Musikalisch wurde an den drei Festivaltagen nicht nur für EBM- und Synthie- Fans mit Bands wie Vomito Negro, Leaether Strip, Spetsnaz oder Suicide Commando aufgefahren, sondern auch den elektronischen Klängen entfernte Acts wie Saltatio Mortis oder In The Nursery waren mit von der Partie. Bei so einem Line- Up war sicherlich für jeden etwas dabei!
Freitag, 03.09.2010:
Am Freitag Abend um 18 Uhr war es dann für die erste Band an der Zeit, sich dem NCN Publikum zu präsentieren. Dieses war allerdings bisher nur vereinzelt auf dem Gelände anzutreffen und somit war es auch bei The Pussybats [GALLERY] noch relativ leer vor der kleinen Bühne. Schade, denn die 4 Jungs aus Stuttgart wissen sicherlich auch ein viel größeres Publikum zu rocken, geht doch ihre Mischung aus Gothic und flippigem Rock direkt ins Ohr. Trotz der doch eher düsteren Atmosphäre, die die einzelnen Songs umrahmte, bot jeder Song der Newcomer für sich genug rockige Beats, um sich schon mal etwas warm zu tanzen. Neben Tracks von ihrem Debutalbum ?Famous Last Songs? gab es unter anderem auch ein Cover des White Town Songs ?Your Woman?. Als Einstieg ins NCN Wochenende waren The Pussybats ein solider Act, dem man auf seinem weiteren musikalischen Weg das Beste wünscht.
Auf der Hauptbühne gaben Tenek [GALLERY] den Startschuss in das diesjährige NCN Festival. Anfängliche technische Soundprobleme wurden von den beiden Briten souverän und charmant gelöst, bis es dann endlich mit dem ersten Song, der direkt vom neuen Album stammte, los ging. Für das immer noch spärlich vorhandene Publikum gab es nun Synthiepop vom Feinsten. Auch wenn die beiden Briten Geoff Pinckney und Peter Steer das Projekt Tenek noch nicht allzu lange beleben, merkt man den beiden an, dass ihr Tenek- Sound durchaus auf viel musikalischer Erfahrung basiert. In ihrem 20 minütigen Set auf der Nocturnal Culture Night brachten die Briten einen starken Song nach dem anderen unter, darunter ?Higher Ground? vom aktuellen Album ?On The Wire? und die neue Single ?Blinded By You?. Vor der Bühne fingen nun auch die ersten Synthpop- Fans etwas an zu tanzen: was blieb einem bei so einer stetigen Dynamik, die jeden Song durchzog, auch anderes übrig? Für mich persönlich waren die beiden Herren von Tenek eine große Überraschung, hatte ich doch zuvor nur wenig von ihnen gehört und konnte mir darunter zunächst einmal nur wenig vorstellen. Ab nun gilt es Ohren spitzen, was die beiden Briten noch so alles von sich geben werden. Bis hier hin haben sie jedenfalls schon Großes geleistet. Tenek versprühten an jenem Festivalfreitag viel gute Laune und machten Lust auf mehr elektronische Klänge.
Was vor der kleinen Bühne nun zu beobachten war, war schon beachtlich. Es hatten sich innerhalb von nur 20 Minuten so viele Fans des nächsten Acts angesammelt, dass man sich wirklich fragte, wo sich die Damen und Herren in den vergangenen Minuten versteckt hatten. Patenbrigade:Wolff [GALLERY] lockten so viele Zuschauer vor die Bühne, dass es schon langsam ziemlich eng in den Reihen wurde. Die Patenbrigade um Brigadier Sven Wolff und Brigadeleiter Lance Murdock sieht die Bühne als ihre Baustelle an, auf der es sich auszutoben gilt, um den tanzwütigen Elektrofans eine ordentliche Portion ihrer harten Arbeit mitzugeben. In knallorangenen Schutzanzügen wurde auf der Bühnen- Baustelle geschaufelt und geackert, was das Zeug hielt. Egal, wie klein das zu bearbeitende Bauareal an jenem NCN Freitag war, die Patenbrigade:Wolff wusste ihre Fans mit Songs wie ?Feind Hört Mit? oder ?Gefahrstoffe? genauso zu begeistern, wie beim diesjährigen e-tropolis Festival in Berlin. Im Vergleich zum dortigen Auftritt waren die Bauherren und ihre weibliche Baustellenleitung und ? stimme dieses Mal allerdings in geringerer Besetzung anwesend, was dem Ganzen sicherlich keinen Abbruch tat. Ich hatte mich in Berlin schon gefragt, was so viele bauende, arbeitende Menschen auf der Bühne wollten, war das Ergebnis der großen Arbeit für mich doch nicht wirklich zufriedenstellend. Viele Köche verderben den Brei, viele Bauarbeiten die spätere Baute oder in diesem Fall die Wirkung auf der Bühne. Beim NCN Festival wirkte das Ganze aber schon wesentlich ansprechender als im Juni in Berlin, obgleich die Patenbrigade bisher noch nicht wirklich etwas geschaffen hat, was mir 100%ig gefällt. Sei es drum ? in meinen Augen und für meine Ohren war der NCN Auftritt der lauten und leuchtenden Brigade dennoch solide.
Nachdem die letzten lauten und schrillen Klänge der Patenbrigade:Wolff verhallt waren, wurde es auf der großen Bühne hingegen ziemlich düster und rockig. The House Of Usher [GALLERY] sagten mir bis dato erst einmal wenig ? verwunderlich, machen die Herren doch schon seit nunmehr 20 Jahren dunkle Gothic- Musik und können somit als richtige Urgesteine der zweiten Generation angesehen werden. Und das, was die musikalisch begabten Herren um Frontmann Jörg Kleudgen da auf der Stage darboten, klang wie guter alter Gothic- Rock, der teilweise etwas an die Sisters Of Mercy erinnerte, ohne dabei aber wie eine Kopie zu klingen. Glaube, Liebe, Tod sind die Themen, die sich der Gothic- Rock zu Eigen gemacht hat; jene Themen fanden wir auch in den Songs von The House Of Usher wieder. Zu Songs wie ?Radio Cornwall? oder ?It Doesn’t Matter? gelang es Sänger Jörg dann, mit seiner Stimme eine derartig tragende Atmosphäre zu schaffen, dass man sich wünschte, es wäre draußen bereits dunkler, damit die Wirkung sich nochmals verstärke. Optische Unterstützung bekamen The House Of Usher von einer des Bauchtanzes durchaus fähigen jungen Dame, die dem Publikum mit ihren langsamen Bewegungen die Songs nochmals in Körpersprache nahe brachte. Alles in Allem boten The House Of Usher dem NCN Publikum einen tollen Auftritt. Schade auch hier, dass es noch immer so leer vor der Bühne war. Schieben wir es einmal auf den Freitagabend, an welchem es für einige Besucher sicher noch nicht möglich war anzureisen.
