Wave-Gotik-Treffen (kurz WGT) in Leipzig statt und selten war das Wetter
so perfekt wie in diesem Jahr, denn Sonnenschein war angesagt, von
Niederschlägen keine Spur. Das WGT ist neben dem M’era Luna in
Hildesheim das größte Musikfestival für "schwarze" Musik Deutschlands,
unterscheidet sich in seiner Organisation und Durchführung allerdings
gehörig von den üblichen Festivals. Denn hier steht die schwarze
Community im Vordergrund und so versammeln sich Jahr für Jahr bis zu
20.000 Menschen aus aller Welt, um Leipzig schwarz zu färben und an den
verschiedensten Locations ihrer Szene zu huldigen. An den vier Tagen des
Festivals wird dem Besucher -neben zahlreichen Konzerten- ein
vielfältiges kulturelles Rahmenangebot angeboten. Dazu gehören spezielle Filmvorführungen, Club-Partys, Autorenlesungen, Ausstellungen,
Live-Rollenspiel, Kirchenkonzerte, Mittelaltermärkte und Workshops zu
verschiedenen Themen. Das Treiben ist auf das gesamte Stadtgebiet
Leipzigs verteilt und so kann man sich überall mit Gleichgesinnten der
musikalischen Leidenschaft hingeben. Nirgends sonst ist das "Wir-Gefühl"
innerhalb der Szene wohl – auch auf solche Massen- ausgeprägter und so
kommen die meisten der Anwesenden auch in jedem Jahr wieder zurück nach
Leipzig.
Für uns war es das erste Mal, dass wir diesem Festival beiwohnten, doch
leider stand das diesjährige WGT für uns zu Beginn unter keinem guten
Stern, sondern ganz im Zeichen von Murphys Gesetz: "Alles, was schief
gehen kann, wird auch schief gehen". Erst fiel die
Eröffnungsveranstaltung mit Destroid am Donnerstag in der Moritzbastei
aus beruflichen Gründen für uns aus und dann sorgte der extreme
Pfingstferienverkehr am Freitag dafür, dass auch dieser Tag für uns
flach fiel. Bei unserer Ankunft um 22:30 Uhr war die Pressestelle für
Photoakkreditierungen zwar noch besetzt, nicht aber die für Künstler,
von denen ich einen "im Gepäck" hatte. Wir ließen daher nur das Treiben
rund um die Agra auf uns wirken und suchten dann unsere Unterkunft auf.
Tag zwei begann mit einem Rundgang durch Leipzig, dem Mittelaltermarkt
"Wonnemond" an der Moritzbastei und dann ging es zur Autogrammstunde von
Skeletal Family im Cinestar. Diese war wegen des großen Zuspruchs bei
Unheilig etwas verschoben worden und der Zuspruch leider nur
gering. Danach setzte sich das Unglück vom Vortag fort und der Auftritt
von In The Nursery in der Kuppelhalle des Volkspalasts fiel für uns
wegen Anreiseproblemen aus, wir schafften es aber noch halbwegs
rechtzeitig zur Parkbühne zu Escape With Romeo.
Escape With Romeo
existieren schon ebenso lang wie das WGT selbst und wurden 1989 von
Sänger Thomas Elbern gegründet, der zuvor bei Pink Turns Blue gesungen
und Gitarre spielte. Stilistisch sind sie dem Post Punk verschrieben,
würzen diesen aber immer wieder geschickt mit elektronischen Elementen.
Natürlich durfte beim WGT-Auftritt ihr größter Hit "Somebody" nicht
fehlen, aber auch sonst verfügen Escape With Romeo über ein großes
Repertoire an starken Songs und so wurde das Publikum mehr als
Zufriedengestellt. Die Band verabschiedete sich mit "Helicopters In The
Falling Rain" von ihren Fans, leider viel zu schnell.
