Ort: Gloria, Köln
Datum: 11.09.2008
Zuschauer: ca. 800
Dauer: Conor Oberst ca. 100 min, Sky Larkin gut 30 min
Mit Conor Oberst ist das bei mir so eine Sache. Ich komme mir immer wie ein schrecklicher Banause vor, daß ich die diversen Projekte des Amerikaners nicht hoch und runter höre und mich kaum einmal mit ihm beschäftige. Bright Eyes hatte ich einmal gesehen, als Conors Band in Wiesbaden auftrat. Das Konzert war eine bombastische Show, das mich beeindruckt aber nicht begeistert hatte. Mein Zögern, ob ich denn jetzt hingehen sollte oder nicht, beseitigte letztendlich meine chronische Neugierde, der Ort des Konzerts – das wundervolle Gloria – und die Vorgruppe Sky Larkin.
Neugierde und Gloria kannte ich gut, Sky Larkin noch nicht. Obwohl der Bandname schon eine ganze Weile im Raum rumschwirrt, war die Gruppe aus Leeds bislang für mich viel abstrakter als viele andere in irgendeiner Form gehypte Bands. Die wenigen Lieder, die ich kenne, sind allesamt toll. Aber sie stammen aus einer ganz anderen musikalischen Ecke als die Hauptgruppe. Ich habe keine Ahnung, wo da der gemeinsame Nenner liegt, das war aber auch egal, denn ich freute mich irre darauf, die drei Engländer einmal zu erleben (das ist allerdings eine ziemliche Untertreibung, denn ich werde Sky Larkin noch ein paar mal dieses Jahr sehen, u.a. als Support für ihre befreundete Band Los Campesinos!).
Das Gloria war schon um acht proppenvoll. Zu diesem Zeitpunkt sollte es losgehen. Ich hatte es gerade so geschafft, rechtzeitig da zu sein, mußte dann aber noch bis Viertel nach acht warten, bis Teil eins des Abends begann.
Sky Larkin stammen aus Leeds und bestehen aus drei Musikern, Sängerin und Gitarristin Katie Harkin, Bassist Douglas Adams und Schlagzeuger Nestor Matthews. Auf Pressefotos tragen die drei gerne sehr bunte Kleidung, im Gloria sahen sie wenig spektakulär aus.
Das erste Stück war keines von denen, die ich kannte. Den Liednamen Summit hatte ich nur einmal aufgeschnappt. Sky Larkin haben im Frühjahr diesen Jahres mit dem Sleater-Kinney Produzenten John Goodmanson in Seattle ihr Debütalbum aufgenommen. Das ist sicher kein Zufall, denn die 2006 aufgelöste amerikanische Band ist eine von denen, die man für Vergleiche heranführen kann. Andere Referenzen sind die gute Phase von Siouxsie and the Banshees aber auch Bands aus ihrer Heimat Leeds. Auf einem Dance To The Radio Album, auf dem die deutsche Leeds-Band The Taste vertreten war, hatte ich auch erstmals ein Lied von Sky Larkin gehört. Mittlerweile sind Katie, Nestor und Doug bei Wichita unter Vertrag und veröffentlichen da Anfang 2009 ihr Album.
Was soll ich sagen, der Auftritt der Engländer hat mich umgehauen. Genau so klingen potentielle Lieblingsbands. Umgehauen hätte es aber auch Sängerin Katie fast. Sie beklagte sich nach dem ersten Stück nämlich darüber, daß das Mikro Stromschläge verteile – "It’s not funny, I don’t want to die!", um dann nach dem nächsten (mir auch wieder neuen) Lied zu ergänzen: "At least I have fun!"
