Hilton Theissen beschreitet seinen Weg mit Zoodrake ehrgeizig fort. Nach dem Debütalbum Purified (2020) entwickelte er seinen erfrischenden Stil mit Seven (2021) kontinuierlich weiter. Es heißt, das dritte Album einer Band sei von ganz besonderer Bedeutung. Können Zoodrake dieser Bürde mit Torn From Core gerecht werden? Zwar preschen auch forsche Ausreißer hervor, doch das Gesamtbild wird mit dem taffen Neuling nochmal klarer. Wie auf dem Vorgänger Seven, finden sich auf Torn From Core auch erneut Songs, die durchaus mit bereits bekannten Stücken verwandt zu sein scheinen. So kristallisieren sich unverkennbare Elemente heraus, die Zoodrake prägen und den roten Faden niemals verloren geben. Vor uns liegt ein gekonnter Mix aus Synthpop, Alternative und Indie – unter anderem ;).
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Auf diesem Longplayer öffnet Hilton seine persönliche, bislang stets behütete Schatulle und lässt uns ein stückweit an seinem Seelenleben teilhaben. Dabei kommen ganz unterschiedliche Facetten zum Vorschein. Rücken wir gleich mal näher an die einzelnen Titel heran:
Der Starter G.o.d. eignet sich sogleich bestens für die Tanzflächen der Schwarzen Szene. Zu verspielten Synthies gesellt sich eine Melodie, die vom Klang her einem Glockenspiel gleicht. Ein dreckiges Lachen lässt einen bereits erahnen – hier erwartet uns textlich gesehen keine kunterbunte Glitzerwelt. Direkt zu Beginn wird klar, wofür der Songtitel steht: G.o.d. = God of Damnation. Der Gott der Verdammnis wird einen jagen, er wird einen unaufhaltsam einholen und dann beherrschen. “You’ll be the fool. Fall to my rule.” Ein gewiefter Effekt verstärkt die Message ungleich mehr, scheint einem der Song an dieser Stelle gar entgegenzukommen. Obgleich ein Ausweg aus der Misere völlig ausgeschlossen bleibt, vermag man gerade zu diesem trüben Ausblick das Tanzbein zu schwingen.
Black Out Day zwingt einen mit voller Wucht in die Knie. Ein markanter, fast stampfender Beat gibt hier den dunklen Rhythmus vor. Solch rabenschwarze Tage kennen wir alle: Wenn Murphys Gesetz unerbittlich zuschlägt und alles gleichzeitig über einen hereinbricht, niemand für einen da ist und man sich verzweifelt nach Unterstützung sehnt. Dabei werden die Strophen schwungvoll dargeboten. Eine kleine Wendung nimmt der Song, als der treibende Sound kurz innehält und Hilton mit lieblicher Stimme ein wenig Mut macht. Denn wenn man Verantwortung zeigt und sein Glück wieder selbst in die Hand nimmt, könnte einem auch wieder ein heller Tag bevorstehen, der den leidlichen Lauf durchbricht.
Betont lässig klingt der folgende Track: Fighter. Hier geht es um einen Apell der einen ermutigt, aus seinem sinnlosen Hamsterrad herauszuspringen, sich selbst nichts mehr vorzumachen und statt in Selbstmitleid zu versinken, sein Leben wieder aktiv zu gestalten und unermüdlich für seine eigenen Ziele zu kämpfen. Im Verlauf wirkt die Stimme immer ernster und drängender und wird zu einem mahnenden Anstoß, seine bislang lahmen Pläne durch starke Ziele zu ersetzen, die einen voranbringen.
Kommen wir zu einem klaren Ausreißer, der für mich ein brandheißer Favorit ist. Mit To The Fire zeigen Zoodrake Ecken und Kanten, die der Band außerordentlich gut stehen. Diese Dark Wave Nummer reißt einen unaufhaltsam mit. Dazu gehen die Lyrics ans Eingemachte. Voller Passion und mit rauer Stimme rechnet Hilton hier mit der Spezies Mensch ab. Geprägt von Gier, Scheinheiligkeit und Boshaftigkeit geht diese gnadenlos über Leichen, nur um mehr Macht zu erlangen. “Self righteous to the core, reject but pushing war.” Hiltons Leidenschaft im Gesang übermannt einen ungebremst und löst eine beachtliche Gänsehaut aus. Dazu spielt er gekonnt mit Kontrasten. Zu lieblich gesungenen Strophen breitet sich bedrohlich klingender, dunkler Gitarrensound aus. Eine steigende Dramatik lässt einen alles um sich herum vergessen. Imaginär entstehen allerlei rohe Bilder und der Titel lässt einen schwer beeindruckt zurück.
Von einem stillen Zusammenbruch handelt die aktuelle Single Broken Down. Hierzu hört man die gedrückte Stimmung deutlich heraus. Es geht um einen Teufelskreis, dem man einfach nicht entkommt. Eine tief traurige Melodie prägt dabei die sphärische Atmosphäre. Kommen euch die Synthies beim Refrain bekannt vor? Lauscht im Nachgang gerne nochmal New Oceans ;).