Angesichts des tollen Wetters entschlossen wir uns, die nächsten Stunden
durchweg im Bereich der Parkbühne zu verbringen und daher standen als
nächstes "End Of Green" für uns auf dem Programm. Dabei bezeichnet der
Name das Ende der Hoffnung, welche durch die Farbe Grün gemeinhin
symbolisiert wird. Auch diese Band stammt aus Deutschland (Stuttgart)
und existiert bereits seit 16 Jahren. In dieser Zeit erschienen bisher 5
Alben, das nächste Werk mit dem Titel "The Sick’s Sense" soll im Sommer
veröffentlicht werden. Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere war das
2005er Album "Dead End Dreaming", welches ihnen 2006 auch die Tore zum
Wacken Openair und erstmals zum WGT 2006 einbrachte, offensichtlich mit
gutem Erfolg, denn nur zwei Jahre später traten sie heuer wieder in
Leipzig auf. Ihren Stil bezeichnen die fünf selbst als "Depressed
Subcore" und es ging bei ihrem Auftritt gleich ordentlich zur Sache. Es
wurde ordentlich gerockt auf der Bühne und es war mehr als deutlich,
dass ihre Songs vielen der Anwesenden bekannt waren, denn es wurde im
gesamten Rund begeistert mitgesungen und ordentlich Applaus klatscht.
Danach war es Zeit für die Szenenewcomer des letzten Jahres: Jesus on
Extasy. Und die gaben ihren Fans von Beginn an was sie sehen wollten:
melodischen Waverock einer stylischen Band. Seit dem letzten Jahr
schwimmen die Jungs und Mädels auf einer Szenewelle des Erfolgs und sind
Vorreiter einer neuen Garde Bands, die durch ihr Auftreten der Jugend
aus der Seele sprechen und Waverock auf den Schulhöfen salonfähig
machen. Das ist gefällig, was die Fans natürlich auch anerkannten, aber
ich frage mich wie schon im letzten Jahr beim Bochum Total, warum
niemand Sänger Dorian Deveraux sagt, dass er die hohen Töne am Ende der
Chameleons Coverversion "Second Skin" einfach nicht trifft. Auch beim
B-Movie Cover "Nowhere Girl" war der Gesang wieder einmal vorsichtig
ausgedrückt gewöhnungsbedürftig. Die eigenen Songs hingegen waren aber
in Ordnung, wobei ein Kommentar wie "jetzt kommen nur noch Hits" nach
"Nowhere Girl" schon wie Satire anmutet. Besonders positiv aufgenommen
wurde insbesondere der Song "Assasinate Me" ihrer ersten in Eigenregie
aufgenommenen EP.
Nächste Band auf der Parkbühne waren Gothminister, die ich eigentlich
bisher hauptsächlich durch ihre Kooperation mit Rico Darum (Apoptygma
Berzerk) zur Kenntnis genommen hatte, der das Debutalbum "Gothic
Electronic Anthems" mitproduziert hatte. Angefangen hatte seinerzeit
alles als Soloprojekt von Sänger und Frontman Björn Alexander Brem, ist
mittlerweile aber zu einer kompletten Band angewachsen. Und was diese
Combo auf der Bühne ablieferte, war schon sehr ansehnlich und wirkte
aufgrund der langsam einsetzenden Dunkelheit natürlich auch optisch sehr
gut. Soundtechnisch ist bei den Norwegern Metal angesagt, doch brachte
der Sound genug dunkle Einflüsse mit sich, um bei diesem Festival gut
aufgehoben zu sein. Das belegen auch vorherige Auftritte bei solchen
illustren Szenefestivals wie dem M’era Luna, dem Summer Darkness, oder
die Tatsache, dass es sich 2008 bereits um den dritten Auftritt der Band
beim WGT handelt. Die Publikumsreaktionen waren dementsprechend auch
sehr positiv.
Beim Auftritt von Skeletal Family brach dann endgültig die Nacht über
Leipzig herein und Sängerin Claire nutzte beim Betreten der Bühne die
letzten Lichtstrahlen, um den Beginn des eigenen Gigs zu filmen. Skeletal
Family sind eine Gothic-Rockband der alten Schule und sind schon seit
1982 in der Szene aktiv. Der Name geht auf den David Bowie Song "Chant
Of The Ever Circling Skeletal Family" zurück. Schon zu Beginn ihrer
Karriere tourte die Band mit den Sisters Of Mercy und machte sich mit
ihrem Song "Promised Land" vom Album "Futile Combat" in der Szene
unsterblich. Nach einer längeren Pause reformierten sich Skeletal Family
im Jahre 2002 und 2005 erschien ihr Album "Sakura". Für dieses Jahr ist
ein neues Album angekündigt.