Auf der kleinen Bühne wurde es nun wieder etwas poppiger. Die Synthiepop- Band Iris [GALLERY], der nicht selten der Stempel des Mädchen- Elektros anhaftet, war an der Reihe, das NCN Publikum zu begeistern. Iris wurden 1993 in den USA vom charismatischen Frontmann Reagan Jones und Matt Morris gegründet. Letzterer wurde aber schon bald von Andrew Sega (Keyboard, Guitar, Programming) ersetzt, welcher dem Iris- Sound seither frischen Wind mitgibt und das Ganze dadurch etwas experimentierfreudiger gestaltet. Vor der kleinen Bühne war es wieder einmal ziemlich voll, die Zuschauer warteten gespannt auf die ersten synthetischen Beats, auch in der Hoffnung, sich einen ersten Vorgeschmack auf das neue Iris- Album ?Blacklight? holen zu dürfen. Die Hoffnungen wurden mehr als erfüllt, denn direkt der erste Song ?Disintegrate? war eine Neuheit, dicht gefolgt von dem ebenfalls neuen ?xWires? und ?Red Right Return?. Neben diesen ganzen neuen Hits gab es aber auch Songs aus den Anfängen mit Andrew Sega wie ?Sentimental Scar?. Iris boten dem Publikum ein vollends zufriedenstellendes Set und versprühten eine Menge gute Laute.
Mit Die Art [GALLERY] ging es im Anschluss an Iris auf der großen Bühne weiter. Die 1985 in Leipzig gegründete Band um Kopf des Trupps Holger ?Makarios? Oley hatte in Deutzen somit ein regelrechtes Heimspiel. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass bei ihrem Auftritt auf dem diesjährigen NCN Festival eine Menge Die Art Fans zugegen waren. Nachdem die Band nach sechs Jahren Trennungspause 2007 ihre Wiedervereinigung bekannt gab, sorgen die Jungs stärker denn je für gute Stimmung, die vor allem den intelligenten Texten und der punkigen, rockigen Soundbasis entspringt. Mit Liedern wie ?Alles Was Dein Herz Begehrt?, ?Paradise? oder ?In The Galery? wurde dem Publikum ordentlich eingeheizt und eine heimische Stimmung verbreitet. Die Ost- Kult- Band wusste an jenem Freitag ihre Fans allemal zu überzeugen!
Dem späten Beginn an jenem Tag war es geschuldet, dass bereits als vierte Band auf der kleinen Bühne nun der Headliner Vomito Negro [GALLERY] an der Reihe war. War die vor fast 30 Jahren gegründete EBM- Legende doch lange Zeit von der Bildfläche verschwunden, so gab es spätestens mit dem in diesem Jahr erschienenen Album ?Skulls & Bones? eine klare und deutliche Rückmeldung. Der Grundsound des neuesten Werkes ist noch immer der alte: hart, straight und kompromisslos. Dennoch haben Vomito Negro ihrem Sound ein paar ausgefeilte Finessen aufgesetzt, die dem harten Oldschool- EBM ein modernes Gewand schenken. Die Entscheidung, das ?schwarze Erbrechen? (Vomito Negro aus dem Lateinischen) wiederzubeleben, war die richtige, denn schon bei den ersten Tönen und Beats, die durch Gin Devo und BORG von der Bühne schallten, flippte ein Großteil des Publikums total aus. Nun wurde nur noch gestampft und gefeiert, besonders natürlich zu den Clubklassikern ?Baby Needs Crack? oder ?Stay Alive?. Die beiden Belgier schmetterten einen starken Song nach dem anderen in die Menge und haben sich somit ihre Spielposition mehr als verdient. Ein absolutes Highlight an diesem Abend!
Mit In The Nursery [GALLERY] wurde als Headliner auf der Hauptbühne vor allem stimmungstechnisch mit ganz großem Geschütz aufgefahren. Das von den Brüdern Klive und Nigel Humberstone 1981 in Sheffield gegründete Projekt zählt zu den Grundsteinen der Neoklassik und darf sich seit jeher großer Beliebtheit erfreuen. Absolutes Markenzeichen der seither immer größer gewordenen Formation ist bei ihren Live- Auftritten die eindrucksvolle Verwendung mehrerer Militärtrommeln. Und was dann letztendlich bei der Nocturnal Culture Night auf der Bühne zu hören und zu sehen war, war der absolute Wahnsinn. Die Energie, die dort von der Bühne ins Publikum drang, war einfach überwältigend. David Elektrik (Drums), Nigel (Gesang, Gitarre, Keyboard, Synthies), Klive (Livedrums) und Sängerin Dolores Marguerite kreierten dort eine eindrucksvolle Atmosphäre, die zum Träumen einlud, aber einen mit dieser Energie und Dynamik trotzdem immer wieder wach rüttelte. Ein derartig perfektes Zusammenspiel von Instrumenten, Stimmen und Effekten war mir selten ans Ohr gedrungen. Darüber hinaus sah man vor allem Klive an, wie sehr er die eigens gemachte Musik lebte. Sein Körper sprach jeden Beat mit, jedes einzelne Fünkchen Energie, das dort auf der Bühne geboren wurde. Neben älteren gitarrenlastigen Stücken gab es unter anderem die beliebten ?Bombed? und ?Mystery? zu hören, aber auch aktuell Geschaffenes fand seinen Platz im umfangreichen Set. In The Nursery setzten dem ersten Festivaltag die Krone auf und waren ein absolut würdiger Headliner.
Nach In The Nursery gab es auf der kleinen Bühne noch von Downstairs Left vorgetragene Melancholie und düstere Stimmung pur und langsam ging der erste Festivaltag dem Ende entgegen. Einige suchten nun ihre Zelte auf oder traten den Heimweg an, um sich angesichts der kalten abendlichen Temperaturen erst einmal aufzuwärmen. Andere feierten noch etwas an der kleinen Bühne bei der Aftershowparty mit DJ Andy (Melotron) und DJ Funkerjan. Wir entschieden uns für den Heimweg, um pünktlich am nächsten Mittag ausgeruht und warm angezogen wieder im Kulturpark Deutzen zu sein.