Nach einen sehr kurzen dritten Stück (Pica) folgte mein Liebling Antibodies. Was für ein Knüller! Das honorierten auch die Zuschauer, obwohl die Musik so fundamental anders als die von Conor ist. Es wurde viel und laut geklatscht, ganz anders als oft bei guten aber ignorierten Vorgruppen. Nach Antibodies folgte die erste Single von 2007 One of two, natürlich auch ein Hit, ebenso wie das folgende (und fabelhafte) Matador, das ich nicht kannte, dessen Anfang aber nach irgendetwas sehr Vertrautem klang, ich habe nur keine Ahnung wonach. Molten, die andere Dance To The Radio Single von 2007, die kommende Veröffentlichung Fossil, I und Beeline beendeten den irreguten Auftritt nach einer guten halben Stunde. Das hatte sich sehr gelohnt!
Setlist Sky Larkin:
01: Summit
02: Octopus
03: Pica
04: Antibodies
05: One of two
06: Matador
07: Molten
08: Fossil, I
09: Beeline
Und anschließend wurde umgebaut. Ich hatte keine rechte Vorstellung, wie groß so eine "Mystic Valley Band" sein würde, in Wiesbaden, als Bright Eyes firmierend, hatte Conor offenbar jeden brauchbaren Musiker aus Nebraska mitgebracht. Diesmal sah es nach vielen Gitarren und keinem Schnickschnack wie Streichern aus, was da an Technik, Kabeln und Krams aufgebaut wurde. Einzig ein 1,60 m großer Kaktus verlieh der leeren Bühne Extravaganz. Der Kaktus stand dann aber nicht bloß zur Deko sondern quasi als Motto neben dem Schlagzeug: Heute gibt es Lieder über Amerika, über lange Autofahrten auf nicht enden wollenden Highways mit vielen Kakteen.
Und dann kamen Conor und fünf Mystic Valley Bandmitglieder und stellten sich bis auf den Schlagzeuger in einer Reihe auf. Neben Conor bestand die Besetzung aus zwei weiteren Gitarristen, einem Bassisten, einem Keyboarder und dem Schlagzeuger. Hatten sich Sky Larkin noch mit einem "Cheers" verabschiedet, begrüßte uns Conor mit "God bless you!"
Das erste Stück des Sets war gleich ein Höhepunkt. Moab ist eine echte Hymne, deren Refrain There’s nothing that the road cannot heal gleich zu Beginn das Motiv des durch Amerika Reisens verdeutlichte. Schade nur, daß zumindest am Anfang der Sound vor allem des Gesangs mies war. Ob das am Schock-Mikro lag, weiß ich nicht, Conors Stimme klang zumindest unverdient flach. Nach und nach wurde das besser, brillant hatten die Techniker den Ton aber leider nicht hinbekommen.
Mit Eagle on a pole habe er an einem Songwriter Wettbewerb teilgenommen – und sei Zweiter geworden, nein Dritter, verbesserte er sich. Conors Ansagen waren ganz herrlich, denn beim Reden unterscheidet der Amerikaner offenbar keine Tonhöhen, alles plätscherte so dahin. Mich erinnerte das fast ein wenig an die grandioseste Ansage-Band, die ich je gehört habe, an Malajube. Von den Kanadiern existiert ein Konzertmitschnitt aus Chicago, auf dem Sänger Julien die besten eintönigen Ansagen der Welt macht ("noussommesma’jubefromcanade"). Juliens Nachfrage nach den Sportteams der Stadt ist das komischste, was ich je an Ansagen gehört habe. Im Gegensatz zu Malajube hatte sich Conor aber auf Köln vorbereitet. Eines der ersten Lieder widmete er nämlich (wenn ich es richtig verstanden habe) dem versuchten Selbstmörder vom Dom. Als keine Reaktionen kamen fragte er nach. "Der Dom, diese riesige Kathedrale, diese schwarze Kirche, da die Straße runter…" Aber entweder hatte niemand diese Geschichte mitbekommen (hier nachzulesen), oder er nuschelte zu stark oder was auch immer. Ich fand es spektakulär, daß jemand sich zumindest die Geschichten gemerkt hat, die ihm jemand über die Auftrittsstadt erzählt. Pluspunkt Conor!
