VV – Ville Valo – Köln, Live Music Hall (08.03.2023)

Fotos: VV-Ville Valo
Ville Valo, © Angela Trabert
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Im Jahr 1998 machte Ville Valo erstmalig in Deutschland auf sich aufmerksam. Gemeinsam mit seiner Band HIM veröffentlichte er mit Wicked Game eine dunkel-romantische Coversion des Megahits von Chris Isaac. Gefolgt von dem Album Greatest Lovesongs Vol. 666 gelang es den jungen Finnen, die Gothicszene im Sturm für sich zu erobern. So konnte auch ich mich ihrem einzigartigen Love Metal nicht entziehen – zum Leidwesen meiner Mutter. Regelmäßig beschwerte sie sich über das “Gejaule” des hingebungsvollen Sängers, das in der gesamten Wohnung unüberhörbar war. Auf ihren Konzerten zeigte sich Ville gerne mit einem Glas Rotwein und einer Zigarette in der Hand auf der Bühne und mimte den verwegenen Rockstar. Als zwei Jahre später die Ballade Join Me (In Death), nebst dem Longplayer Razorblade Romance erschien, gelang HIM der ganz große Durchbruch. Unzählige Touren folgten. Dazu wuchs der Druck auf die Band, ihre Erfolge aufrechtzuerhalten. Besetzungswechsel waren die Folge. Ihr einst härterer Stil veränderte sich. Weichere Elemente übernahmen die Oberhand, doch damit meldeten sich sogleich kritische Stimmen zu Wort. Labelwechsel ebneten der Band den Weg, zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Ruhe wollte dennoch nicht so richtig einkehren.

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Am 05.03.2017 sorgten HIM mit einer einschneidenden Nachricht für Furore, gaben sie doch Ihre Trennung zum Jahresende bekannt. Auf einer letzten Tour konnten die Fans von ihren Idolen Abschied nehmen. Mit dem finalen Konzert am 31.12.2017 endete dann die Ära von HIM. Und obgleich es für viele unvorstellbar war, wie es in der dunklen Musikwelt ohne Ville Valo weitergehen sollte, zog sich der Finne fortan zurück. Es war an der Zeit, sich seinem Privatleben zu widmen, und sich auf sich selbst zu besinnen. An die Stille um seine Person galt es sich zu gewöhnen. Nach zwei Jahren überraschte ein zartes Lebenszeichen – er kooperierte mit den Agents. Es entststand ein gemeinsames Album und eine einmalige Tour, die allerdings nur auf finnischen Bühnen stattfand. Gemeinsam mit Esa Pulliainen ehrten sie den finnischen Sänger Rauli „Badding“ Somerjoki mit ihren Interpretationen seiner Stücke.

Und eines Tages geschah es. Villes eigene Kreativität nahm wieder die Überhand. Im Jahr 2020 war Ville’s Soloprojekt VV geboren. Drei erste Titel vereinten sich auf der EP Gothica Fennica Vol. 1. Die Fans konnten ihr Glück kaum fassen, als dann noch eine Tour des Ausnahmekünstlers angekündigt wurde. Zu früh gefreut, denn die Coronapandemie machte uns allen einen miesen Strich durch die Rechnung. Einmal galt es also noch, geduldig zu bleiben. Mit Neon Noir wurde dann das erste Soloalbum in Aussicht gestellt. Seit dem letzten Frühling droppten die dazugehörigen Singles, ehe das Werk final am 13.01.2023 released wurde. Es blieb also genügend Zeit, sich mit der neuen Musik von Ville zu befassen, bevor dann die riesige Welttournee begann. Am Weltfrauentag machte VV dann in der Kölner Live Music Hall Halt. Bei wirklich unangenehmem, nasskalten Wetter galt es dann für viele, bereits etliche Stunden vor dem Einlass draußen auszuharren. Seit langem war das Konzert ausverkauft und für attraktive Plätze durfte man nicht aus Zucker sein.

Pünktlich um 19:00 Uhr strömten wir in die Halle. Im Vorprogramm galt es zunächst eine isländische Post-Punk Band in Augenschein zu nehmen: Kælan Mikla. Das weibliche Trio gründete sich bereits vor zehn Jahren, um an einem Poesiewettbewerb teilzunehmen. Nachdem sie den ersten Platz ergatterten, beschlossen sie, fortan gemeinsam Musik zu machen. Ihren Bandnamen haben sie nach der Muminfigur “Lady Of The Cold” benannt, deren Bezeichnung sie kurzerhand ins Isländische übersetzt haben. Auf der Bühne wurde es nun dunkel. Im kargen Licht erschienen drei Musikerinnen. Margrét Rósa Dóru-Harrýsdóttir hängte sich ihren Bass um, Sólveig Matthildur Kristjánsdóttir positionierte sich hinter ihren Synthesizern und in ihrer Mitte kam die Sängerin Laufey Soffía mit ihrem fliederfarbenen Haar zum Vorschein. In dunkle Kleider gehüllt, begannen die drei ihr Set mit dem Song Stormurinn. Sólveig entlockte ihrer Querflöte zarte, liebliche Töne. Zu den prägnanten Basstönen sang Lauffey mit sanfter Stimme in ihrer isländischen Heimatsprache die Lyrics.