Samstag, 04.09.2010:
So konnte mit Chrom [GALLERY] am späten Vormittag auf der kleinen Bühne gut gelaunt gestartet werden. Die Newcomer hatten bereits mit ihrem Debütalbum ?Electroscope? für positives Aufhorchen gesorgt, geht der Sound der Elektro- Formation doch sofort ins Ohr. Das von Christian Marquis und Thomas Winters 2007 gegründete Elektro- Geschwader macht seitdem den Anschein, sich in kürzester Zeit zwischen den bekannten Future- Pop- und Elektro- Größen einreihen zu können. An jenem Samstagmittag warteten dann auch bereits einige Fans gespannt, um sich von der Wirkung der Dürener auf der Bühne überzeugen zu können. Und wie zu erwarten war, kam auch live eine Menge Energie rüber, die einen unheimlich gut einzustimmen wusste. Mit einem Mix aus energiegeladener Rhythmik und starker melodischer Note fühlte sich auch der ein oder andere Fan dazu berufen, sich schon einmal warm zu tanzen. In ihrem 30 minütigen Set brachten die Jungs einige starke Songs ihres aktuellen Machwerks unter und konnten sich auch bei noch Unwissenden ihrer Künste einen Namen machen.
Als nächster Act wartete der Geheimtipp des NCN Veranstalters auf der Hauptbühne auf uns. Sensory Gate [GALLERY] ist ein Musikproject, das aus jahrelanger Remix- Erfahrung namhafter Größen wie Kirlian Camera, Nine Inch Nails oder Frozen Plasma und zahlreichen Zusammenarbeiten mit Bands wie Klangstabil oder Gastmusiker von Diorama zehren kann. Bei so einer starken Grundlage durfte an diesem Samstag nur Großes zu erwarten sein. Und tatsächlich war das, was dort durch Andrea Pozzi und Max Iannuzzelli von der Bühne schallte etwas, was ich bisher noch nicht gehört hatte. Eine absolut überzeugende Mischung aus treibender Elektronik und packender Eingängigkeit drang an mein Ohr. Diese fesselnde Basis war mit sinnreichen Texten geschmückt, die von Sänger Max ehrlich und überzeugend rüber gebracht wurde, dass es wirklich eine Freude war, dem Treiben auf der Bühne zuzuschauen. Natürlich wurde man auch immer wieder selbst von der Rhythmik gepackt und zum Tanzen gebracht. Durch eine anfängliche Überschneidung mit dem Auftritt von Chrom, war es zwar zunächst etwas leer vor der Bühne, allerdings füllte es sich allmählich und die Stimmung passte so oder so. Fans und Freunde der Band feuerten das Duo bei ihrem allerersten Live- Auftritt überhaupt immer weiter an, so dass auch nach und nach immer mehr Menschen den Weg vor die Bühne fanden. 30 Minuten Sensory Gate hielten einiges an tollen Songs bereit, darunter das gefühlsbetonte ?Laying Hopes?, das einem Freund gewidmet wurde, aber auch das brandneue ?Slash? und ?Domino Effect? packten die Menge. Auf dass der NCN Auftritt dem Bühnenbild entsprechend einen Domino- Effekt mit weiteren tollen Auftritten und viel Erfolg nach sich ziehe! Der Auftritt von Sensory Gate war an jenem Samstag auf jeden Fall eines unserer Highlights!
Auf der kleinen Bühne sollte es nun ebenso elektronisch weiter gehen. Das Duo Gecko Sector ist zwar erst 2007 entstanden, kann aber auch mit einer Grundlage aus großen musikalischen Erfahrungsschätzen glänzen. Gerrit Thomas hat bereits mit dem Projekt Funker Vogt bewiesen, dass er weiß, wie man Musik macht. Für die Instrumentalisierung und das Programming zuständig, überzeugt er auch bei Gecko Sector mit seinem Können, während Stefan Winkel mit seinem Gesang und dem Texten in der Combo glänzt. Vor der kleinen Bühne wurde es also wieder einmal ziemlich voll. Und das, was man da hören durfte, klang tatsächlich ziemlich überzeugend. Mal ging es etwas schneller und härter zur Sache, mal trafen wir auf emotionale, ergreifende Stücke. Gecko Sector präsentierten eine ziemlich bunte Mischung, bei der Langeweile ein absolutes Fremdwort war. Man darf also auf die erste Platte gespannt sein, deren Release für dieses Jahr noch geplant ist.
Im Anschluß an Gecko Sector ging es auf der großen Bühne mit IC 434 [GALLERY] weiter. Gehört hatte ich von dieser Band bis zu jenem Zeitpunkt nichts, jedoch lockten uns die ersten Klänge bereits in Richtung Bühne und so wollte man sich doch ein Bild von dem eigentlichen One- Man- Projekt aus Belgien machen. Geert de Wildes Faible für elektronische Musik, die er selbst hervorbringen wollte, begann bereits 1991. Seitdem wurde der Sound von IC 434 immer wieder überdacht und perfektioniert. Nachdem der Korg M1 Einzug in das Soundgeschehen von IC 434 gehalten hat, war das Musikprojekt so wie es sich de Wilde vorgestellt hatte. Selbst Dirk Ivens (Klinik, Dive, Sonar) war so überzeugt von dem Dark Electro, dass er IC 434 1996 unter Vertrag nahm und einige Alben produzierte.
Auf der Bühne wurde de Wilde an jenem Samstag von Nicolas Van Meirhaeghe (Empusae, This Morn’ Omina), der seit 2003 dabei ist und seinen Beitrag am Korg M1 stehend zu IC 434 leistet, unterstützt. Von den Songs von IC 434 war ich sofort überzeugt, so dass ich an der Bühne stehen bleiben musste statt über den Mittelaltermarkt zu tummeln, wie wir es uns vorgenommen hatten. Allerdings durfte man einer so tolle Mischung aus 80er Sounds, die vom Korg rüberschallten, gepaart mit modernen Elementen und einer starken Stimme seitens Geert de Wilde auch nicht einfach so den Rücken zukehren. Das NCN hielt mit den beiden Belgiern wieder einmal eine tolle Überraschung bereit.
