Da das FZW seinen Gästen einen strengen Zeitplan auferlegt hatte, fing der Supportact Formalin bereits kurz nachdem die Tore der großen Halle aufgetan wurden an, die Bühne zu rocken. Trotz der cyberähnlich angehauchten Optik, die da von der Bühne strahlte, waren die Klänge alles andere als nervtötend und EBM- fern. Der von Frontmann Tominous und seinem Kumpanen Crime Gabor angeschlagene Ton nennt sich Berlin City Industrial und wurde von den Jungs eigens kreiert. Und bei den Fans und Freunden der elektronischen Musik kam das Ganze auch recht gut an, auch wenn der frühe Beginn gleichzeitig bedeutete, dass eben noch nicht all zu viele Leute anwesend waren.
Nach und nach füllte sich nun die Halle, am Merchandise- Stand wurden für dieses musikalische Event speziell angefertigte Shirts und Tonträger verkauft und die Fans fieberten dem nahenden Beginn des Duells der Giganten entgegen. Nachdem die Hintergrundmusik erlosch, wurde es auf der Bühne dunkel, bis bekannte elektronische Klänge einsetzten. Bei flackerndem Licht und großem Jubel stimmten Die Krupps „High Tech Low Life“ an und sofort setzten sich die Beine einiger Fans zum stampfenden Tanze in Bewegung. Frontmann Jürgen Engler war nicht weniger aktiv, denn auch er rannte über die Bühne und wirkte beinahe ebenso rastlos wie mancher Fan. Getrieben von den immer wieder aufflammenden Metall- Riffs, die bezeichnend für die Musik der Krupps sind, wurde schnell zu Krachern wie „Isolation“ und „Crossfire“ übergeleitet und die Stimmung in der Halle wurde immer besser. Neben diesen wohlbekannten Krupps- Klassikern bekamen die Fans jedoch auch einiges vom aktuellen Album auf die Ohren, darunter „Als Wären Wir Für Immer“ und das Propaganda Cover „Dr. Mabuse“. Jedoch wurde schnell klar, dass das neue Werk der seit nunmehr 30 Jahren aktiven EBM-/Industrial- Formation nicht ganz so gut ankam wie Stücke aus weiter zurück liegenden Schaffensjahren. Sei’s drum!
Bei der Überraschung, die die Krupps für ihre Fans vorbereitet hatten, „Blood Money“ von Nitzer Ebb, verwandelte sich die Fanmenge wieder in eine große bebende, stampfende Masse, die kein Halten mehr kannte. Auch bei „Der Amboss“, bei dem Jürgen Engler industrie-assoziiert mit Metallstäben auf alten Metallrohren herum schlug, kam kein Fan aus dem Takt. Die Stimmung stieg nun wieder Song für Song und bei dem Klassiker „Fatherland“ sprang Engler in den Fotografen- Graben und lehnte sich ganz weit in die Menge. „Ihr seid so geil!“ schrie ein Fan aus tiefster Kehle in das Mikrofon, das Engler ihm hinhielt. Der Spaß an der Sache, an der Musik, die nicht nur für den Moment, sondern für die musikalische Prägung einer ganzen Generation steht, war sowohl den Fans als auch der Band deutlich anzusehen. Nach der Zugabe „Bloodsuckers“, bei dem Engler nochmal zur Höchstform auflief und schlussendlich auf seine Metallrohre kletterte und ins Mikrofon brüllte, verließen die Krupps vorerst die Bühne, um Platz für Nitzer Ebb zu machen. „Bis später“, rief Engler und zwinkerte dem Publikum zu. Man durfte gespannt sein.
