Einmal mehr hat man im Oberhausener Kulttempel das große Los gezogen. Im Zuge ihrer europaweiten Fractures Tour machen IAMX bewusst nur in handverlesenen Ort halt. Neben einem Festival-Gig beim NCN, hat die Ausnahmeformation lediglich diese eine bundesweite Clubshow eingestielt. Peter Jurjahn und seinem Team wurde jedoch nicht nur diese besondere Ehre zuteil. Da der Startschuss für die Tour auch hier fiel, fand sich das Trio bereits am Vortag im Kulttempel ein, um für den Auftakt zu proben. Kürzlich wurde von der Band ein Besetzungswechsel verkündet: Queen Janine nimmt sich aus privaten Gründen eine Auszeit von den Live-Auftritten. Für sie steht fortan Sarah an den Keys. Nachdem sie sich mit Chris Corner und Drummer Jon Siren eingegroovt hatte, stand dann am Samstag ihre große Premiere bevor.
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Zur Freude der Fans wurde auch der zweite Streich der Fault Lines Alben-Serie tags zuvor frisch released. Auf der Setlist erwarteten wir also auch ein Update. Bei schönstem Sommerwetter reihte ich mich eine Stunde vor dem regulären Einlass in die Schlange vor dem Tempel ein. Bei netten Gesprächen verging die Zeit wie im Flug. Das Konzert war übrigens restlos ausverkauft. Eine ungewohnte Vorgehensweise erwartete uns dann vor der Bühne. Direkt davor standen zwei Securities, die uns freundlich darum baten, einen guten halben Meter Abstand zur Bühne zu wahren. Dieser neu entstandene Gang stellte sich sogar noch als super praktisch heraus, wurde er doch zur Fast-Lane für kurzzeitige Theken- oder Toilettenbesuche während der Wartezeit.
Der harte Kern der IAMX-Fans ging bereits eine Dreiviertelstunde vor Konzertbeginn bei Insta live. Immer wieder riefen die Mädels lautstark den Bandnamen und jubelten aufgeregt vor sich hin. In den ersten Reihen wurden zudem noch kleine Klebe-Blümchen verteilt, die das Gemeinschaftsgefühl vor dem Konzert stärkten. Konzerte des Trios beginnen übrigens im Regelfall nicht pünktlich. Eine zusätzliche halbe Stunde sollte man hier gedanklich schon einplanen. Um 21:35 Uhr war es dann tatsächlich soweit. Überraschenderweise durften wir nun auch direkt an die Bühne herantreten. Die Securites blieben zwar auf ihren Plätzen stehen, doch sie sollten an diesem Abend eh eine entspannte Zeit haben, schließlich war das Publikum äußerst angenehm. Es drängelte sich nichtmal jemand in der letzten Minute vor, was ja ansonsten durchaus mal der Fall ist.
Neben drei Podesten, waren auch drei Leinwände auf der Bühne arrangiert. Das hochwertige Musikequipment stand nah am Bühnenrand – dies erklärte auch unseren angeordneten Abstand vor dem Konzertbeginn. Ehe IAMX ihre Spielstätte enterten, sah ihr Backliner ein letztes mal nach dem Rechten. Und hier trafen wir auf einen wohlbekannten Franzosen – Daniel Armand, der Sänger von JE T’AIME war auf dieser Tour als Techniker dabei. Eine augenbedeckende silberne Maske samt aufwendig gestaltetem, mit lauter Spitzen versehenem Kopfschmuck zierte das feine Gesicht von Chris Corner. Zu einer schwarzen Leggings trug er eine schwere Variante von Chelsea-Boots und einen kurzes, enganliegendes Sakko. Darunter blitzte sein ansonsten freier Oberkörper hervor. An einer silbernen Kette hing der Buttplug, den er auch im aktuellen Video von Neurosymphony spielerisch zur Schau stellte. Sein dunkler Lippenstift bildete einen gelungenen Kontrast zu seinem hellblondem, kinnlangen Haar. An seinen fingerlosen Handschuhen waren zudem kleine LED-Strahler befestigt, die für schicke Lichteffekte sorgten.