Wie man vom Death Metal kommend zu einer Post- Punk-/ Dark- Wave- Formation erwachsen kann und wie sich das mit kunstgeschichtlichen Einflüssen verträgt, zeigte uns der nächste Act. Die italienische Formation Klimt 1918 [GALLERY] bewies nicht nur mit ihrem Namen, dass sie etwas von Kunst versteht. Auch musikalisch sollte sich zeigen, wie Kunst in Ton klingen sollte. Ob Gustav Klimt diese Musik gemocht hätte, sei mal so dahin gestellt. Festzuhalten ist jedoch, dass nicht nur ein Bild, sondern auch ein Song gemalt werden kann. Und so tat es am NCN- Samstag das Vierergespann um Frontmann Marco Soellner. Zwar spürte man bei einigen Songs, dass die Jungs auf jeden Fall einmal härtere Musik gemacht haben, aber das Ganze verschmolz wirklich zu einem überraschend guten Gesamtwerk. Während das Publikum sich der anhörbaren Kunst hingab, schmetterten die Jungs einen Song nach dem anderen von der Bühne, mal etwas lauter und kräftiger, mal etwas ruhiger. Unter anderem fanden wir in ihrem Set das gefühlvolle ?The Graduate?, aber auch die beliebten ?Skygazer? und ?Snow Of ´85? wieder.
Als nächstes sollte ein Act die Hauptbühne betreten, auf den ich mich im Vorwege eigentlich sehr gefreut hatte. Lola Angst [GALLERY] hatten mich vor allem mit ihrem Song ?Boulevard Of Broken Hearts? überzeugt und da ich nicht all zu viel vom Berliner Projekt kannte, war ich umso mehr gespannt, ob ich mich auch live und von anderen Songs überzeugen ließe. Eine pompöse Orgel mit zahlreichen Orgelpfeifen schmückte die Bühne und diente als Dreh- und Angelpunkt jedes Songs. Alexander Goldmann, seinerseits ausgebildeter Kirchenorganist, konnte auch mit seinem Gesang überzeugen, doch leider wirkte das Gesamtbild etwas albern. Es wurde überheblich und angestrengt posiert, egal ob es einem Song stand oder nicht. An und für sich klangen Songs wie ?Hello Happiness? schon ansprechend, aber künftig höre ich sie mir lieber zu Hause auf Platte an. Dennoch schien die Show der drei Rebellen dem Publikum ordentlich zu gefallen, denn vor der Bühne tummelten sich einige NCN Besucher und tanzten und jubelten. Überzeugt werden konnte ich an jenem Samstag selbst aber nicht.
Da kam mit der nächste Act schon gelegener, denn uns erwartete eine interessante Mischung aus Electroclash und Industrial mit technoiden Einflüssen. Seit 1992 kann Len Lemeire mit seinem Projekt Implant [GALLERY] schon überzeugen und so dauerte es auch nicht lange, bis die Klänge aus Belgien zu uns nach Deutschland hinüber schwappten. An jenem Samstag sollten Implant das NCN Publikum begeistern und der Andrang vor der Bühne zeigte ein weiteres Mal, dass man sich fast einstimmig auf diesen Act freute. Gestartet wurde sofort mit einem elektronisch- technolastigen Stück, das sofort dafür sorgte, dass ein Großteil der Menge zu tanzen begann. Trotz der doch hörbaren Technoelemente kam aber auch der düstere Effekt nicht zu kurz. Innovativ war irgendwie jeder Song, denn das, was man erwartete, erreichte das Ohr nicht, stattdessen gab es immer wieder eine musikalische Überraschung, die umso mehr Freude bereitete. In ihrem Set brachten Implant unter anderem auch einen mit Anne Clark aufgenommenen Song ?Tune Up Your Chips? unter, wobei hier die Stimme von Anne Clark leider vom Band kam. Gefallen konnten die Belgier aber trotzdem in mir und sicherlich auch vielen weiteren Besuchern auslösen.
Und nun war es endlich soweit. Diorama [GALLERY], auf die wir uns sehr gefreut hatten, betraten im Anschluss die Hauptbühne. Wie auch schon bei der letzten Tour und dem diesjährigen Blackfield Festival waren auf der Bühne zwei große Cubes installiert, in welchem sich zum einen die Drums, zum anderen das Keyboard wieder fand. Für Felix Marc, der dieses Mal auf der Bühne fehlte, gab es Unterstützung von Boris May von Klangstabil. Vor dem Auftritt der erfolgreichen Electro- Pop- Band hatten sich bereits viele Fans, Diorama- Lemminge, eingefunden, die gespannt auf Frontmann Torben Wendt und sein stets gut gelauntes musikalisches Gefolge warteten. Und wie war das Gejubel groß, als nach und nach alle auf die Bühne huschten und Torben ?Child Of Entertainment? anstimmte. Sofort wurde man mitgerissen von der super Stimmung vor und auf der Bühne; selbst Besucher, die einmal eben das Bühnengelände überqueren wollten, hielten plötzlich an und schauten erst einmal zu. Torben machte währenddessen ordentlich Stimmung, verzauberte mit dem ein oder anderen ulkigen Gesichtsausdruck und überzeugte nicht nur mit seinem Gesang, sondern mindestens genauso stark mit seiner die Songs untermalenden Körpersprache. Immer wieder lehnte er sich bei ?Erase Me? in die Menge und heizte damit den Fans noch stärker ein. Spätestens ab ?Why?, das sich zu einer regelrechten Fan- Hymne entwickelt hat, gab es für das Publikum kein Halten mehr. Als Torben dann auch noch anfing, selbst am Piano tätig zu werden, wussten die Fans, dass es wieder ein perfekter Auftritt Dioramas werden würde. So stimmte ein witzelnder Torben beim darauf folgenden Song erst einmal ?The Entertainer? von Scott Joplin und dem allseitsbekannten und ? gespielten Flohwalzer an, bevor es für die Fans eine wunderschöne Akustikversion von ?Hla? zu hören gab. Mit ?Ignite? wurde dann abermals die Stimmung angehoben, sogar so sehr, dass es beim Performen auf der Bühne den begabten Gitarristen Sash zu Boden brachte, was allerdings genauso gut gelaunt einfach in den Song eingebaut wurde. Mit ?Synthesize Me? endete dann ein absolut spaßiger, erfolgreicher Auftritt. Und Torben ließ es uns noch einmal wissen, dass Diorama spätestens seit jenem Song nicht mehr aus der Liga der Superstars wegzudenken sind. Er scherzte natürlich dabei, denn er bezog sich damit auf die Ansage der sympathischen Moderatorin. Recht hatte er in den Augen seiner Fans sicherlich trotzdem!
