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VNV NATION – Interview mit Ronan Harris – Teil 2: “Es gab Zeiten, da wollte ich wirklich aufhören.”

VNV NATION - Interview mit Ronan Harris - Teil 2: "Es gab Zeiten, da wollte ich wirklich aufhören."

VNV Nation, © Arne Beschorner

Nachdem uns Ronan im ersten Teil unseres Interviews allerlei über Hintergründe zur Geschichte von VNV und zur Entstehung seiner Musik erläutert hat, sprachen wir nun über seine poetischen Texte. Es ging auch um künstliche Intelligenz, Tipps für Newcomer-Bands, seinen privaten Musikgeschmack und eine dunkle Zeit in seiner Laufbahn, in der er VNV Nation fast aufgegeben hätte.

Die Lyrics sind sehr poetisch. Es gehört einiges dazu, so lyrisch zu schreiben. Befasst du dich gern selbst mit Literatur?

Ja, ich habe meine ganze Jugend mit Lesen verbracht. Ich glaube, heute ist es echt schwer, zu lesen. Es gibt so viele Ablenkungen, dass es für das Gehirn sehr schwer ist, innezuhalten. Aber ich lese immer noch oder ich höre Hörbücher. Ich habe eine Menge intellektueller Dinge gelesen. Das Beste an der Pandemie war wahrscheinlich, dass ich viel Zeit damit verbracht habe, zu lernen. Ich wollte etwas über Geschichte lernen – ich liebe Geschichte. Also wollte ich einiges über die Antike oder Philosophen neu lernen. Wer war diese Person, wer war Schoppenhauer, usw. Ich schaute mir diese Videos an, das waren genug Informationen, wenn ich mehr wissen wollte, konnte ich nach etwas Ausführlicherem suchen. Es gab einen Kanal, der Videos über verschiedene Philosophen und ihre wichtigsten Aussagen zeigte. Und ich habe mir das angehört und dachte, ok, das verstehe ich, zumindest weiß ich, worum es bei dieser Person geht.

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Aber einige der Botschaften schlugen auch direkt bei mir ein. Ich dachte: Verdammt, so denke ich auch. Das wurde mir schon klar, als ich ein Teenager war, damals habe ich mich ein intensiv mit alten Büchern beschäftigt. Ich habe Shakespeare und Marlowe gelesen, ich habe die “Meditationen” von Marcus Aurelius gelesen. Und ich würde das alles nicht verstehen, denn ich hatte keine Erfahrung, um zu wissen, was diese Dinge wirklich bedeuten. Man liest ein Stück Literatur und es geht um zwei Menschen, die sich unterhalten. Man glaubt zu wissen, worüber sie reden, aber wenn man älter ist, versteht man, dass es eine versteckte Botschaft gab. Ich bin immer mit verschiedenen Formen von Literatur in Berührung gekommen. Poesie – ich liebe William Blake. Ich liebe es, seine Gedichte zu lesen. Es gibt so viele Dichter, männliche als auch weibliche, die im Laufe der Geschichte etwas zu sagen hatten, und ich liebe einfach das menschliche Denken.

Es gibt einen Philosophen – Hegel. Und Hegel hatte eine sehr einfache Idee. Man kann sie auch verkomplizieren, aber sie ist im Grunde einfach. Die Vergangenheit ist eine Bibliothek. Alles ist bereits ausprobiert worden. Man hat sich mit allem beschäftigt. Gehe also hin und lies sämtliche Berichte über alles, und daraus hast du das ganze Wissen, das du brauchst, um etwas Neues zu tun. Alles ist bereits erprobt worden. Die Menschen haben alle Ideen. Das geht zurück bis in die Antike. Nutze also die Geschichte als Bibliothek, um zu sehen, was zu tun ist und zu lassen ist. Wir Menschen sind so arrogant, dass wir immer denken, wir wüssten es besser. Wir denken, wir sind besser als die Menschen vor hundert Jahren, oder vor 2000 Jahren. Sie haben genau die gleichen Dinge getan. Also schau zurück, lies und überprüfe es. Das wurde schonmal gemacht. Die Grundkonzepte sind die gleichen, so empfinde ich Geschichte.

Bei Texten, bei jeder Art von Literatur, gibt es so viele Autoren, die ich als Teenager gelesen habe. Es gibt so viele Bücher, die ich gelesen habe. Eine Woche lang habe ich ein Buch mit Reden von Theodore Roosevelt gelesen. Weil er unglaubliche Reden geschrieben hat. Und er nutzt Worte auf eine wunderbare Art und Weise. Er verfolgte eine sehr einfache Idee: Auf sich selbst angewiesen zu sein. Zu lernen, wer man sein muss. Lerne, wie du dich selbst beherrschen kannst. Es ist eine universelle Botschaft und ich finde es erstaunlich, dass ich darüber mit Freundinnen gesprochen habe, die eine andere Sichtweise auf die Geschichte hatten oder eine andere Einstellung zum Leben gefunden haben. Und ich sagte, “ist es für dich wirklich anders?” – “Nein, eigentlich ist es seltsam. Ich hätte immer etwas von einer Frau gelesen.” Jetzt ist mir klar geworden, dass jeder eine Botschaft hat. Und ich sagte, für mich ist es dasselbe. Ich kann etwas von einer Frau aus den 30ern lesen, die ein wunderschönes Buch schreibt, und ihre Perspektive wird meine verändern. Und jeder hat dir etwas zu sagen, jeder ist ein Lehrer. Ich habe das immer gewusst. Jeder lehrt dich etwas.