Mit Disciple fiel der Startschuss für die Show von IAMX: “Believe in me, worship me. You will be always protected.” Einzelne Soundstrukturen trafen aufeinander, um sich dann miteinander zu vereinen. Der Gesang von Chris Corner breitete sich voller Verzweiflung aus. Hallende Effekte sorgten für scheinbare Verwirbelungen. Ab der ersten Sekunde war der Wahl-Kalifornier absolut präsent. Seine unglaubliche Aura erweckte in einem eine besondere Faszination, die einen ins Staunen versetzte. Mit einer straighten Agilität bewegte sich der Sänger gekonnt über die Bühne. Stürmisch jubelnd wurde die Band von ihrer Crowd empfangen. “Dankeschön! I fucking love you!” Sarah machte sich hervorragend in ihrer Position. Ihr durchsichtiges Spitzenkleid bedeckte ihren Körper eher spärlich und doch wirkte ihr Outfit absolut elegant. Sie spielte nicht nur die Keys, immer wieder unterstützte sie das Drumspiel von Jon auch mit präzisen Schlägen auf einer stehenden Trommel. Stimmlich ergänzte sie zudem Chris im Hintergrund perfekt. Mit schwingendem Haar gab sie sich dazu der Musik hin.
Kraftvolle Beats verliehen The X ID eine besondere Coolness. Das ganze Set über fügte Chris seinen Songs frische Soundeffekte hinzu. Unweigerlich begab man sich auf und vor der Bühne in Ekstase. Corners übermächtige Passion für Musik wirkte sich betörend auf uns aus. Sailor versetzte uns an die Anfänge von IAMX zurück. Zu spärlichem Licht wurde die Bühne in eine große Nebelschwade getaucht. Mittlerweile war der Kulttempel gut aufgeheizt. Chris entledigte sich seiner Maske und trocknete sein verschwitztes Gesicht mit einem Handtuch ab. Auf die Schnelle genoss er noch einen Schluck Rotwein, bevor ihm Aphrodisiac körperlich einiges abverlangte. Wild stapfte er auf den Boden und ungebremst verausgabte sich der Fronter zu dem herrlich abgedrehten Track. “Do you feel good? My people! We love you!” Weiter ging die muntere Party mit After Every Party I Die. “So watch, as I start to smile” sang Chris und nicht nur er lachte bezaubernd. Auch die Fans strahlten mit leuchtenden Augen übers ganze Gesicht.
“You are fucking beautiful!” Der melodische Einspieler samt der lieblichen Frauenstimme läutete I Come With Knives ein: “Kinder und Sterne küssen und verlieren sich, greifen leise meine Hand und führen mich. Die Traumgötter brachten mich in eine Landschaft, Schmetterlinge flatterten durch meine Seele.” Zu dem treibenden Track sprang Chris motiviert umher. Immer wieder kam er ganz nah an den Bühnenrand und riss die Gemüter seiner Fans stimmungsvoll mit sich. “I wanna feel you!” Seinen Worten ließ Chris direkt Taten folgen. Zu Neurosymphony zog er sich seine Maske wieder über den Kopf. Ambitioniert kniete sich der Sänger direkt vor einen weiblichen Fan und zog behutsam ihren Kopf an seinen verschwitzen Oberköper. Sie wusste gar nicht, wie ihr geschah. Samt besonders liebevoller Stimme sang Chris “I know you’re scared, but I am right here – take my hand.” Mit einer hypnotischen Wirkung zog einen der neue Song in seinen reizenden Bann.
