatenhaus mit seinem Projekt Haujobb, denn in geheimnisvoll blauem Licht kreierte der Electrowizzard eine solch betörende Stimmung, dass einem glatt die Spucke wegblieb. Supported durch zwei Keyboarder, die zusätzlich noch Electrodrums spielten, brachte die Band Renner wie die aktuelle Single „Lets Drop Bombs“ (mit pulsierender Bassline und perfider Electronik), „Dream Aid“ (bei dem die „Haujobb-Jünger“ so richtig zelebrierten) und viele andere Sahnestücke. Myer kam wie der nette Onkel von Nebenan daher und kommentierte den einen oder anderen Track mit sympathischen Moderationen. Leider war nach „Dead Market“ das Konzert viel zu früh vorbei, da halfen auch die „Zugabe“-Rufe nichts mehr und die Bühne wurde an den provokanten Industrialmusiker Thomas Rainer und seinem Projekt Nachtmahr übergeben.
Auf der Mainstage schaffte sich die süddeutsche Neue-Deutsche-Härte-Band Eisbrecher Gehör. Frei nach dem Motto „This Is Deutsch“ servierte die Band rockige, teils ironische Songs und begeisterte jung und alt. Natürlich durften auch Songs wie „Schwarze Witwe“ und „Verrückt“ nicht fehlen, um das Liveerlebnis perfekt zu machen. Auch Apoptygma Berzerk wissen, wie man die Massen in Bewegung bringt. Ihr Liveset bestand aus guten alten Klassikern wie „Until The End Of The World“ und „Bitch“, aber auch aus Stücken ihrer neuen, eher gitarrenastigeren Titel. Wie dem auch sei, die Norweger hatten das Staatenhaus im Griff, und wer zu spät kam, wurde damit bestraft, dass er erst gar nicht in die Halle kam. Aber auch weit entfernte Besucher hatten ihre Freude an dem Sound der Ausnahmeband.
Als letzten Act auf der Mainstage konnte man die absolute Kultband The Sisters Of Mercy bestaunen, die recht selten auftreten und bei denen die Qualität der Auftritte recht unterschiedlich ausfallen kann. An diesem schönen Samstagabend aber wurden die Menschenmassen vor der Bühne mit einer genialen Show belohnt. Selten hat man „die Schwestern“ im Tageslicht genießen können, aber die nebelverhangene Stage und perfektes Licht sorgten für die richtige Stimmung. Als erstes fielen die drei Macintosh Laptops auf, die zum Setup gehörten. Sollte man wirklich drei Computer brauchen, um Dr. Avalanche zu ersetzen? Andrew Eldritch mit Glatze und Bart wirkte zuerst wie ein Teil des Bühnenbildes, bevor er in die Gänge kam und mit seiner Band Klassiker um Klassiker wie „First And Last And Always“, „Alice“ und „Vision Thing“ spielte. Spätestens dann waren die Anhänger der Band in ihrem Element und rockten und tanzten, dass es aus der Ferne ein schönes Bild ergab. Bei „Dominion“ betrat die irische Sängerin Lisa Cuthbert die Bühne und unterstützte stimmgewaltig die Band. Doch ihr großer Auftritt sollte später erfolgen, als die Sisters die Bühne verließen und sie am Stagepiano sitzend „This Corrotion“ sang. Der Auftritt wurde sehr stimmungsvoll mit Bühnennebel und blau-weißem Licht in Szene gesetzt, dass man automatisch eine Gänsehaut bekam. Ein genialer Kontrapunkt zum rockigen Ambiente der Show. Der selten gespielte Song „More“ war leider auch die letzte Nummer, die an diesem schönen Abend Open Air gespielt wurde. Besser kann man ein Konzert nicht ausklingen lassen.
Doch das Amphi Festival war noch nicht beendet, denn im Staatenhaus standen bereits die Jungs der NDW Kultband D.A.F. in den Startlöchern. Mit einem Minimalsetup bestehend aus Drumkit, Mischpult und Mikrophonständer waren die Herrschaften der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft ausgezogen, um das Tanzen zu lehren. Nachdem nach Drummer Robert Görl auch Gabi Delgado erschien und provokant-verschmitzt mit verschränkten Armen das Publikum angrinste, ging die Post ab. „Verschwende Deine Jugend“, „Der Mussolini“ und „Alle Gegen Alle“ ließen die Fans pogen und bald war die ganze Halle in Bewegung. Die „fast-Balladen“ „Der Räuber Und Der Prinz“ und „Ich Und Die Wirklichkeit“ lockerten das tolle Konzert gekonnt auf. Und am Ende zuckte jeder Muskel. Mindestens so lange, bis die ersten Töne des zweiten Teils des Festivals am Sonntag erklangen.
Wir haben für euch schon einmal eine Galerie mit Bildern des ersten Tages zusammengestellt, die ihr hier oder durch Anklicken der Bilder erreichen könnt:
Galerie Amphi Festival Tag 1 (Samstag, den 21.07.2012)
Der Bericht und Fotos von Tag zwei folgen in Kürze!
Autor: Frank Stienen
Fotos: Roger Op Den Camp (Nachtmahr: Michael Gamon)
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Galerie Amphi Festival Tag 1 (Samstag, den 21.07.2012)