Same Old bäumt sich gleich zu Beginn kraftvoll auf. Es folgt eine klare Abrechnung mit der festgefahrenen Musikindustrie. Dabei ruhen sich die Urgesteine auf ihren einst gesammelten Lorbeeren aus und begeben sich keinen Zentimeter aus ihrer festgesteckten Zone heraus. Sich wiederholende Ideen werden dennoch von der Masse abgefeiert. Derweil hat der Nachwuchs keinerlei Chance sich zu beweisen. Der getragene Gesang mit einer verdeckt zornigen Note, verstärkt dabei die Botschaft ganz wunderbar. Frischer Wind neuer Bands wird abgeschmettert, die Szene bewegt sich keinen Zentimeter voran und verpasst dabei Songmaterial, das echte Emotionen auslöst. “Await the chorus and the line that shivers down your fuckin’ old spine.” Diese dunkle Ode klingt herrlich hymnisch, enthält zauberhafte Melodien und bauscht sich dann nochmal auf, ehe ein markantes Gitarrenspiel einen inneren Jauchzer auslöst.
Sobald By Your Side einsetzt, breitet sich ein behagliches Gefühl voller Geborgenheit aus. Hiltons hingebungsvolle Leidenschaft zur Musik vereint sich hier mit der niemals endenden Liebe zu seiner Tochter, hat er ihr diesen Song doch gewidmet. Hierbei stellt sich heraus – was auch immer im Leben geschehen mag, nichts wird das starke Band zwischen Vater und Tochter jemals trennen können. Lauter kleine Episoden der beiden setzen unsere Fantasie in Gang und entfachen gedanklich rührende Bilder. Seine warme Stimme scheint einen fast zu umarmen. Zart anmutende, bildschöne Harmonien verschmelzen mit den besonnenen Klängen der Gitarre.
Abfahrt mit der stürmischen Indie-Nummer What Life Is. Jetzt wird gerockt! Dynamisch und treibend bahnt sich dieser Song unaufhaltsam seinen Weg in die Beine und lässt einen kurz an Nothing’s Wrong zurückdenken. Hierbei kommt durchaus die beachtliche Range des Sängers zum Vorschein. Mühelos trifft Hilton auch die ganz hohen Töne. Mehrstimmige Parts verleihen der Erkenntnis noch mehr Eindruck, dass man es in dieser Welt bedeutend leichter haben könnte, wenn man seine Sichtweise auf vielerlei Dinge ändern würde.
Synthpop as its best bietet Light Aspire. Mit glasklarer Stimme singt Hilton den ersten Refrain und wird dabei stimmungsvoll von einem Piano begleitet. Der Song steckt voller Hoffnung. Es geht darum vergangenen Fehlern nicht nachzutrauern, sondern sich selbst zu finden. Mit reinem Herzen zu handeln und dem Licht entgegenzustreben. Eine ermutigende Textzeile sticht besonders hervor und diese sollte man sich unbedingt als Lebensweisheit bewahren: “Raise any spark to fire. Let all your light aspire.” Bei der Soundstruktur bleibt ein kurzer Flashback Moment nicht aus, verwendete Hilton doch bei Right Back durchaus ähnliche Elemente. Gegen Ende lädt einen dieser Song wunderbar dazu ein, sich beflügelt auf der Tanzfläche treiben zu lassen.
Erinnert ihr euch noch an Solitude (You Will) vom Debütalbum? Der verträumte Sound der Gitarre begegnet uns auch in What Could Have Been, einem Song über die erste große Liebe, die kein gutes Ende nahm. Diese bittere Ballade versteht die hohe Kunst, einen tiefgründig zu berühren. Hilton ruft nochmal seine Erinnerungen an diese magische Zeit hervor, in der die Schmetterlinge um die Wette tanzten und singt die ersten Zeilen voller Gefühl. Doch die tragische Kehrtwende bahnt sich unaufhaltsam an, als das einst geknüpfte Vertrauen schwindet. Kleine Klanggebilde scheinen fast schon zu funkeln. Mit flüsternder Stimme, die einen zu fesseln scheint, deckt er die Gründe für das Scheitern auf “Trapped in a soul cage. Locked by fear and young rage. Too much weight and too much hate, too many ways to be betrayed…mistakes being made.” Folgend spielt sich die Tragik auch in der Musik in der Stimmlage wieder. Gepeinigt von tiefem Schmerz blieb einzig ein romantischer Gedanke “We loved a thought that could not win, the image of what could have been.” Und dieser bleibt bis zum heutigen Tage nichts weiter als eine Erinnerung, ein funkelnder Stern am Firmament. What Could Have Been wühlt einen einen durchaus innerlich auf und mit diesem zehnten Titel endet auch der dritte Longplayer.
Was hat Torn From Core noch mit seinen Vorgängern gemein? Man möchte es immer wieder hören! Dazu trifft man auch bei diesem Werk auf zahlreiche Feinheiten, die einen auch noch nach mehrmaligen Durchläufen überraschen. Dieses Album gehört in die Sammlung jedes Liebhabers elektronischer Musik. Reiht euch gerne ein und macht euch gefasst – auf eine einzigartige Achterbahnfahrt voller Gefühle. Das neue Album von Zoodrake erhaltet ihr hier.
Tracklist ZOODRAKE – Torn From Core:
01. G.o.d.
02. Black Out Day
03. Fighter
04. To The Fire
05. Broken Down
06. Same Old
07. By Your Side
08. What Life Is
09. Light Aspire
10. What Could Have Been
Coverfotos © Dominique Schmitt
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