Fault Lines begann mit angenehmen Klängen und einer Pianomelodie. Chris Worte klangen zerbrechlich. Doch dann baute sich eine beachtliche Dramatik auf. Seine Stimme erhob sich und gipfelte in dramatischen Höhen “There’s a volcano in my heart and I don’t want to waste it. Psychotic shift, infinite energy.” Eine innere Zerrissenheit war in dem Song förmlich spürbar. “You feed my heart with joy. I love you! We go all the way back to oldschool! Do you want oldschool? You get oldschool!” Die Menge tobte vor Freude. “That’s exactly, what we need!” Und was bekamen wir? Spit It Out! Wahnsinn! Der Klassiker samt Corners atemberaubender Stimme versetzte uns in absolute Verzückung! Als die bekannte Pianomelodie einsetzte, spendierten die Fans einen kräftigen Zwischenapplaus. Und Chris sah richtig glücklich aus! Voller Leidenschaft stimmten alle mit ein “‘Cause it breaks my heart. That we live this way. I know people need love, ’cause them people never play the game.”
“Oh my god! Thank you so much.” Mit The Alternative verabschiedeten sich IAMX erstmal von uns. Doch natürlich war an dieser Stelle noch nicht Schluss. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es mit den Zugaben weiter. Jon schüttelte zahlreichen Fans in der ersten Reihen dankbar die Hände. Mittlerweile hatte Chris sein Sakko gegen ein super luftiges helles Achselshirt getauscht. “Are you happy? Are you fucking happy?!” Und wie glücklich wir waren! Um dem Ganzen noch eine Schippe draufzulegen, belohnte uns das Trio mit Happiness. Auf den Leinwänden loderte das Feuer. Schon erklang auch der unvergleichliche Sound, der einen an einen Jahrmarkt aus einer längst vergangenen Zeit erinnerte. Vorhang auf für Bernadette! Beherzt drückte Chris nochmal einen Fan an sich, eher er lässig sein Mikro umherschwang und uns mit seinem tiefen Timbre verzückte. Eine allgemeine Seligkeit war im Raume zu verspüren. “Thank you! One more?” Aber klar doch! Voller Sphärik hielt uns noch Mercy in der magischen Welt von IAMX gefangen. Auch Jon nutzte die wenigen Momente, in denen er während des Songs keinen Spieleinsatz hatte. Genüsslich sog er den Sound in sich auf. Leider war nun der unvermeidbare Moment des Abschieds gekommen und der war nach Anderthalb Stunden kurz und knackig: “Thank you. Good night.” Vergnügt schickte Chris Corner einen dicken Luftkuss in die Menge und verließ zusammen mit Jon und Sarah die Bühne. Welch ein erfüllender Abend!
Im Anschluss wurde von den Fans erstmal der Merchstand in Beschlag genommen. Frei nach den Lyrics: “We can always just fuck away our sorrows” gab es neben Shirts, CDs, Vinyl etc. gar Kondome mit dem Logo von IAMX. Nachdem bereits vor der Show etliche IAMX-Shirts im Publikum zu sehen waren, fanden noch etliche Tour-Shirts über die Ladentheke den Weg zu ihren neuen Besitzern.
Auch die Aftershow-Party ließ keine Wünsche offen. Auf beiden Areas des Kulttempels, heizten uns noch zwei DJs mächtig ein. An Tanzpausen war kaum zu denken. Wie hieß es noch so schön – After Every Party I Die? Der Titel sollte noch Programm sein. Tags darauf galt es erstmal, die völlig entleerten Energiereserven wieder aufzufüllen. Doch auch, wenn man den Sonntag relativ regungsarm verbrachte – innerlich tanzten die Endorphine weiterhin unaufhaltsam um die Wette. <3
Setlist IAMX – Oberhausen, Kulttempel:
01. Disciple
02. The X ID
03. Sailor
04. Aphrodisiac
05. After Every Party I Die
06. Break The Chain
07. I Come With Knives
08. Neurosymphony
09. Fault Lines
10. Spit It Out
11. The Alternative
12. Happiness (Z)
13. No Maker Made Me (Z)
14. Bernadette (Z)
15. Mercy (Z)
Weblinks IAMX:
Homepage: www.iamxmusic.com
Facebook: www.facebook.com/IAMXOFFICIAL
Bandcamp: https://shop.iamxmusic.com/
Instagram: www.instagram.com/iamx