 

Mir selbst fiel es schwer, die Lyrics von Before The Rain gänzlich zu greifen. Magst du uns erzählen, worum es in dem Song geht?

Das ist ok. Beim Konzept des Albums dachte ich, dass Before The Rain eine gute Single sei, weil es sehr schwierig war, einen Song auszuwählen, der jedem eine Vorstellung von der Atmosphäre des Albums vermitteln könne. Musikalisch klingt er wie ein alternativer, elektronischer Song aus den späten 80ern. Da gibt es eine Menge Bands, die ich nennen könnte. Es ist wie bei vielen modernen alternativen Künstlern heute. Ich empfange einfach diese Stimmung und dieses Gefühl. Das ist gut, es ist schön und atmosphärisch. Before The Rain und Sunflare waren die ersten beiden Demos, die ich für dieses Album geschrieben habe. Zu dem Thema Lyrik: Es geht nicht darum, was in dem Song passiert. Der Song ist eine Darstellung der Frage: Kann Liebe alles überwinden? Geht die Liebe darüber hinaus? Die Liebe ist ein Beispiel für den menschlichen Geist, die menschliche Erfahrung. In einer über-technisierten Welt – wird die Liebe dann noch immer in der Lage sein, mit Menschen zu kommunizieren oder sich mit ihnen zu verbinden, trotz der Technologie?

Das Lied basiert auf einer Kurzgeschichte. Aus einer langen Zeit zuvor. Dort leben wir in einer Welt, die ziemlich grausam ist. Wir werden von Technologien kontrolliert und die Menschen benutzen eine Art Gehirnwäsche, um diesem Szenario zu entkommen und in diese erstaunlich aussehende Version unserer Welt abzutauchen. Wie die Welt sein könnte, sein sollte. Und da ist dieser Mensch, er spricht über seine Erfahrungen. Aber dann bemerkt er jemanden. Und allein die Art und Weise, wie diese Person steht, wie sie auf das reagiert, was passiert, löst dieses erstaunliche Feuerwerk aus, doch es ist eine Computersimulation. Es hat nichts mit der Natur zu tun, ok? Nehmen wir die Zeile “Your outline locked in phase” – das sind wirklich technische Begriffe. Du nimmst die Person wahr und dann sind die beiden irgendwie miteinander verbunden, ohne miteinander zu sprechen. Sie bemerken sich aber gegenseitig. So entsteht eine Liebe und das war die Idee, dass sogar Liebe entstehen kann, wenn wir unterschiedliche Menschen sind.

Dass wir uns trotzdem verbinden können. Es gibt etwas, das uns verbindet und die Liebe kann tatsächlich die stärkste Kraft im Universum sein. Es ist nur ein Szenario, um die Idee zu erklären, dass die Liebe alles gewinnen kann. In der Geschichte wollen sie sich im wirklichen Leben treffen und sie überlegen, ob das eine Enttäuschung sein könnte. Wie stark ist die Liebe? Wie wichtig ist sie? Wie tief geht sie? Es ist eine schöne kleine Geschichte, weil sie einen am Ende unvollendet zurücklässt. Man muss sich also selbst vorstellen, wie es weitergeht. Ich denke also, es ist ein Cyber-Liebeslied. Die Idee hinter von Before The Rain ist übrigens, dass es in der Geschichte diesen unglaublichen Regenbogen und den Regeneffekt gibt. In der Stadt, in der man sich befindet, werden viele Dinge mit wunderschönen Lichtern dargestellt, die normalerweise nicht vorkommen. Die beiden trafen und verbanden sich, bevor dieses unglaubliche Regenspektakel stattfand, und der Regen sieht aus wie Regenbögen. Zu den zerbrochenen Spiegeln im Regen … Wenn es regnet, entstehen kleine Wasserlachen. Und das sind alles zerbrochene Spiegel. Alles besteht aus einer Metapher.

Im Englischen sagen wir nie “flash forward” oder “flash backward” – wir sagen “flash forward“. Und das erlebt die Person nach der Erfahrung von einem zukünftigen Punkt aus. Sie fliegt zurück in die Zeit. Wie viele Leute Sci-Fi-Filme, Bücher, Geschichten oder Filme geschrieben haben, in denen sie über diese ursprünglichen menschlichen Emotionen sprechen. Aber in einer Welt, die ganz anders ist als unsere und sie zeigen, wie sie sein kann. Wenn man an einen Film wie “Her” denkt, der für viele Leute ein so seltsames Konzept hat. Es war ein Film zur Zeit der Jahrtausendwende. Es gibt Bücher und Filme aus den letzten hundert Jahren, die versuchen, uns in ganz andere Realitäten und Situationen zu versetzen. Alles, was ich darstellen wollte war, dass dies ein Aspekt der Zukunft ist. Und eine Frage zur Zukunft: Wollen wir, dass unser Leben von der Technologie bestimmt wird?

 

Wie stehst du zum Thema Künstliche Intelligenz? Findest du diesen Fortschritt förderlich oder gefährlich? Du hast selbst einst in der IT-Branche gearbeitet.

