Man durfte gespannt sein, wie sich die illustren Opener vor dieser großen Kulisse und dem doch vielfach auch szenefremden Publikum schlagen würden. Doch sämtliche Bedenken wurden von Diary Of Dreams [GALLERY] sogleich endgültig weggeblasen. Ihr Sound kam beim Publikum richtig gut an, was sicher auch mit den zum Teil deutschsprachigen Texten zu tun hatte. Aber auch sonst schien es so, als würde die Weite der Philipshalle den Songs der Waverocker erst die notwendigen Entfaltungsmöglicheiten geben. Alles klang noch beeindruckender als auf den sonst bekannten Club- oder Openairbühnen und auch der auf der Bühne sonst oft etwas zurückhaltend wirkende Adrian Hates hatte sichtlich Gefallen an der Kulisse gefunden, suchte oft den Kontakt zum Publikum und schwor dieses regelrecht auf den Abend ein. Natürlich hatten sie auch wieder ihre stets mitreisende Fangemeinde dabei, doch auch die übrigen Konzertbesucher sparten nicht mit Applaus und machten während der gesamten Diary Of Dreams Show sehr gut mit. Spätestens bei „Kindrom“ gab es kein Halten mehr und die Zuschauer zollten den fünf mit lautem Geklatsche Respekt und zeigten wie viel Freude ihnen dieser Auftritt bereitete. Songs wie „The Wedding“ oder das abschließende „Traumtänzer“ trafen genau den Nerv der Anwesenden und man hat hier sicher einige Fans neu hinzugewonnen.
Gleiches gilt wohl auch für Stephan Groth und seine Band Apoptygma Berzerk [GALLERY], die dieser pünktlich zur Tour neu bestückt hatte. Trotz der Umbesetzungen wirkte der Auftritt wie aus einem Guss und Stephans Performance braucht sich auch hinter der eines Brian Molko nicht zu verstecken, dem er von Mal zu Mal mehr zu ähneln scheint. Er nutzte den präparierten Laufsteg in die Menge voll aus, posierte in bester Rockstar Manier und hatte sichtlich Spaß daran, vor einem solchen Publikum aufspielen zu können. Dieser Spielspaß übertrug sich geradezu spielend auf seine Mitstreiter und schwappte auch in Sekundenschnelle auf die Zuschauer über. Apoptygma Berzerk hatten aber auch nichts dem Zufall überlassen und mit dem Hit „Love Never Dies“ und dem erfolgreichen House Of Love Cover „Shine On“ eröffnet. Das Set war sehr stark rockorientiert, sicher auch ein Resultat des von Stephan in den letzten Jahren eingeschlagenen neuen Weges, der wohl auch in den vollzogenen Umbesetzungen mündete. Hatte das Publikum schon von Beginn an Spaß an dem Gebotenen, fand das Ganze in einer rockigen Coverversion des Peter Schilling Hits „Major Tom“ seinen absoluten Höhepunkt. Zunächst wurde dieser in der englischen Version von Stephan vorgetragen, doch das Publikum sang dazu lautstark das deutschsprachige Original mit und so war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Band umschwenkte und Live-Keyboarderin Leandra Ophelia Dax (Jesus On Extasy, Ex-Diary of Dreams) am Ende den deutschen Refrain übernahm. Die Begeisterung überschlug sich und so wurde auch das abschließende „Until The End Of The World“ ausgiebig zelebriert, bevor die Band ihr Forum begleitet von lauten „Zugabe“-Rufen sichtlich beglückt verließ.
