Als ich die Halle um 19:40 Uhr betrat, hatten Oceansize [GALLERY] als erste Band des Abends bereits seit wenigen Augenblicken ihren Dienst aufgenommen und auch der Zuschauerraum war trotz der frühen Uhrzeit halbwegs gut gefüllt, wenn auch noch steigerungsfähig. Oceansize kommen aus der Talentschmiede Manchester, machen progressiven Indierock mit Shoegazeeinflüssen, mal etwas gemäßigter, aber auch immer wieder schrammelig und äußerst rockig. Man hatte sich offenbar einiges vorgenommen und präsentierte in Dortmund neben bekannten Songs aus ihren bisherigen drei Alben auch schon einige Songs vom nächsten, bisher noch nicht datiertem neuen Album, das aber wie Sänger Mike Vennart scherzhaft anmerkte sicher in den nächsten zehn Jahren erscheinen sollte. Das Set dauerte exakt eine halbe Stunde, woran sich, nachdem der verdiente Applaus erlosch, die erste, mit 20 Minuten angenehm kurze Umbaupause anschloss.
Mother Tongue [GALLERY] aus Los Angeles waren als nächstes an der Reihe. Die Band besteht zwar ?erst? seit 1990, hat ihre Wurzeln aber ganz klar im Funkrock der Siebziger Jahre, womit sie große Teile des Publikums schnell im Griff hatten und ein kleiner Fanclub in der ersten Reihe konnte, ganz zur Freude der Band, auch gleich unaufgefordert mitmachen, wenn sich die Chance zum mitsingen ergab. Mother Tongue sind seit Jahren Stammgäste im Visions und auch wenn viele Songs wie gesagt 70er Jahre beeinflusst sind,(eine Epoche die musikalisch kaum vom Verfasser gemocht wird), gefielen mir Mother Tongue durchaus gut und auch der Rest des Publikums war sichtlich zufrieden mit dem fast einstündigen Gig. Kleine Info noch für Morrissey Fans: Der aktuelle Morrissey Gitarrist Jesse Tobias gehörte früher auch schon zum Lineup von Mother Tongue, was man aufgrund des Sounds der Amerikaner allerdings kaum hätte vermuten können.
Nach einer weiteren, dieses Mal etwas längeren Pause standen die Editors [GALLERY] auf der Bühne. Die Jungs aus Birmingham haben gerade mit ?In This Light And On This Evening? ihr drittes Album veröffentlicht und darauf einen mittelstarken Stilwechsel vollzogen, denn statt einzig auf Gitarren zu setzen, wurde nun Platz für Keyboards gemacht und die Songs mit SciFi-Soundtrackmäßigen Sounds aufgepeppt. Dies hatte bei mir und vielen anderen Fans der ersten Stunde, trotz durchaus weiter vorhandener hohen Qualität, nicht gerade zu Jubelsprüngen geführt, ohne jedoch in Enttäuschung umgeschlagen zu sein. Umso gespannter war ich jedoch zu sehen, welchen Einfluss diese Neuentwicklung auf ein Konzert der Briten haben würde. Sänger Tom Smith besitzt unumstritten ein Ausnahme-Stimmorgan und dieses beschallte das neue FZW in typischer Manier und nutzte die Akustik voll aus. Dazu bewegte er sich manisch über die Bühne, stets in Gefahr zu fallen und sämtliche Gelenke in Mitleidenschaft zu ziehen. Er umklammerte sein Mikrofon als wäre es das kostbarste Gut auf Erden. Wie auch auf dem neuen Album machten der Titeltrack und ?Bricks And Mortar? den Anfang, bevor mit ?An End Has A Start? der erste Song alter Prägung erklang. Und obwohl ?Bricks And Mortar? eines der Highlights des neuen Albums darstellt, war ich glücklich zu spüren, dass der Spirit der alten Editors auch noch existiert. Trotzdem muss man sagen, dass sich die neuen Songs durchaus gut ins Gesamtkonzept einfügten. Auch die Editors spielten nur knapp eine Stunde und wurden natürlich mit Applaus verabschiedet, ich hätte aber gedacht sie würden mehr gefeiert. Persönlich gefiel mir der Auftritt, kam aber lange nicht an solch großartige Momente wie 2007 in Köln oder 2008 in Haldern heran. Vielleicht ist alles mittlerweile eine kleine Spur zu perfekt, zu professionell, zu groß ? toll ist es aber immer noch.