Das kann beides sein. Das gilt auch für Atomwaffen. Das Atom war eine großartige Erfindung – die Spaltung des Atoms konnte uns Energie verschaffen. Doch wir haben es auch für Waffen benutzt. Jede Erfindung war gut und schlecht. Es kommt darauf an, wie wir sie nutzen. Und es läuft darauf hinaus, dass ein Land sagt: “Wir brauchen es, um wirklich mächtig zu sein, damit wir immer wichtiger sind als andere Länder.” Die KI hat das Potenzial, sehr gefährlich zu sein und ich glaube ehrlich gesagt, dass wir sie kontrollieren müssen, bevor wir verstehen, was sie tun kann. Ich habe früher in dieser Welt gearbeitet. Das war einst mein alter Beruf. Und ich bin immer noch mit vielen sehr großen Namen in Kontakt, die jetzt sehr große Namen in der KI-Entwicklung sind. Ich weiß, was sie leisten kann und ich finde es unglaublich, wie sehr sie unsere Welt verbessern kann. Aber sowas ins Internet zu stellen wie Chat GPT oder was auch immer …

Niemand hat gefragt: “Wollen wir das? Brauchen wir es?” Sie haben es einfach gemacht. Wenn es in unserer Welt mehr um so etwas wie “Hey, lasst uns eine Künstliche Intelligenz erschaffen, um all unsere medizinischen Probleme zu lösen” ginge. Das wäre ein großartiges Konzept. Aber das ist nicht unser Ziel. Unser Ziel ist es, Künstliche Intelligenz zu nutzen. Wer auch immer damit zuerst ankommt, wird wirklich mächtig sein. Aber sie wird missbräuchlich eingesetzt werden. Sie wird eine Menge kreativer Ausdrucksmöglichkeiten zerstören, es wird all die Dinge zerstören, die viele Menschen glücklich machen und ihnen wunderbare Dinge bescheren. Und somit wird die Begeisterung vorherrschen: “Es wird fantastisch sein! Wir können dies und das machen.” Und doch wurde niemand jemals gefragt: “Willst du das?” Denn es gibt keine Erfindung, die einen größeren Einfluss auf die Menschheit haben wird, als die KI.

Die Leute sagen: “Oh, das war bei der Erfindung des Fernsehers genauso.” Nein, das war es nicht und das Internet ist auch nicht dasselbe. Es ist einfach ein nützliches Werkzeug geworden. Dies geht so weit darüber hinaus, dass niemand eine Vorstellung davon hat, wie schnell es wächst. Wie schnell es die Welt verändert. Und in einem Jahr werden wir in einer ganz anderen Welt leben, denke ich. Wenn das nächste Jahr schon anders sein wird, stell dir mal das übernächste Jahr vor, weil diese Dinge immer schneller und stärker werden. Und man könnte in Europa sagen: “Wir müssen das kontrollieren. Wir müssen wissen, womit wir es zu tun haben, bevor wir es mit allem in Verbindung bringen können. Denn es ist unvorhersehbar.” Wenn es also unvorhersehbar ist, warum geben Sie es dann allen? Warum lassen Sie es alles kontrollieren? Warum ist das euer Plan? Es kann eine Menge Dinge regeln, für die wir jetzt Lösungen brauchen. Warum ist das nicht Ihr Schwerpunkt? Warum konzentrieren Sie sich auf andere Dinge?

Oh, es kann für mich schreiben”. Wenn man das so verkauft, weiß man, dass es Blödsinn ist. Das ist ein Spiel. Denn wenn sie versuchen, einem zu sagen: “Es wird Rezepte zu Hause vereinfachen.”, dann ist das doch wie die Broschüre, die dir vorschlägt: “Hey, fahr in diesen wunderbaren Urlaub. Es wird fantastisch sein.” Sie erzählen dir all die wunderbaren Dinge darüber. Aber die Realität ist meist beschissen. Das sagt mir, dass man damit versucht, alle zu überzeugen. Wir brauchen das. Wenn wir uns eines Tages daran zurückerinnern und zurückblicken. Wenn viele Menschen keine Arbeit mehr haben, weil sie leicht ersetzt werden können, und ich kenne Leute, die bereits in einem Bereich tätig sind, in dem sie darüber nachdenken, welche Jobs ersetzt werden können. Und zwar für Unternehmen. Ich meine keinen allgemeinen Artikel im Internet. Sie arbeiten tatsächlich mit Unternehmen zusammen und die sagen, dass man sie, sie und sie ersetzen kann. Wo gehen diese dann Leute hin?

Vor zehn Jahren gab es mal einen Plan. Sie sprachen über ein universelles Grundeinkommen. Jeder soll Geld bekommen, kostenloses Geld. Ohne dafür arbeiten zu müssen. “Oh, sie werden Hobbys haben.” Echt jetzt?! Woher will man das wissen? “Oh, ja jeder wird ein wunderbares kleines Hobby haben.” Was für Hobbys? Die KI wird sie ausüben. Und welche Hobbys sollen das sein? “Es wird großartig sein, es wird wunderbar sein.” Woher weiß man das? Das ist ein Experiment. Die KI wird das Gefühl der Zufriedenheit beim Menschen verändern. Die Würde der eigenen Anstrengungen und der eigenen Arbeit wird verschwinden, wenn du nicht mit deinen Händen arbeitest. Ich als Musiker werde meine Alben ohne den Einsatz von künstlicher Intelligenz entstehen lassen. Von Menschen gemacht.