Ich selbst hatte die Fünf letztes Jahr in Bochum zum ersten Mal live
gesehen und dort hatten sie mich voll überzeugt. Heute präsentierten sie
einen gemischten Set aus alten Stücken und Tracks des kommenden Albums.
Claire wirbelte zum Teil wie ein Derwisch über die Bühne und beim
dritten Song "Promised Land" gab es für sie, ihre Band und das Publikum
kein Halten mehr – Promised Land ist einfach ein grandioser Song. In der
Folgezeit wurde heftig Gas gegeben und Claires Gesang ging zum Teil
schon ins shouten über. Tanzbar wurde es wieder bei "She Cries",
allerdings wies der Sound hier einige Schwächen auf und die Stimme
wirkte etwas dröhnend, was aber zum Glück schnell gerichtet wurde. Kurz
vor Auftrittsende machten wir uns schnell -und vor dem Aufbrechen aller
anderen Parkbühnenbesucher- auf den Weg zur Agra, wo Covenant als
Headliner auftraten.
Leider hatte das Konzert bereits begonnen, doch entschädigte die lange
Konzertdauer von ca. 95 Minuten dafür und Covenant bewiesen
Wieder einmal, dass sie eine ausgezeichnete Liveband sind und
Partystimmung mit ihnen garantiert ist. Sie zündeten wie gewohnt ein
Feuerwerk aus Hits und mit "Come" wurde sogar ein neuer, bisher
unveröffentlichter Titel gespielt. Ich hätte mir natürlich wieder einmal
ein paar Hits aus ihren Anfangstagen gewünscht, doch schien es zunächst,
als würde man darauf bei Covenant noch länger warten müssen. Auf der
anderen Seite, wenn man sieht, wie das Publikum in der Agra mitging,
tanzte und feierte, dann muss man wohl sagen, dass es nicht wirklich
einen Grund für ein Ändern dieser Strategie gibt. Das Publikum war
durchweg begeistert und erhielt zunächst auch drei Zugabesongs ehe "Dead
Stars" das Konzert scheinbar beendete. So dachte man zumindest, denn es
ging noch einmal ein Stück weiter und zwar mit einem von Eskil accapella
performten schwedischen Song und danach dem Highlight des Abends:
"Thermin" vom Debutalbum "Dreams Of A Cryotank" aus dem Jahre 1995 und
auch ich war nun endgültig begeistert. Den endgültigen Schlußpunkt unter
einen begeisternden Auftritt setzte um kurz nach Mitternacht "One
World, One Sky".
Doch damit war der Samstag noch nicht abgeschlossen, denn die
Veranstalter hatten Northern Lite als Midnight-Special für die Agra
verpflichten können, deren Auftritt für halb zwei angekündigt war, da
die Band am gleichen Tag bereits einen Auftritt bei Sputnik Springbreak
Festival absolviert hatte und direkt danach nach Leipzig fuhr. Und so
vertrieben wir uns die Zeit in der Agra 4.2, wo Peter Spilles von
Projekt Pitchfork zum Tanz lud, einer Aufforderung der auch viele
Tanzwütige folgten. Mit knapp 15 Minuten Verspätung ging es in der Haupthalle endlich mit den Erfurter Neopop-Rockern von Northern Lite weiter, die mit "Super Black" gerade ihr fünftes Album veröffentlicht haben und sich damit einen Spitzenplatz in der deutschen Führungsriege dieses Genres sicherten. Trotz eines wirklich guten Auftritts erklärten wir den Abend für uns nach einigen Songs erschöpft als beendet … morgen ist ein neuer Tag.
Berichte und Fotos der anderen Tage folgen in Kürze.
Später gibt es dann auch noch ausführlichere Fotosets der jeweiligen Konzerte.