Ein weiterer Glanzpunkt folgte mit Cape Canaveral. Die Getragenheit und Ruhe des Stücks war beeindruckend. Schlagzeuger Jason berührte dabei seine Trommeln nur ganz spärlich. Im Gegensatz dazu kamen aber auch immer wieder rockige Lieder, zum Beispiel Central City, das einer der anderen Gitarristen, ich glaube Taylor, sang.
Vor dem anschließenden I gotta reason #1 saß Conor Oberst zunächst am Bühnenrand, als gehörte er gar nicht richtig dazu, während seine Mystic Valley Band spielte. Der Name der Gruppe stammt übrigens vom Ort der Plattenaufnahmen, einem Haus namens Valle Místico in Tepoztlán in Mexiko. Jedenfalls quiekte plötzlich bei I gotta reason #1 eine Frau neben mir plötzlich los, als der Schlagzeuger einen Gesangspart hatte. Ich stand neben einer Musikerfrau, wie aufregend! Es war vollkommen niedlich, wie sie sich jedesmal freute, wenn er erwähnt wurde, wenn er sang oder sonst etwas passierte!
Lustig war auch Gitarrist Taylor. Er schüttelte nämlich ununterbrochen den Kopf, als habe er Nackenschmerzen, allerdings im Takt!
Lenders in the temple bestritten nur Conor und Keyboarder Nate. Mich riß der Song aber nicht vom Hocker.
Erwähnenswert war das folgende I gotta reason #2, ein neues Lied laut Conor, mir sagte es nichts, ich bin aber ja auch kein Experte, in dem von Kirchenglocken, die wie Handymelodien klingen, die Rede ist. Auffällig aber nicht unbedingt toll fand ich NYC – gone, gone, das einen amerikanisch-patriotischen Rhythmus hat und sehr kurz ist.
Nach einer guten Stunde standen dann nur noch Conor und Bassist Thomas auf der Bühne und spielten Milk Thistle in einer sicher zehnminütigen Version! Es hörte gar nicht mehr auf (tat es natürlich doch, es sollten schließlich noch einige Zugaben folgen).
Bei der ersten der Zugaben fehlte der Frontmann noch. Einer der Gitarristen sang. Erst zum Cover des Harry Nilsson Lieds Everybody’s talkin’ erschien der Sänger zurück. Anfangs war seine Rolle dabei aber Begleittanz, erst am Ende des Lieds sang er wieder. Ein weiteres geliehenes Lied folgte mit dem Klassiker Corrina, Corrina.
Danach, wir näherten uns elf Uhr und dem Konzertende, stellte der sehr kleine Sänger seine Band vor. "Ihr müsst nicht bei jedem Namen klatschen! Das ist ein freies Land. Klatscht nicht, weil ich das sage!" Aus dem Augenwinkel sah ich die Verzückung der Schlagzeugerfreundin, als Jason aufgerufen wurde.
Mein Favorit des Abends war das vorletzte Stück I don’t want to die (in the hospital). Ich glaube nicht, daß das ein Kritikerliebling ist, war aber selbst hin und weg vom Refrain und dem Mitsingpotential!
Am Keyboard beendete dann Conor mit Breezy den Abend nach gut 100 Minuten. So richtig übergesprungen ist der Funke bei mir wieder nicht. Viele Lieder gefielen mir sehr gut, vor allem die, die nicht zu rockig, bluesig oder staubtrocken waren. Aber das Besondere geht mir bei der Musik ab, vermutlich ist mein Musikgeschmack dafür zu einfach gestrickt. Es ist keine Liebe…
Setlist Conor Oberst:
01: Moab
02: Eagle on a pole
03: Sausalito
04: Get-well-cards
05: Cape Canaveral
06: Central City
07: I gotta reason #1
08: Danny Callahan
09: Lenders in the temple
10: I gotta reason #2
11: NYC – gone, gone
12: Souled out !!!
13: Milk thistle
14: In the middle/sundown (?) (Z)
15: Everybody’s talkin (Harry Nilsson Cover) (Z)
16: Corrina, Corrina (Z)
17: I don’t want to die (in the hospital) (Z)
18: Breezy (Z)
Autor : Christoph (http://www.konzerttagebuch.de/)