Ich glaube an die Technologie, ich glaube auch, dass sie eine Hilfe sein kann. Aber es ist nicht das, was die Leute damit machen, und dann muss man sich fragen, was das Militär damit machen wird. Ein sehr großes Problem ist, dass die Amerikaner sagen: Wenn wir unsere KI und unsere Entwicklungen zurückhalten, werden andere Länder das nicht tun, und sie werden stärker werden. Dann enden wir in einer Schlacht. Und wenn die KI so intelligent wird, dass sie erkennt, dass die Menschen Idioten sind, was passiert dann? Wir gehen zurück und sagen, sorry, wir haben uns geirrt? Es gibt keinen Moment, in dem wir das sagen. Es gilt zu sagen: Prüft es erst. Haben wir das nötig? Funktioniert es? Ist es gefährlich? Wenn nicht, okay. Aber dann lasst es langsam angehen.

Du hast mal in einem Interview das Verhalten der Menschheit kritisiert, z.B. ihren verschwenderischen Umgang mit der Umwelt. Achtest du selbst bei manchen Dingen darauf, fürsorglich mit dieser umzugehen?

Da liegt bei mir ein Missverständnis vor. Wenn ich darüber spreche, wie die Menschen ein Problem lösen, könnte es die Umwelt betreffen, es könnten soziale Probleme sein, Hunger. Alles Dinge, die noch immer problematisch sind. Ich gehe nicht tief hinein und schaue, wie die Statistiken aussehen und wie die Menschen damit umgehen. Ich halte mich normalerweise zurück und betrachte die Menschheit aus der Ferne. Man sieht, dass es derselbe mentale Prozess ist. Sie versuchen immer, jedes Problem auf die gleiche Weise zu lösen. Und wir sind Dummköpfe. Ich meine, wir sind Kinder. Ich werde die Menschen nicht kritisieren, weil die Menschen so sind, wie sie jetzt sind. Das können sie nicht ändern. Wir können nicht aus unserer Haut schlüpfen und etwas anderes werden. Wir kennen also das Problem. Wir wissen auch, dass viele dumme Menschen das nicht akzeptieren wollen. Wir wissen, dass es Welthunger gibt. Aber hier im Westen ist es uns verdammt egal. Denn wir tun nichts dagegen. Organisationen tun etwas dagegen. Sie gehen hin, sie versuchen zu helfen. Vielleicht schicken wir Baerbock nach Kenia runter und sie redet dort mit den Leuten. Aber wir versuchen nicht, die Probleme der Welt zu lösen – alle zusammen. Die Person, die im Hintergrund sitzt und die Lösungen sucht, sitzt direkt vor deiner Nase, warum kannst du das nicht sehen? Es geht nicht darum, sie wegen diesem und jenem zu kritisieren.

Ich denke nicht im Kleinen. Ich denke in einem globalen, universellen Rahmen. Es gibt einen Film von Lars van Trief mit dem Titel “Life”. Und ich habe versucht, den Leuten, die den Film nicht verstehen konnten, den Film zu erklären. Ich habe gesagt, es ist ganz einfach. Es geht um eine Person, die eine Beziehung zu einer Partnerin hat. Und wie sich diese Beziehung auf ihn auswirkt und ihn kaputt macht. Dass sein Vater ein Arschloch ist. Sein Vater ist zu autoritär gewesen. Und zwischen diesen Szenen sieht man Szenen aus dem Kosmos. Wolken aus Staub und Feuer. Und im Laufe des Films ändert sich das und man sieht die Entstehung der Erde und wie sich die Erde entwickelt hat und das Leben entstehen ließ. Die Aussage des Films ist, dass sich alles auf zwei Ebenen abspielt. Und was auf der persönlichen Ebene passiert, von dem man denkt, es sei wichtig, ist unwichtig. Verglichen mit dem, was über Milliarden von Jahren im Kosmos geschieht. Ihre Erfindungen werden nichts bedeuten, aber das heißt nicht, dass sie nicht wichtig sind. Es ist derselbe Prozess der Schöpfung, der eure Persönlichkeit, euch selbst erschafft. Ihr seid ein Produkt all dieser Milliarden von Jahren. Lernt eure Perspektive kennen, dass es nicht nur um eure kleine Welt geht wie “Mama, ich will auf eine Party gehen.” Der Lauf der Zeit wird dir mehr über deine Rolle und deinen Zweck in diesem Universum verraten als alles andere. Aber die meisten Menschen sind sehr engstirnig. Das ist ein sehr schwer zu fassendes Konzept und ich weiß nicht, wie es in ein Interview passt.

Aber ich kritisiere die Menschen nicht mehr, als ich es zum Beispiel in dem Song Wait tue, in dem ich eine Welt beschreibe. Und das ist nur ein Mechanismus, den ich brauchte, um ein Bild von dieser Seite der Welt zu zeichnen. So werden die Texte zu dieser Art von sozialem Protest. Aber sie sind als Mechanismus gedacht, um eine Idee zu erklären. Dass diese Welt so sein wird, indem man beschreibt, wie es sich anfühlt, diese Welt nicht zu mögen. Es ist kein Kommentar über die Welt. Ich habe gestern geschrieben, dass es bei Beloved nicht um den Text geht. Der Text und die Musik sind ein Mechanismus, um dir zu sagen: Fühlst du dich dabei stark? Verbindest du dich mit diesen Worten? Dann benutzt du sie als Spiegel. Das bedeutet, dass du diese Art von Mensch bist. Und ich sage dir, dann bist du bist ein leidenschaftlicher Mensch, der mit diesen Worten beschreiben will, was er für jemanden empfindet. Das sagt dir also, wer du bist. Wenn du nur eine schöne Melodie hörst, dann verstehst du es nicht. Du verpasst es. Du verpasst den ganzen Punkt.