Setlist:
01. Intro
02. Hi Tech Low Life
03. Isolation
04. Crossfire
05. Als Wären Wir Für Immer
06. Dr. Mabuse
07. Beyond
08. Blood Money (Nitzer Ebb Cover)
09. Der Amboss
10. The Great Divide
11. Germaniac
12. The Dawning Of Doom
13. Metal Machine Music
14. Fatherland
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15. Bloodsuckers (Z)
Nach einer kurzen Umbaupause fiel dann endlich auch der Startschuss für Nitzer Ebb. Douglas McCarthy, wie immer in einen schwarzen Anzug und Sonnenbrille gehüllt, Bon Harris und Drummer Jason Payne betraten die Bühne unter tosendem Applaus. Der hungrigen Meute vor der Bühne wurde sofort „Getting Closer“ entgegengeschmettert und die zunächst vorherrschende Stimmung wurde mit diesem Klassiker direkt nochmal gesteigert. McCarthy lief über die Bühne und wohin er auch blickte, waren die Fans am tanzen, bewegten ihre Köpfe zum Takt und stampften, was der Boden aushielt. Bei „Down On Your Knees“ vom Album Industrial Complex, mit dem die Band ganz neue Maßstäbe in Sachen elektronischer Musik gesetzt hatte, durfte dann von der Bühne auch der bekannte sexy Hüftschwung von Mc Carthy himself vernommen werden. Ob er regelmäßig vor dem Spiegel übte? Zumindest machte er es ziemlich gut und obwohl sexy Hüftschwünge nicht das sind, was man zwangsläufig mit EBM verbindet, wirkten Performance, Musik und Gesang in sich rund. Die sexy Moves stehen der Musik von Nitzer Ebb; ein Körper kommt immerhin in vielen Lebenslagen ins Schwitzen und in Wallung, nicht nur beim Gestampfe zur passenden Musik.
Es wird immer heißer in der Halle und bei den Krachern „Hearts And Minds“ und „Let Your Body Learn“ ist die Menge nur noch am ausflippen. Jeder einzelne Ton wird in sich aufgesogen und in eine passende Bewegung umgesetzt. Auch Herr McCarthy kommt ordentlich ins Schwitzen und hat vorsichtshalber schon mal sein Jackett abgelegt, bevor er den Krupps- Klassiker „To The Hilt“ performt. Eine tolle Überraschung, auch wenn mir persönlich die Version der Krupps besser gefällt. Neben den obligatorischen Stücken wie „Godhead“, „Murderous“ und „Control, I’m Here“ reiht sich ein „Promises“, das wohlbemerkt rund 20 Jahre später entstanden ist, nahtlos ein. Zeitlose Kunst und Grund für die Fans, nochmal richtig abzugehen. Mit den beiden Zugaben „Warsaw Ghetto“ und dem wunderschönen „I Give To You“, das einige Fans zwischendrin schon immer mal wieder angestimmt hatten, beendeten Nitzer Ebb ihr tadelloses Set vorerst.
Dann jedoch passierte das, worauf alle an diesem Abend gehofft und gewartet hatten: Nitzer Ebb und Die Krupps zusammen auf einer und derselben Bühne! Mit „Wahre Arbeit, Wahrer Lohn“ gaben beide Formationen nochmal alles und es war ein wirkliches Spektakel, diese beiden großen Meilensteine des EBM performen zu sehen. Ein toller Höhepunkt eines wundervollen Abends, den sicherlich kein Fan so schnell vergessen wird.
Setlist:
01. Getting Closer
02. Down On Your Knees
03. Shame
04. Hearts And Minds
05. Let Your Body Learn
06. Once You Say
07. Lightning Man
08. To The Hilt (Die Krupps Cover)
09. Godhead
10. Murderous
11. Join In The Chant
12. Promises
13. Control, I’m Here
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14. Warsaw Ghetto (Z)
15. I Give To You (Z)
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16. The Machineries Of Joy (mit Jürgen Engler & Ralf Dörper // Die Krupps) (ZZ)
Bilder des Konzerts befinden sich in unserer Konzertfotos Sektion (Bildkommentare sind durch Anklicken der Sprechblase möglich) oder direkt durch Anklicken der jeweiligen Bandfotos.
Autorin: Tanja Pannwitz
Fotos: Michael Gamon