Als nächster Act stand Dark- Rock aus Oberbayern auf der kleinen Bühne auf dem Programm. Ob mit Lacrimas Profundere [GALLERY] tatsächlich Tränen vergossen werden, sollte sich erst noch zeigen. Zum Weinen war beim Soundcheck der vier Jungs zunächst einmal aber die hakende Technik, die den Showbeginn etwas verzögerte. Geduldig warteten aber die zahlreich erschienenen Fans, um mit der sich seit Bestehen 1993 ständig wechselnden Bandbesetzung ordentlich zu feiern. Seit 2007 gab es aber keine Besetzungsänderungen mehr. Vielleicht hat sich nun alles endgültig zusammengefunden? Zumindest klang das Ganze relativ rund, als die Show dann endlich mit Verspätung begann. Nach einem lauten, eindrucksvollen Intro wurde auch mit Songs wie ?To Bleed Or Not To Bleed? , ?Her Occasion Of Sin? oder ?Ave End? ordentlich abgerockt. Musikalisch zeigten Lacrimas Profundere einen Rundumschlag aus ihren Schöpfungszeiten und stellten sicher so manchen Fan zufrieden. Für mich war es ein solider Auftritt, ich mag die Stimme von Sänger Roberto Vitacca, der seinen Vorgänger Christopher Schmidt 2007 erfolgreich ablöste, aber 100%ig überzeugen konnten mich die bayerischen Rocker irgendwie nicht.
Im Anschluss an Lacrimas Profundere warteten einige Besucher gespannt auf eine Band, die die Mengen nicht weniger zu rocken weiß. Megaherz [GALLERY] mussten seit Bandbestehen 1993 schon einige tiefe Täler durchqueren; spätestens nachdem Gründungsvater Alexx Wesselsky 2003 die Band, die sich schon fest im Bereich der Neuen Deutschen Härte integriert hatte, verließ, nahte eine der größten Proben, auf die man eine erfolgreiche Band nur stellen kann. Nach harter Arbeit und einigen Umstrukturierungen hatte sich die aus Bayern stammende Combo um den neuen Frontmann Lex Wohnhaas aber wieder gefangen und fühlt sich wieder richtig Wohl in ihrem Metier. Genau das merkte man den Jungs dann auch auf der Bühne an. Mit ?Das Tier In Mir? ging es los und Lex strotzte nur so vor Energie. Es machte richtig Spaß, ihm auf der Bühne zuzuschauen, wie er mal kräftig rockte, um sich wenig später aus seinem Dunstkreis hinaus in Richtung Fans zu bewegen. In ihrem 80 minütigen Set wurden dann einige Songs präsentiert, die Megaherz Fans sicher glücklich machten, darunter ?Heuchler?, ?Miststück? und ?5. März?, welches zunächst als Akustikversion im Stil von Louis Manke an unser Ohr drang, um schließlich im bekannt rockigen Stil zu enden. Eine gelungene Überraschung! Neben diesen älteren Songs wurden aber auch neue Arbeiten wie ?Ebenbild? nicht vernachlässigt. Alles in Allem war die Show von Megaherz sehr gelungen. Dem Hörer und Betrachter wird zumindest aufgefallen sein, dass ein Megaherz nicht so schnell verstummt; komme, was wolle.
Auf der kleinen Bühne wurde es nun langsam Zeit für den Headliner des Abends. Das sollten an jenem Festivalsamstag niemand anderes als die Schweden von Spetsnaz [GALLERY] sein. Auch wenn Stefan Nilsson (Musik, Gesang, Text) und Pontus Stalberg (Schlagzeug) erst seit 2001 dabei sind, klingt vieles ziemlich nach alter Schule. Es gibt wenige Bands, die es erfolgreich schaffen, Anleihen bei Nitzer Ebb, Front 242 oder den Krupps zu nehmen und dann trotzdem wieder innovativ und selbstständig zu klingen. Der EBM à la Spetsnaz schafft es jedoch, einen tanzflächentauglichen Song nach dem nächsten aus dem Ärmel zu schütteln. Da die Jungs dadurch in aller Munde und vor allem aus der Szene nicht mehr wegzudenken sind, war es, wie erwartet, brechend voll vor der Bühne. Mit den zwei Krachern ?Apathy? und ?Allegiance? wurde dann auch ordentlich losgelegt und die Menge stampfte sofort mit. Die Stimmung steigerte sich von Song zu Song und es wurde weiter fröhlich mitgemacht. Genauso stark wie es begonnen hatte, ging es dann auch weiter und es wurden sowohl ältere als auch neuere Stücke in die Menge geschmettert. Mit ?Perfect Body? und ?Hardcore Hooligans? warfen die beiden Schweden dann abermals begehrtes Futter vor die tanzende Meute. Spetsnaz lieferten einen absolut gelungenen Auftritt mit toller Stimmung und einer extrem gut gewählten Songauswahl ab!
Als Headliner der Hauptbühne warteten Suicide Commando [GALLERY] auf uns. Konnten sie die Mengen auf dem diesjährigen WGT schon voll und ganz überzeugen, so waren nun natürlich die Erwartungen groß, dass es mindestens genauso gut werden würde. Und nachdem dem NCN im vergangenen Jahr eine kurzfristige Absage erteilt werden musste, freute man sich nun umso mehr auf die Show von Hellektro- Genie Johan Van Roy. Themen wie Tod, Mord, Suizid und andere grenzwertige Thematiken weiß in der Szene so wie er niemand anderes geschmackvoll und erschütternd zugleich in elektronische Klänge zu hüllen. Natürlich liegt dem Gesamtwerk von Suicide Commando rund 20 Jahre Erfahrung zugrunde und seither wurde viel herumexperimentiert, bis der Sound so unverwechselbar klang, wie er heute klingt. Die Arbeit hat sich gelohnt, denn das Suicide Commando ist seither nicht mehr wegzudenken von den Tanzflächen Deutschlands, Europas und der Welt.
Mit ?Severed Head? legte Johan los und im Grunde jagte auch hier ein Kracher den anderen. Ob Stücke vom aktuellen Album ?Implements Of Hell? wie gerade genanntes ?Severed Head?, ?The Pleasures Of Sin? oder ?Die Motherfucker Die? oder etwas ältere Songs wie der Klassiker ?Cause Of Death Suicide? oder ?Dein Herz, meine Gier?; jeder einzelne von der Bühne ins Publikum dringende Klang schlug ein wie eine Bombe. Untermalt wurden die Songs von aufrüttelnden Videos, in denen sich mal die Pulsader aufgeschnitten wurde oder aber Bilder aus der Dritten Welt für Schrecken sorgten. Diese Gesellschaftskritik schaffen es bisher nur wenige Bands so glaubhaft rüber zu bringen wie es Suicide Commando vermag. Mit Unterstützung von Torben Schmidt (Lights Of Euphoria, Infacted Recordings) am Keyboard und Mario Vaerewijck (Insekt) an den Drums kreierte der energiegeladene Johan eine einmalige Show auf der Bühne, der die Spielposition als Headliner wie auf den Leib geschnitten war.