Um ehrlich zu sein, kommen manche Leute zu mir und sagen: “Oh man, was ist mit diesem Song, oder der gefällt mir nicht.” Das ist mir egal. Ich mache es nicht für dich. Entweder du verstehst es oder nicht. Die Leute, die es verstehen, sind glücklich darüber, dass sie es verstehen, aber das klappt nicht bei jeder Band. Ich verstehe auch nicht die Musik jeder Band. Ich verstehe manchmal nicht, was ich mit der jeweiligen Musik anfangen soll. Aber das ist die Realität. Wenn sich jemand beschwert, sage ich, warum machst du dir so viele Gedanken? Warum kannst du dir nicht eine andere Band anhören? Wenn du das nicht magst, dann hör dir was anderes an. Wenn du weißt, dass ich seit 15-20 Jahren nicht mehr die Musik mache, die ich 1999 gemacht habe, ist es dann nicht irrsinnig, dass du darauf wartest, enttäuscht zu werden? Das kann ich nicht verstehen. Alles wächst, diese Welt verändert sich. Diese Welt ist nicht mehr dieselbe wie 1990 oder 2000. Es ist eine ganz andere Welt. Schau dir nur an, was mit Handys passiert ist, allein mit Handys, das Internet. All diese Arten von Dingen. Fernsehsendungen sind größer geworden, Filme haben sich verändert. Diese Welt hat sich dramatisch verändert. Wenn wir zurückblicken und ich im Jahr 2000 die heutige Welt mit meinen Augen sehen könnte, würde ich sie nicht verstehen. Weil es keinen Sinn macht.

Ich kritisiere nicht die Leute, die die Musik kritisieren. Nicht jeder wird jedes Lied mögen. Ich hoffe nur, dass sie es mit der Zeit nochmal hören und es irgendwann Klick macht. Und glaube mir, das passiert öfter, als du denkst. Und man hört Leute sagen: “Ich mochte diesen Song nie, bis sich etwas in meinem Leben geändert hat. Und dann wurde mir klar, dass ich dieses Lied hören wollte.” Und ich sage: Da hast du’s. Das ist der Prozess. Es geht um deine Erfahrungen. Wenn du nur Testosteron-Musik willst, gibt es viele Bands für dich. Aber das ist nicht das, was ich mache. Ich male musikalische Bilder, die ein Bild in deinem Kopf erzeugen. Ich transportiere ein Gefühl zu dir. Weil du dasselbe fühlst wie ich in dem Song. Auch wenn unsere Situation eine andere ist. Was ich versuche zu transportieren, ist ein Gefühl. Das ist es, was ich von Anfang an gemacht habe und ich lerne mit jedem Album, wie ich es besser machen kann. Also, es ist seltsam. Andere Musik ist nicht so. Ich weiß das. Es ist etwas frustrierend für mich, weil es bedeutet, dass jemand der mein Album hört, denkt, es ist dasselbe, was alle anderen Bands machen, aber das ist es nicht.

 

Überfällt dich der After-Tour-Blues, oder ist das kein Thema (mehr)? Und was tust du dagegen?

Das war einmal. Früher liebte ich die Erfahrung, auf der Bühne zu stehen, und es fühlte sich nicht wie ein Job an. Zumal ich ansonsten von 9:00-17:00 Uhr gearbeitet habe. Aber die Sache mit dem Touren … Was man von einer Tournee zurückbekommt, hängt von der Energie ab, die man ihr gibt. Ich habe also gearbeitet und mich wirklich angestrengt, bin jeden Tag aufgestanden, habe die gleichen Dinge getan und dafür gesorgt, dass alles funktioniert. Weil ich das wirklich will. Ich liebe es wirklich. Wenn man dann zum normalen Leben zurückkehrt, hat man diesen Moment, in dem man denkt, es ist 15:00 Uhr – Soundcheck, ich muss irgendwo sein. Oder es ist 19:00 Uhr – der Einlass beginnt. Das ist einprogrammiert, auch wenn man zwei Wochen lang auf Tour ist. Jetzt habe ich alle Touren gemacht. Ich versuche, keine Zeit dafür zu vergeuden, Dinge zu vermissen, weil das nichts bringt. Ich weiß, dass es wieder passieren wird. Und ich werde erneut auf Tour gehen. Ich liebe es, die Jungs wiederzusehen. Das ist die großartige Sache. Ich liebe es, meine Freunde wiederzusehen. Die Leute, mit denen ich gerne zusammenarbeite. Das ist das Beste an einer Tournee. Du machst eine Pause, kommst zurück und man ist so glücklich, sich erneut zu sehen.

Was würdest du einer Newcomer-Band raten, die gerne etwas erreichen möchte?