Setlist Editors:
01. In This Light And On This Evening
02. Bricks And Mortar
03. An End Has A Start
04. Bones
05. You Don’t Know Love
06. The Racing Rats
07. Eat Raw Meat = Blood Drool
08. Smokers Outside The Hospital Doors
09. Walk The Fleet Road
10. Munich
11. Papillon
12. Fingers In The Factories
Dreiviertel des Abends waren nun absolviert und dass der Abschluss etwas Besonderes werden sollte merkte man an der doch deutlich längeren Umbaupause vor den Hives, der Staff musste Schwerstarbeit verrichten. Als alles bereitet schien, erklomm noch einmal Bela B. die Bühne, dieses Mal mit dem ehemaligen Chefredakteur des Visions im Schlepptau. Man hatte sich vorgenommen, ein legendäres Interview der Visions mit den H-Blockx vorzulesen, doch wurde dieser Versuch bereits im Keim erstickt. Zu lang hatte die Fanschar auf ihre geliebten Schweden bereits gewartet und so wurden die ?Hives? und ?Pelle?-Sprüche der Zuschauer insbesondere in den vorderen Reihen immer lauter. Bela brach die Lesung spontan ab und kündigte die Hives als beste Band der Welt neben einer weiteren nicht zu nennenden an, was Pelle später sogar noch steigern sollte als er die Hives als (natürlich alleinige) beste Band des gesamten Planeten bezeichnete. Um Punkt Mitternacht gings los und The Hives [GALLERY] hatten sich für den Abend tatsächlich etwas einfallen lassen und so konnten die Zuschauer vorab im Internet über ihre Lieblings-Hives-Songs abstimmen und die 15 Besten wurden nun heute in umgekehrter Reihenfolge präsentiert. Entsprechend bescheidend sollte Sänger Pelle Almqvist später anmerken, dass es ein Wahnsinn wäre, wenn jemand ankündigen würde, bei einem Konzert die besten Hives-Stücke zu spielen, aber wenn dieser jemand auch noch die Hives selbst sind, dann wäre das nicht mehr zu toppen! Die Show der Hives ist eigentlich mit einem Wort gut beschrieben ?energiegeladen?. Die Band stürmte ins Publikum, schmiegte sich Gitarre spielend mit dem Rücken ans Publikum und stürmte dieses sogar, warf das Mikro in die Luft oder vollzog Sprünge am laufenden Band. Und immer wieder wurde das Publikum aufgefordert noch mehr mitzumachen, denn das machte zwar ordentlich, aber sicher noch steigerbar mit. Pelle ist vielleicht kein begnadeter Sänger, aber doch ein großartiger Performer und zog die Aufmerksamkeit ständig auf sich, wobei auch der Rest der Band sich redlich bemühte für Action auf der Bühne zu sorgen, was besonders für Pelle?s Bruder Niklas galt. Zum Programm gehörten dank des Zuschauervotings auch viele ältere Songs der Band, die sie bisher nur selten oder noch gar nicht gespielt hatte, richtig laut wurde es im Publikum aber erst bei Platz 5: ?Main Offender?. Eine Extended Version ihres Hits ?Tick Tick Tick? nutze Pelle, um sich und die Band noch einmal vorzustellen und darauf hinzuweisen, dass sie seit 11 Jahren sehr gerne nach Deutschland kommen, weil die Deutschen sie abgöttisch lieben. Mehr ist da kaum noch zu sagen, außer die Nennung des ersten Platzes, den erwartungsgemäß die erste Single ?Hate To Say I Told You So? einnahm. Ein klasse Konzert und ein krönender Abschluss einer tollen Jubiläumsveranstaltung!
Setlist The Hives:
01. Supply And Demand
02. Here We Go Again
03. Try It Again
04. You Dress Up For Armageddon
05. A Little More For Little You
06. A Get Together To Tear It Apart
07. Outsmarted
08. "B" Is For Brutus
09. Abra Cadaver
10. Won’t Be Long
11. Main Offender
12. A.K.A. I.D.I.O.T.
13. Die, All Right!
14. Tick Tick Boom
15. Hate To Say I Told You So
Die kompletten Fotosets der aufgetretenen Bands bekommt ihr durch Anklicken der Gallery-Links im Text.
Bericht und Fotos: Michael Gamon