Setlist Apoptygma Berzerk:
01. Love Never Dies
02. Shine On
03. Love To Blame
04. In This Together
05. Back On Track
06. Shadow
07. Major Tom
08. Until The End Of The World
Nun stand die große Bühne also offen für den letzten Opener des Abends: VNV Nation [GALLERY] um Mastermind Ronan Harris. Würden auch VNV das Unheilig-Publikum zu begeistern wissen, wo Frontmann Ronan doch am Vorabend in Freiburg stimmliche Probleme hatte und nur mit Hilfe eines Arztes heute auf der Bühne stehen konnte? Er selbst scherzte jedenfalls locker drauf los und erklärte, dass er derzeit eher eine Telefonsex-Stimme habe, aber sein Möglichstes tun würde, um den Abend komplett durchzuhalten. Auch wenn seine Stimme nicht immer den rechten Ton traf, VNV Nation hatten ebenso wie ihre Vorgänger leichtes Spiel mit den 7000 und feierten eine tolle Party nahe der längsten Theke der Welt. Gerade in den vorderen Reihen wurde lauthals mitgesunden und so bescherte das Publikum der Band eine Stimmung, wie ich sie bei VNV Auftritten bisher selten erlebt habe. Diese Stimmung sorgte später dann auch dafür, dass Ronans stimmliche Unpässlichkeit insbesondere bei „Beloved“ nicht weiter ins Gewicht fiel und trotzdem jeder der Anwesenden seinen Spaß an der Show hatte. Und auch Ronan selbst wurde so von der Euphorie getragen, dass er die ihm sicher zuvor vom Arzt auferlegten Ratschläge komplett über Board warf und das Publikum immer wieder lautstark aufforderte, weiter zu klatschen und zu feiern. Die Party endete wie gewohnt mit dem, wie immer vom etwas nervigen „Mallorca-Gegröhle“ eingeleiteten „Perpetual“, durch das sich Ronan sichtlich kämpfen musste, bevor er und seine drei Begleitmusiker mit verdientem Applaus die Bühne verlassen durften. Nach der Show nahm sich Ronan im Vorraum der Philipshalle sogar noch Zeit für seine Fans, während in der Halle selbst die Vorbereitungen auf den Headliner begannen.
Setlist VNV Nation:
01. The Farthest Star
02. Legion
03. Chrome
04. Illusion
05. Standing
06. The Great Divine
07. Beloved
08. Perpetual
Schon um 20:45 Uhr und damit 30 Minuten vor dem angekündigten Start, erklang das erste Schiffshorn und der baldige Start der unheiligen Show wurde angekündigt, während das Licht in der Halle erlosch. Die Fans rückten nun noch näher zur Bühne. Zunächst erklangen noch „Auf Der Reeperbahn Nachts Um Halb Eins“ und „Für Mich Soll’s Rote Rosen Regnen“ aus den Lautsprechern, aber dann, plötzlich und deutlich verfrüht, begann die Show der Band um den „adeligen“ Frontmann: Unheilig [GALLERY]!
Wie bei allen vergangenen Konzerten um das Erfolgsalbum „Große Freiheit“ leitete auch nun das musikalische Doppel aus „Das Meer“ und darauf folgend „Seenot“ den lang ersehnten Auftritt des Grafen ein. Als er zwischen dem überdimensional großen roten Schiffsbug und den etlichen aufgestellten Kerzen auftauchte und die ersten Töne anstimmte, war das Publikum wie verzaubert. Wie gewohnt liefen auf den beiden riesigen Bühnenleinwänden abwechselnd Szenen aus Unheilig Videos und unmittelbaren Livemitschnitten. Faszinierend ist, dass der aus Aachen stammende Überflieger von Show zu Show nicht an Glanz und Wirkung verliert, sondern dass es sich im Gegenteil von Mal zu Mal eher noch steigert.
Nach der überstandenen Seenot wurden erst einmal die Fans begrüßt, die sicher den ganzen Nachmittag und Frühabend nichts anderes im Kopf hatten, als endlich ihren derzeitigen „Helden“ zu sehen. Mit „Spiegelbild“ wurde dann, als erfrischender Einstieg nach dem Intro ein ordentlicher Ton angeschlagen und die Menge in Feier- und Tanzlaune versetzt, sofern tanzen bei dem Gedränge in der gesamten Halle noch möglich war. Feiern war das richtige Stichwort, denn im Anschluss verkündete der Graf, dass wir heute „unheilig Geburtstag feiern“ wollten. Kaum zu glauben, dass die Unheiligen schon 10 Jahre in der Musikgeschichte herum geistern und doch erst in den letzten 1,5 Jahren den sicherlich größten Teil ihrer jetzigen Fangemeinde abfangen konnten. Zu dieser Feierlichkeit stimmten jene Fans sofort ein kräftiges „Happy Birthday“ an und die Stimmung in der Halle wurde immer wohliger. Mit dem nächsten Song „Winter“ wurde der erste richtige Stimmungshöhepunkt geschaffen, denn das Publikum wurde durch den Wohlklang des Grafen nicht nur in Träumerei versetzt, sondern sang und klatschte so laut mit, dass ein richtiges „Wir“- Gefühl entstand – ein Gefühl, das auf vielen Konzerten schmerzlich vermisst wird. Nach diesem kurzen Schwelgen in Wärme und Wonne ging es erst einmal laut und krachig weiter, bis mit dem gefühlvollen Klassiker „Astronaut“ die nächste Ruhe- und Träumoase geschaffen wurde. Zwischendrin machten die Fans den Anschein, als würden sie nicht richtig folgen, nicht richtig bei der Sache sein, denn der bei „Winter“ kreierte Massenchor schien etwas verstummt. Möglicherweise fühlten sich die Fans jedoch auch so wohl, so geborgen und gebannt von dem, worauf sie den ganzen Tag gewartet hatten, dass sie nun einfach inne hielten und sich fallen ließen. Dennoch galt – wie immer bei solch unheiligen Konzerten -, dass jedem Ruhekissen auch wieder ein starker Aktivitätsschub folgt, der durch Songs wie „Freiheit“ und „Sage Ja!“ zumindest einen Großteil der Fans wieder zur ausgelassenen Feierei verleitete. Aber nicht nur die jubelnden Fans, auch der Graf selbst kam ordentlich ins Schwitzen und so borgte er sich ein Taschentuch von einer jungen Frau in der vorderen Reihe und wischte sich den Schweiß von der Stirn und dem restlichen Gesicht. „Das rahme ich mir ein.“, sagte sie freudig, als der Graf ihr nach Aufforderung das Taschentuch zurück gab. Entzückende Vorlieben, die die Fans heutzutage entwickeln!