Ich kann nur eines sagen: Mach es für dich selbst. Mach Musik, die dich glücklich macht. Was du fühlst, vermittelt dir eine Emotion. Wenn ihr einfach nur eine Band sein wollt, nach dem Motto “Wir müssen in einer Band sein”, ihr bereits den Namen für eure Band habt, euer Logo, aber noch keine Songs geschrieben habt, dann bin ich nicht interessiert. Wenn du jedoch das Gefühl hast, dass du etwas zu sagen hast und du Musik schreibst, die allein aus deinem Herzen und deiner Seele kommt und du schreibst Musik, weil es sich gut anfühlt, das zu tun – das ist dann etwas Anderes. Wenn du beispielsweise allein mit deiner Gitarre dasitzt, dann mach weiter damit. Wenn du Ehrlichkeit und echte Leidenschaft inne hast und du an deine Musik glaubst, dann werden die Leute das hören. Die richtigen Leute werden es hören. Wenn es oberflächlich ist, dann wirf es weg. Denn die Leute werden auch das hören.

Wenn du also so wie ich gestrickt bist, verbringe deine Zeit damit, zu Hause für dich selbst Musik zu machen, aber versuche immer, deine eigenen Grenzen zu erweitern. Versuche, etwas anderes zu machen, etwas Neues zu lernen. Das Internet kann dir alles beibringen, was du an Technik beherrschen möchtest. Es ist alles da. Wie kann ich meine Trommel lauter einstellen? Wie kann ich dies und das machen? Verliere dich jedoch nicht darin. Behalte nur im Blick, was du fühlen willst, was du sagen willst. Und lerne, was du brauchst, um das zu verwirklichen. Nicht andersherum, indem man etwas tut, weil du viele Videos darüber gesehen hast, wie man etwas macht. Zudem würde ich sagen, die Zeit um mit Musik Geld zu verdienen, ist vorbei. Mach einfach Musik, die dich glücklich macht und teile sie mit anderen Menschen. Vor 10-15 Jahren wurde ich von Bands gefragt, was ihr Ziel sein soll und ich habe gesagt “Mach niemals Geld zu deinem Ziel. Erziele Erfolg, definiere Erfolg oder etwas anderes. Nach und nach werden dir mehr Leute zuhören. Wenn das passiert, dann ist Geld ein Folgeeffekt.”

Wenn du einen Job nur wegen des Geldes annimmst, wirst du nie glücklich sein. Du willst jeden Tag genießen. Wenn du also keinen Job hast, der dir Spaß macht und dein Herz mit Glück erfüllt, dann kommst du als leeres, ausgebranntes, seelenloses Wesen nach Hause. Mach einen Job, den du liebst und hab Spaß daran. Das Gleiche habe ich immer über die Musik gesagt. Mach Musik, weil du es liebst, mach es, weil du soviel Spaß daran hast und wenn du ständig daran denkst, dass dich möglichst alle lieben sollen, dann ist das der falsche Grund. Das ist nur meine Meinung. Ich hatte dieses Gefühl als Teenager nie. Ich hasste die Vorstellung, vor vielen Leuten zu stehen. Ich wollte das einfach nicht. Ich wollte mich lieber verstecken. Als Jugendlicher war ich sehr schüchtern. Und ich war sehr sensibel. 1982/1983 spielte ich in einer Band – Bedroom Bands. Es war das erfolgreichste von allen früheren Projekten. Und ich stand zusammen mit zwei Schlagzeugern auf einer Bühne. Mein Freund hat in ein Mikrofon geschrien. Und wir hatten zwei Synthesizer dabei.

Es war voller Schmerz, wütend, wirklich chaotisch, aber kraftvoll. Gesungen wurde über normale, alltägliche Dinge. Es war richtig emotionsgeladen. Damals war mir noch nicht klar, wie unglaublich es war, so etwas zu tun. Ich konnte mich hinter den Tasten verstecken, ein ausdrucksloses Gesicht aufsetzen. Wir klangen, wie all die Bands in den frühen Achtzigern, all die sensiblen Jungs von der Kunsthochschule, die sich einfach hinter diesen Masken verstecken. Und es war der größte Spaß, den ich je hatte. Wenn ich daran denke, denke ich: ,Wow, vielleicht wir wären groß geworden.’ Wir waren 15 Jahre alt. Aber wir waren in Irland. Niemand hätte uns zugehört. Das war verrückt. Das Internet kann jegliche Musik verbreiten, aber soviel Musik ist oberflächlich und bedeutet nichts. Versuche nicht, dagegen anzutreten. Das ist wie gegen den Strom zu schwimmen. Finde ein Genre, in das du hineinpasst. Und du musst nicht mit den Idioten konkurrieren. Mach einfach dein eigenes Ding und schaffe dein eigenes Genre. Ich habe mein eigenes Genre gefunden.

Besuchst du privat auch Konzerte?