Der zweite Festivaltag war musikalisch, vom Wetter her gesehen und von der Stimmung her ein voller Erfolg, dem nichts mehr hinzuzufügen ist. Die Freude auf den Sonntag war demnach auch groß, obwohl wir bereits am Samstag und Freitag viele tolle Highlights hatten.
Sonntag, 05.09.2010:
Wir stiegen an jenem Sonntag allerdings erst bei Slave Republic [GALLERY], die im Anschluss an Vanessa die große Bühne betraten, ein. Obwohl ich persönlich mit modernem Indie- Pop für gewöhnlich relativ wenig anfangen kann, hatte es der Geheimtipp des NCN Veranstalters sofort geschafft, mich mit seinen Songs zumindest schon einmal ein bisschen zum Mitwippen zu bewegen. Und so ging es einigen, die ich um mich herum sehen konnte, auch wenn viele nur sitzend ihre Beine langsam in Bewegung bekamen. Die Tanzbarkeit der Songs steht beim Duo Slave Republic absolut im Vordergrund und das tat an jenem Sonntagmorgen nach bereits zwei fast nahtlos durchgetanzten Festivaltagen zum Warmwerden richtig gut. Dass die Band einst zu viert auf der Bühne stand, merkt man den beiden verbleibenden Mitgliedern Alec Fu (Gitarre, Gesang) und Alex Alice (Bass, Drumcomputer) gar nicht an, klingt das Ganze doch zu zweit auch relativ rund und ansprechend. Mit ihrem Debütalbum ?Electric One? zeigten die beiden Jungs bereits, dass sie genug Erfahrungen gesammelt hatten, um erwachsene Musik zu machen, die ihre Hörer auch erreicht. Und natürlich gab es auch an jenem Festivalsonntag eine Menge toller Songs vom genannten Debüt zu hören, darunter ?Electric? und ?My Maker?, welches im Studio von Peter ?Jem? Seifert (HIM) abgemischt wurde. Ein toller neuer Einstand und eine schöne Rückmeldung aus der Indie- Welt, wie ich finde!
Auf der kleinen Bühne ging es nun mit einem in der Szene nur allzu bekannten und beliebten Genossen weiter. Sven Friedrich, der sich bereits mit seinen Projekten Zeraphine und Dreadful Shadows einen Namen geschaffen hat, reiste mit seinem Elektro- Projekt Solar Fake [GALLERY] im Gepäck in Deutzen an und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das NCN- Publikum zu verzaubern. Dass Friedrich sich im Bereich der handgemachten Musik bestens auskennt, kann man durch seine Erfolge mit oben genannten Bands nur bestätigen, aber wie war es um den Hang zu den elektronischen Klängen seinerseits bestellt? Dass es ein großer persönlicher Wunsch Svens war, ein rein elektronisches Projekt zu gründen, merkt man ihm auf der Bühne auch direkt an, geht er doch voll und ganz in dem auf, was er da macht. Eingängig, mitreißend und gefühlvoll zugleich ? diese Attribute schienen Sven an jenem Tag anzuhaften wie kaum einem anderen. Und so schafft er es auch, die zahlreichen vor der Bühne stehenden Fans zu beeindrucken, sei es mit dem sich in den Kopf brennenden ?Stigmata Rain? oder dem gefühlvollen ?Hiding Memories From The Sun?. Es hat ein weiteres Mal große Freude gemacht, Sven Friedrich auf der Bühne agieren zu sehen und seine Musik zu genießen. Mir gefällt sein mit Solar Fake elektronisch eingeschlagener Weg im Moment gerade sogar ein Tick besser als das rockige Projekt Zeraphine.
Waren die letzten elektronischen Klänge von der kleinen Bühne gerade erst verhallt, sollte es auf der Hauptbühne sofort wieder gegensätzlich rockig werden. Für die Belgier von Star Industry [GALLERY] wird erst einmal eine ausreichende Menge Bier an den Instrumenten positioniert, auf dass es ein feucht- fröhliches Schaffen auf der Bühne werde. Dass Belgien es in der Vergangenheit immer wieder geschafft hat, gute EBM- Projekte in seine Nachbarländer zu entlassen, darüber braucht nicht diskutiert zu werden. Doch nun durften wir erst einmal Gothic- Rock vom Feinsten aus Belgien begrüßen. Und was da live auf der Bühne rüber kam, war wirklich großartig. Von der Musik her erinnert der Stil von Star Industry etwas an Fields Of The Nephilim, aber trotzdem kommt das Ganze wesentlich frischer, wesentlich moderner rüber, dass es auch in jungen Menschen und Freuden der rockigen Klangerlebnisse Freude erwecken kann, ohne schwer verdaulich zu sein. Nach und nach tat sich eine feine Mischung aus rockigen Grundelementen, eingängigen Melodien und durchdachten Synthie- Sounds auf, die sofort Gefallen im Publikum auslöste. Frontmann Peter Beckers schaffte es auch immer wieder, mit aufregenden Posen die Stimmung noch etwas weiter zu pushen. Schade nur, dass er den kompletten Auftritt über mit Sonnenbrille und Hut da stand. Nichts desto Trotz lieferten die belgischen Goth- Rocker an jenem Tag eine tolle, mitreißende Show ab und begeisterten die Fans mit Songs wie ?Ceremonial? oder einer tollen rockigen Cover- Version von MGMT’s ?Kids?.
Lief bisher programmmäßig alles gut, so gab es nun die ersten wirklichen Veränderungen, denn Ronan Harris konnte mit seinem Projekt Modcom nicht rechtzeitig anreisen. Also ging es zunächst einmal auf der großen Bühne weiter, während sich die Girls Under Glass auf der kleinen Bühne gedanklich einrichteten.