Der kahlköpfige Wahl- „Adelige“ wurde immer lockerer und erzählte seinen Fans im Anschluss ein bisschen über sein derzeitiges Leben im Rampenlicht, das er lange Zeit in dieser extremen Form nicht gewohnt war. Trotz aller neuen Erfahrungen wie die Bambi Verleihung, die er seinen Worten nach mit einem Augenzwinkern hinter sich gebracht hatte, sei es immer noch das Schönste für ihn, auf der Bühne zu stehen und für seine Fans zu singen und sie damit glücklich zu machen. Trotz aller „Negativ“- Schlagzeilen – negativ im Sinne der Fans, die ihn vor dem großen Hype extrem mochten – hat er sich jedoch von seiner Persönlichkeit her kaum geändert und das merkt man immer wieder in den Momenten, in denen er zu seinen Fans Kontakt aufnimmt, mit ihnen spricht und einfach „Mensch“ ist.
Das unheilige Set enthielt im weiteren Verlauf noch einige weitere starke Stücke wie beispielsweise dem gefühlvollen „An Deiner Seite“, dem Erfolgshit „Große Freiheit“ und der genialen Nummer „Maschine“. Nach 15 Songs war klar, dass das den Fans nicht reichte, und so tauchten der Graf und seine treue Band noch ganze 3 Male wieder auf der Bühne auf und schmetterten noch einige Zugaben in die Menge, die die Fans mit Freuden aufnahmen. Ein wie immer gelungener Auftritt mit einer sehr guten und angenehm vertrauten Stimmung!
Nach „Neuland“ war die Show vorbei und man darf gespannt sein, ob das Jahr 2011 genauso gut für Unheilig weitergeht, wie das Jahr 2010 endete oder ob es nach dem steilen Aufstieg sogar noch eine Steigerung geben wird. Die Menschenmasse verließ an jenem Abend zumindest glücklich und zufrieden die Tore der Düsseldorfer Philipshalle und konnte so kurz vor Jahresende noch ein schönes Erlebnis verbuchen.
Alles in allem war der gesamte Konzerttag ein voller Erfolg. Bands, die zuvor nur innerhalb der Szene bekannt waren, fanden Anklang und Gefallen bei Menschen, die eventuell sogar aus einem komplett anderen musikalischen Sektor stammen. Ob und wenn ja, welche Auswirkungen das für die aufgetretenen Bands haben wird, das steht in den Sternen. Seit dem raschen Aufstieg von Unheilig und ihrer höchst positiven Erfolgsbilanz heißt es jedoch: Alles ist möglich!
Setlist Unheilig:
01. Das Meer
02. Seenot
03. Spiegelbild
04. Winter
05. Ich gehöre mir
06. Sternbild
07. Astronaut
08. Freiheit
09. Sage ja!
10. Halt mich
11. An deiner Seite
12. Grosse Freiheit
13. Abwärts
14. Maschine
15. Für immer
16. Geboren um zu leben (Z)
17. Unter deiner Flagge (Z)
18. Mein Stern (ZZ)
19. Neuland (ZZZ)
Die kompletten Fotosets der aufgetretenen Bands können jeweils durch Anklicken der entsprechenden Fotos oder GALLERY-Links erreicht werden.
Autorin Tanja Pannwitz (Opener: Michael Gamon)
Fotos: Michael Gamon
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