Ja, ich liebe Musik. Ich muss etwas sagen, was die Leute in diesem Genre vielleicht verärgern wird. Ich höre sehr selten Musik aus dieser Szene. Der Grund ist, dass die Emotionen, die ich in der Musik suche, von so vielen Underground-Bands kommen. Und es gibt so viel unglaubliche Musik da draußen, die dein Herz mit allen Klängen füllen kann. Ich stamme nicht aus dieser Szene. Ich kam von außerhalb, aber das bedeutet nicht, dass ich Popbands oder so gehört habe. Ich habe mir immer Musik angehört, die mir ein Gefühl vermittelte. In den 80er Jahren hörte ich This Mortal Coil – das erste Album. Ich hörte Bands wie die Cocteau Twins, sie waren beim selben Label wie Dead Can Dance. Zu This Mortal Coil – ich möchte, dass ihr euch das merkt. Hört euch das erste Album an, es heißt It’ll End In Tears. Und wenn du Dead Can Dance magst, wirst du diese fliegen lassen und dich fragen, warum kenne ich dieses Album nicht? Das Label 4AD ist ein ganz besonderes Label. Das ist es, was ich meine – kreiere dein eigenes Genre. Sie haben sich die besten Künstler besorgt, sie zusammengebracht und ein Album geschaffen, das wunderschön ist. Lisa Gerrard singt auch ein paar Songs darauf. Die Cocteau Twins waren auch dabei – Elizabeth Frazers Stimme ist einfach himmlisch.

Was ich in den 80er Jahren liebte, war die Musikwelt, in der ich Künstlerinnen wie Kate Bush oder Laurie Anderson mochte, weil ich die Ausreißer liebte. Was ich meine ist, dass die meisten Männer und Frauen einfach nur Popmusik machten. Was auch immer einfach ist, man kann es jederzeit hören, man kann die Melodie pfeifen. Und es gab diese Underground-Bands, die Musik machten, die anders war. Männer und Frauen, es spielte keine Rolle, was sie waren. Diese Leute interessierten mich, weil sie aus dem Herzen sprachen. Und ich empfing mehr Emotionen oder intellektuelle Ideen von ihnen. Das war es, was mich im Leben begleitet hat. Wenn ich also zu einem Konzert gehe – um deine Frage zu beantworten. Ich versuche, an die letzten Konzerte zu denken, die ich besucht habe. Es waren schonmal keine mehr seit der Pandemie. Das war noch nicht möglich. Aber ich war bei Soft Moon, Nick Cave. Ich liebe es, Bands wie Interpol zu sehen. Ich war bei vielen sehr merkwürdigen Underground-Bands, die wunderschöne Ambient-Klänge entstehen lassen. Explosions In The Sky oder Hammock. Das sind so einige meiner Lieblingskünstler. Aber dann höre ich mir auch elektronische Sachen an, ich gehe zu Veranstaltungen mit einem wirklich cleveren Underground-Techno-DJ, der eine Menge verrückter Musik macht.

Weißt du, ich höre eine Menge verschiedener Musikrichtungen. Es geht darum, die Sounds live zu erzeugen. Alles ist eine zusätzliche Erfahrung. Manchmal sitzt man da und es ist ganz still und alle sind glücklich. Manchmal ist es verrückt, wie eine verrückte Klangerzeugung. Aber alles führt zu unterschiedlichen Emotionen und es gibt eine Seite in mir, die das braucht. Aber eine Sache, die ich an Konzerten hasse ist, dass es immer jemanden im Publikum gibt, der das ganze verdammte Konzert über redet, und ich muss dann fragen, “warum zum Teufel bist du hier?” ich hatte diese Erfahrung auf einem Konzert, da standen drei Typen neben mir und ich dachte, warum seid ihr eigentlich hier? Ihr redet nur und schreit, weil ihr versucht, lauter zu sein als die Musik. Ihr flüstert euch nicht gegenseitig ins Ohr. Ihr schreit euch gegenseitig an. Niemand kann das verdammte Konzert hören. Ich kannte das Personal und den Veranstaltungsort. Ich bin zu ihnen gegangen und habe gesagt, wenn ich ein Wort zu den Jungs sage, wollen sie mich vermutlich verprügeln. Könnt ihr mir da helfen? Jemand stellte sich also hinter mich. Ich sagte, “Leute, ernsthaft, wir können die Band nicht hören. Macht das draußen, geht zum Eingang oder so etwas.” Dann hat mich einer von ihnen angeschrien und ist richtig aggressiv geworden.

Meine Nachbarin war bei der VNV-Show in Hamburg. Sie wurde auch durch eine Frau gestört und sagte ihr dasselbe. Und diese Frau fing einfach an, sie anzuschreien. Nach dem Motto “Sag mir verdammt noch mal nicht, was ich sagen oder tun soll”. Das ist der Moment, in dem die Securities sagen: Leute, das war aggressiv, du hast eine Grenze überschritten und du musst gehen. Ich wünschte, es gäbe weniger davon, denn Egoismus gehört nicht in eine VNV-Show. Ich sage den Leuten immer: Passt aufeinander auf. Wir haben nur uns. Und es gibt einige Leute, die sich das anhören und denken, genauso stelle ich mir das auch vor. Und es gibt eine Menge Leute, die denken, er sagt es einfach. Nicht jeder ist egoistisch. Manche Menschen sind sehr selbstsüchtig. Manche Menschen sind sehr fürsorglich, für andere da. So ist die Welt nun mal.

Hattest du jemals einen enorm frustrierten Moment, in dem du darüber nachgedacht hast, die Musik an den Nagel zu hängen?