Auf der Hauptbühne ging es daher also direkt mit dem Industrial- Projekt Xotox [GALLERY] weiter. Was 1998 zunächst als Solo- Projekt von Andreas Davids begann, hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einer Szene- Größe entwickelt und ist von bestimmten Noise- Partys schon lange nicht mehr wegzudenken. Seit einiger Zeit steht der Schöpfungsvater nun gemeinsam mit seiner Frau Claudia auf der Bühne, wodurch dem Publikum nicht nur noch mehr Dynamik, sondern auch etwas fürs Auge geboten wird. An jenem Sonntag traten aber beide in gepanzerten, schwarzen Westen und Mundschutz auf die Bühne. Nur die schulterlangen, gepflegten Haare ließen erahnen, dass sich unter einer der Verkleidungen eine Frau verbarg. Durch auf einer Leinwand ablaufende Videos unterstützt ging es dann auch sofort ans Werk und der Bitte des Publikums um Erhöhung der Grundlautstärke wurde schnell Folge geleistet. Somit schallten knappe, harte Beats mit geringfügig aufflammenden, einprägsamen Melodien abermals lauter von der Bühne. Fans und Freunde dieser Musikrichtung fingen sofort an zu tanzen, aber angesichts der Lautstärke war es auch für den rein schaulustigen, interessierten Besucher ein schweres Unterfangen, von den Beats nicht gepackt zu werden. Für die passenden, der Musik gerecht werdenden Effekte sorgte Claudia dann mit einer großen Trommel, der bei jedem Schlag ringförmig Nebel entstieg. Auch wenn ich mir diesen Industrial- Extreme- Act besser in dunklen Discoräumen vorstellen kann, lieferten Xotox eine laute, bebende Show ab, die sicherlich die Fans zufrieden stellte. Für mich persönlich war es irgendwann zu viel des gut gemachten Kraches, so dass wir bald die Hauptbühne verließen, um einen kleinen Snack zu uns zu nehmen.
Der Flexibilität der Hamburger Girls Under Glass [GALLERY] ist es zu verdanken, dass es im Anschluss an Xotox auf der kleinen Bühne trotz des noch fehlenden Ronan Harris weiter ging. Bereits beim diesjährigen Blackfield Festival hatte ich mich von der Wave- Legende überzeugen lassen und freute mich nun umso mehr auf so einen tollen Act. Was das Faszinierende an den Girls Under Glass ist, ist, dass sie nicht nur jedem ihrer Songs eine so persönliche Note mitgeben, sondern dass das Ganze auf der Bühne auch so ehrlich, so authentisch rüber gebracht wird, dass es sich für einen Fan anfühlt, nach Hause zu kommen, dorthin, wo man sich wohl fühlt. Genau das beinhalten die Auftritte von Girls Under Glass und das macht sie so sympathisch und attraktiv für viele Szenegänger, auch wenn sich die Girls (äh Boys) nie wirklich der schwarzen Szene zugehörig fühlten. Und nach kurzer Wartezeit für die Fans ging es dann um kurz nach 16 Uhr auch endlich los. Nach einem einleitenden Intro wurde sofort der Weg ?In Die Einsamkeit? geebnet und mit diesem starken Stück sofort ordentlich losgelegt. Mit ?Ohne Dich?, das viele sofort zum Tanzen brachte, wurde ein weiterer Kracher aus dem Ärmel geschüttelt. Es folgten noch weitere Topsong aus den vergangenen über 20 Jahren positiven Schaffens, unter anderem der Klassiker ?Down In The Park? und ?Humus? aus den Anfangstagen der Girls Under Glass. Ein toller Auftritt, der wieder einmal aus der überzeugenden Wirkung von Frontmann Volker Zacharias schöpfen durfte!
Im Anschluss an Girls Under Glass wartete man auf den verspäteten Ronan Harris, der mit seinem Projekt Modcom [GALLERY] aufschlagen wollte. Und nun war er auch endlich da, der Flieger hatte ihn heil und gesund nach Deutschland gebracht. Vorrangig VNV- Nation Fans warteten an der Bühne auf Mastermind Ronan und waren gespannt, was es an jenem Festivaltag von ihm auf die Ohren gab. Das, was dann da von der Bühne schallte, war im ersten Moment auch gar nicht so übel, erinnerte es von der Art doch sehr an VNV Nation, nur dass eben die Vocals fehlten. Nach zwei Songs hatte man es dann aber auch schon über. Es klang plötzlich alles so sterbenslangweilig, dass wir schon einmal den Weg zur Kulturbühne suchten, auf der die Schementhemen sich schon zurecht gerückt hatten, um eine skurrile Lesung zu geben. Der wahre Ronan- Fan blieb allerdings vor der Bühne, jeden Beat der Synthies mittanzend, jubelnd und feiernd. Schön, dass Herr Harris nicht umsonst angereist war. Meiner Meinung nach war eine Festivalbühne allerdings nicht der richtige Ort für ein solches One- Man- Projekt, passierte doch auf der Bühne nicht wirklich viel. Vielleicht hätte mich das Ganze im entsprechenden Rahmen ?ähnlich wie bei Xotox? in einer dunklen Disco bei entsprechend geringerer Beleuchtung und anderer Stimmung mehr angesprochen.
Auf der großen Bühne sollte es im Anschluss an Modcom direkt mit Nachtmahr, die bereits auf dem diesjährigen Amphi Festival für eine Menge Krach gesorgt hatten, weiter gehen. Man kann nur hoffen, dass die Nachmahr- Mädels ihren Einsatz auf der Bühne beim NCN Festival etwas sinnreicher gestalteten, standen sie doch beim Amphi eigentlich nur herum und leisteten keinen wirklich bereichernden Beitrag zur Gesamtshow.
Wir saßen jedoch entspannt vor der Kulturbühne und lauschten der Lesung von Myk Jung und Klaus Märkert, die mit ihrer Veranstaltungsreihe ?Schementhemen? [GALLERY] vor allem im Ruhrgebiet, aber auch überregional bisher tolle Erfolge verzeichnen konnten. Im Vergleich zu den sonstigen Lesungen, die die beiden mit Gast- Lektoren für gewöhnlich sitzend bestreiten, standen Jung und Märkert bei ihrer Lesung auf dem NCN Festival, was zunächst einmal schon ein lustiges Bild ergab. Der eine wild in schwarzer Leder- Kutte, der andere schüchtern in Pulli und Jeans. Lustig waren dann auch die verschiedenen, vorgetragenen, selbst erarbeiteten Kurz- Geschichten, die es dort zu hören gab. So wurden neben einer Story, in der es um ein wortwörtlich beschissenes Problem eines Szenegängers ging, Dinge aus dem Leben eines Grufties thematisiert. Schwarz, schwarz, schwarz ist alles, was ich trage oder tragen will. Bei blauem Kuli auf weißem Papier gibt es dann die erste wirkliche Sinnkrise in der bewegenden, humorvollen Geschichte, die von Myk Jung überzeugend vorgetragen wird. Immer wieder tönt schallendes Gelächter aus dem Publikum; die Herren wissen, wie sie den Humor der Menschen am Schopfe packen. Wer es auf so skurril- komische Art schafft, unsere Szene mit einem Augenzwinkern auf die Schippe zu nehmen, der verdient mehr als nur Applaus. Letzteres gab es natürlich en masse für diese tolle Lesung, aber sicherlich auch viele neue Interessenten, die die Schementhemen sicherlich nicht zum letzten Mal aufgesucht haben.