Ja, es gibt Momente, in denen ich auf Konzerten war und dachte, dass ich das nicht schaffe. Ich hatte Leute, die dumme Sachen im Publikum gemacht haben, wo ich dachte “Ok, das ist die schlimmste Seite, die Menschen von sich zeigen können”. Ich hatte zudem in der Vergangenheit frustrierende Situationen, in denen es eine Art “Boys Club” in der Crew gab. Und ich hatte keine Kontrolle darüber. Ich bin ein Teamplayer und handle nicht als Chef. Ich sage den Leuten nicht, was sie tun sollen. Ich sage ihnen, wie ich mir vorstelle, dass sie an allem teilhaben, aber sie ignorierten mich und machten ihr eigenes Ding. Und viele Dinge geschahen hinter meinem Rücken. Die Jungs hatten Spaß, so nach dem Motto “Komm schon, lass uns zusammen verrückte Sachen machen.” Ich denke mir, das ist meine Band und ihr repräsentiert sie nicht richtig. Und ich musste diese Leute entlassen. Weil sie sie oftmals so verhalten haben.

Nach einer Show hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Wir flogen in ein anderes Land und waren auf Tournee in Nordamerika. Und ich musste diese Tour irgendwie durchstehen. Ich konnte nicht abrupt ändern, was da vor sich ging. Die Leute benahmen sich wie zehnjährige Jungen. Dafür gab es viele Gründe, und das ist ein Grund, warum ich nicht mehr mit anderen Leuten zusammenarbeite. Man kann darüber denken, was man will, denn ich habe so viele Jahre lang versucht, es zu ändern. Niemand sonst außerhalb konnte sehen, was wirklich vor sich ging. Und ich glaube, sie nahmen mir nur meine Energie weg. Nehmen wir nun Electric Sun. Das passiert, wenn niemand meine Energie raubt. Auf Noire hört man was passiert, wenn ich meine Energie nicht verliere, oder auf Resonance. Ich habe viele Alben gemacht, um mir zu beweisen, dass es das wert ist. Aber ich glaube, Judgement war am schwierigsten. Das war die schwierigste Zeit für mich, wenn ich daran denke, was in der Crew vor sich ging.

Wenn man als kleine Band anfängt, muss man eines Tages Leute einstellen. Einer war der einzige Typ, den ich kannte, der das machen kann. Also war es in dem Moment egal, ob er nun eine gute Persönlichkeit inne hatte oder nicht. Ich bin glücklich, nun auf diesem Niveau arbeiten zu können. Nun kann ich auch Profis engagieren. Sie kommen rein und erledigen den Job. Das sind keine Idioten, die rumblödeln. Sie sind hier, um den Job zu erledigen und wir haben dabei eine gute Zeit. Wir lachen und scherzen miteinander. Aber es gab viele Momente, in denen Teile der Crew damals da standen und ihre Zeit mit Lachen verbracht haben und man sie “treten” musste, damit sie ihre Arbeit machten und diese Zeiten liegen hinter mir. Und das war wirklich die stressigste Zeit, als ich überlegt habe – ich tue es für die Leute, die mir schreiben und sagen, was ein Lied für sie getan hat. Aber ohne das gab es keinen Grund für mich, dieses ganze Leid zu ertragen. Und es gab Zeiten, da wollte ich wirklich aufhören. Was ich nie verstanden habe, war die Einstellung einiger auf Tour, und das waren Männer und Frauen: “Hey, wir haben Spaß. Wir sind cool, das ist Rock’n’Roll.” Und ich habe gesagt: “Nein, ihr könnt euren Spaß haben, aber macht zuerst eure Arbeit”, und ich habe mich oft gefragt: Wollt ihr, dass ich aufhöre? Denn wenn ihr wollt, dass ich aufhöre, oder wenn ich aufhöre, dann passiert das alles nicht mehr, denn bin ich nicht der Gitarrist, den man ersetzen könnte. Dann ist es komplett vorbei. Und das konnten sie nicht verstehen.

Also musste ich sie loswerden. Wir alle kommen in Situationen, in denen wir auf toxische Menschen treffen. Und ich mag das Wort “toxisch” nicht, weil es heute ein Modewort/ein Schlagwort ist. Aber ich musste mich von Menschen trennen, die mir geschadet haben. Solche, die passiv-aggressiv waren oder mich unter Druck gesetzt haben. All die wirklich gefährlichen Arten von Persönlichkeiten. Und ich hatte mich zunächst von einer Person getrennt. Ok, wie verhalten sich jetzt alle? Aber das hat das Problem verschlimmert. An ihrer Stelle hatte ich durchaus Möglichkeiten, bessere Leute zu finden. Leute, die mir helfen können. Letztendlich bin ich nicht für die Party der anderen da. Ich bin hier, um Konzerte zu produzieren, die den Leuten das Erlebnis bieten, das sie bei der Show verspüren wollen. Das ist der Grund, warum wir hier sind. Aus keinem anderen Grund. Alles, was mich daran hindert, hat hier keinen Platz. Das ist die wichtigste Aufgabe. Wir versuchen, die besten Konzerte zu veranstalten. Ich sage bewusst “wir”, weil wir zu viert auf der Bühne stehen und zu fünft dabei helfen, alles auf die Beine zu stellen. Wir arbeiten alle zusammen, damit sich jeder wohlfühlt und das Publikum das Konzert bekommt, das es sich wünscht. Das ist das Wichtigste.

Titelbild: © Arne Beschorner / Konzertfotos – Bild 1 + 2 © Sandro Griesbach, Bild 3 © Michael Gamon
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