Die kleine Bühne wurde beim diesjährigen NCN Festival nun zum letzten Mal betreten und zwar von niemand geringerem als Claus Larsen mit Leaether Strip [GALLERY]. Darauf freute sich die Gesamtheit des NCN- Publikums schon sehr, denn auch hier war es wieder brechend voll vor der Bühne. Als dann auch noch bekannt wurde, dass Larsen angesichts der Tanzwütigkeit der Fans, welche er in den vergangenen Festivaltagen live miterlebt hatte, alle langsamen Songs aus seinem Set gestrichen hatte, war die Freude und das Gejubel groß. Larsen, der nach langer Krankheit seit dem letzten Jahr deutliche und einschlägige Rückmeldungen in Sachen Musik gegeben hat, ist seither nicht mehr wegzudenken von Festivalbühnen wie dieser. Die EBM- Szene liebt ihn und braucht ihn, so viel steht fest. Nach über 20 Jahren Schaffenszeit ist das eine Auszeichnung, wie man sie sich als Künstler nur wünschen kann.
?Are you ready for 90 minutes in hell?? rief Claus von der Bühne in die Menge und sofort wurde ordentlich losgelegt. Sogar ein Klutae Stück, nämlich ?Desert Storm? hatte sich in das Set von Leaether Strip eingeschlichen und wurde genauso gefeiert und bejubelt wie ?Introvert? vom aktuellen Album oder der Klassiker ?Japanese Bodies?. Gefolgt von ?Strap Me Down? und ?Don’t Tame Your Soul? ging es sofort stark weiter. Hier jagte eine Dance- Hymne die nächste; es wurde gestampft und gefeiert, was die Beine am dritten Festivaltag noch hergaben. Und da war bei den meisten Besuchern noch einiges an Kraft vorhanden. Claus Larsen ließ sich auch selbst immer wieder mitreißen und nahm die Bühne für eigenes Gestampfe ein und hob die Stimmung somit noch weiter an. Selten war mir ein Künstler untergekommen, der die EBM- Mengen so begeistern konnte und der den Kontakt zu seinen Fans so pflegt und schätzt, wie es ein Claus Larsen tut. Larsen bot dem Publikum einen einwandfreien und energiegeladenen Abschluss und setzte dem gesamten Festival die Krone auf.
Als letzter und abschließender Act erwarteten uns die Spielmänner von Saltatio Mortis [GALLERY] auf der großen Bühne. Aber was war mit dem Publikum los, das bereits nach Leaether Strip das Gelände verließ? Es wurde plötzlich immer leerer auf dem Gelände, so dass nur noch gerade einmal die Hälfte der am letzten Tag anwesenden Besucher bei Saltatio Mortis vor der Bühne stand und zunächst einmal etwas skeptisch schaute. War die Elektro- Szene wirklich so unflexibel, dass sie sich nicht auf einen Mittelalter- Act einlassen konnte? Wer Saltatio Mortis kennt, der weiß, dass die Jungs keinesfalls einen gewöhnlichen Act in diesem Genre darstellen, sondern dass sie es immer wieder schaffen, die Massen dermaßen zu begeistern, dass es schwer fällt, einen Vergleich zu finden. Innerhalb weniger Jahre hatte es die seit 2000 bestehende Band geschafft, neben Größen wie Subway To Sally, Schandmaul und In Extremo zu bestehen und sich perfekt und nahtlos zu integrieren. Sei es auf Mittelaltermärkten oder größeren massenkompatibleren Events ? die Crew um Frontmann Alea, dem Bescheidenen, begeistert und schafft Stimmung zu jeder Tageszeit. An jenem Abend war es schon dunkel und das von der Bühne schallende Intro schaffte eine unheimlich mysteriöse Atmosphäre. Als dann die ersten Drumbeats folgten, jubelten die Fans und nahmen Alea und sein Gefolge freudig in Empfang. Mit ?Rastlos? von der neuen Scheibe ?Wer Wind Sät? legten die gut gelaunten Spielmänner sofort richtig los und es wurde gerockt, was das Zeug hielt. Leider schwappte diese Energie, die dort auf der Bühne geboren wurde, nicht sofort ins übrige, sich in etwas Entfernung befindliche Publikum über. Alea heizte also mit Songs wie ?Tritt Ein?, bei welchem er die Fans in der ersten Reihe höchstpersönlich begrüßte, oder ?Wirf Den Ersten Stein? immer mehr ein. Langsam aber sicher traute sich das übrige Publikum dann auch näher an die Bühne und ließ sich von der Show mitreißen. Bei ?Keines Herren Knecht? schnappte sich der tanzende Alea dann einen kleinen Jungen namens Robin aus dem Publik und sang, ihn auf dem Huckepack, erst einmal weiter. Der kleine Kerl krallte sich immer wieder fest an Alea und genoss die ganze Aufmerksamkeit, die ihm entgegen kam. Eine wirklich bezaubernde Geste vom quirligen Sänger!
Mit ?Koma?, bei dem sich das gesamte Publikum an den Händen hielt, ?Prometheus? und ?Wir Säen Den Wind? wurde die Stimmung an der Hauptbühne immer weiter angehoben. Nun tanzten sogar Besucher, die mit dem mittelalterlichen Gespiel augenscheinlich überhaupt nichts anfangen konnten. Zu ?Falsche Freunde? forderte Alea dann das Publikum auf, eine Polonaise über die Stufen des Bühnengeländes zu machen. Er führte an und sang und viele Besucher folgten ihm gehend, laufend, springend. Trotz der niedrigen Außentemperaturen wurde einem nun richtig warm und es war eine Freude, so ausgelassen mit so vielen Menschen zu feiern. ?Spielmannsschwur? beendete das umfangreiche Set und so ließen Saltatio Mortis ein glückliches und ausgepowertes Publikum zurück. Es war wieder einmal ganz große klasse, was da auf der Bühne geleistet wurde!
So ging ein erfolgreiches NCN Festival mit vielen tollen Künstlern und einer durchweg super Stimmung zu Ende. Im Grunde genommen kann nur Positives verbucht werden. Sogar das Wetter war auf unserer Seite, ganz im Gegensatz zu den vergangenen Jahren. Für uns steht fest: wir kommen wieder! Und somit freuen wir uns schon auf die Nocturnal Culture Night 2011.
Die kompletten Fotosets der aufgetretenen Künstler erreicht ihr über die entsprechenden [GALLERY]-Links im Text.
Bericht: Tanja Sunshine
Fotos: Michael Gamon (Fotos Gecko Sector: Thomas Bunge)