Bei den folgenden Titeln widmete sich Sólveig dann ihren Keys. Laufey wich einen Schritt von ihrem Mikrofon zurück, um ihre Screams für den Titel Kalt etwas abzumildern. Sichtbar leidend bedeckte sie ihr Gesicht mit ihren Händen, ehe sie sich auf den Boden schmiss und ihren Kopf darauf ablegte. Das verträumte Stück Sírenur ließ einen gedanklich direkt abschweifen. Interaktionen mit dem Publikum blieben im übrigen aus, Kælan Mikla waren stattdessen tief in ihrer eigenen Welt versunken. Bedrohlich wirkte der Sound bei dem Stück Andvaka. Laufeys Verzweiflung war dabei unübersehbar. Gegen Ende meldete sie sich aber doch noch zu Wort: “We are Kælan Mikla and it’s a pleasure to play for you tonight. We’d like to dedicate the last two songs to Ville Valo and his guys.” Zum Schluss überraschte uns das Trio. Zu seichtem, mystischen Sound stießeen die Musikerinnen plötzlich völlig unerwartet nacheinander heftige Urschreie heraus. In einem Interview verrieten sie über den Song Sólstöður dieser sei „eine Ode an die dunkelste Nacht des Jahres, wenn Hexen Wintergeister in die gefrorene Weite der isländischen Landschaften beschwören.“ Eine sphärische Atmosphäre breitete sich bei Hvítir Sandar aus, ehe der Auftritt von Kælan Mikla nach 35 Minuten endete und sich die drei final vor dem Kölner Publikum verneigten.

Setlist Kælan Mikla – Köln, Live Music Hall (08.03.2023)

01. Kælan Mikla (poem)
02. Stormurinn
03. Kalt
04. Sírenur
05. Næturblóm
06. Andvaka
07. Sólstöður
08. Hvítir Sandar

Weblinks Kælan Mikla  – Köln, Live Music Hall (08.03.2023)

Homepage: https://www.kaelanmikla.com/
Facebook: https://www.facebook.com/Kaelanmikla
Instagram: https://www.instagram.com/kaelanmikla

Um 21:00 Uhr startete das Intro. Im Hintergrund der dämmrigen Bühne erstrahlte das Heartagram 2.0. Raffiniert wurde dieses an der Spitze um den Buchstaben “V” erweitert und somit wurde der Solokünstlername VV visuell perfekt integriert. Und dann war es tatsächlich soweit: Ville Valo betrat die Bühne. Er sah verändert aus. Seine lockigen Haare waren unter einer Schiebermütze verborgen, zu einer lässig geschnittenen Anzughose trug er ein schickes Sakko und unter seinem tiefgeschnitten V-Neck Shirt blitzte das Tattoo eines Auges hervor. Noch schmaler ist er geworden, seine Zähne waren schneeweiß und von makelloser Form. Doch sein Lidschatten und sein Kajal saßen wie in früheren Zeiten. Auf der Bühne stand auch nur Wasser. Schon lange hatte er dem Alkohol abgeschworen. Ville sah gesund aus und seine Augen strahlten mit seinem schönsten Lächeln um die Wette, als seine Fans von Beginn an in die Lyrics von Echolocate Your Love mit einstimmten:“If you wanna dream what I dream, don’t close your eyes. If you wanna feel what I feel…” Als er zu den Worten “Kill the liiiiight” leidenschaftlich in die Höhen ging, war dieses besondere Feeling aus alten Zeiten wieder entflammt. Bäm! Er konnte es noch – und wie! Um mich herum wurden die Handys gezückt. Momente wie diese galt es schließlich erstmal wieder für die Nachwelt einzufangen.

Mit Funeral Of Hearts läutete der smarte Finne das muntere Wechselspiel der Setlist ein: Auf einen Song der Solokarriere folgte in der Regel die Coverversion eines HIM Songs. Diese Stücke entsprangen nunmal auch seiner Feder. Bei dem Titel wurden jedoch keineswegs irgendwelche Herzen begraben, sie sind allesamt wieder auferstanden und loderten erneut auf. Bei den prägnanten Parts nahmen sich die Musiker an seiner Seite zunächst etwas zurück. Zudem hielten sie sich eher im Hintergrund auf, während Ville den mittleren Bühnenrand für sich entdeckt hat und diesen den ganzen Abend über auch kaum mal verließ. Besonders lautstark meldete sich die Fanschar beim Refrain zu Wort. Das war ja fast wie früher… Voller Gefühl bot uns Ville Neon Noir dar. “Come love me, ’til it hurts.” Ein tiefer Seufzer seinerseits durfte natürlich nicht fehlen. Das Heartagram wechselte fröhlich seine Farben und die Bühne erstrahlte in den schönsten rosa- und lilafarbenen Nuancen. Das treibend rockige Right Here In My Arms entfachte wahre Begeisterungsstürme seitens des Publikums. Ein amtliches Gitarrensolo bekamen wir bei Buried Alive By Love dargeboten und Ville beendete den Song mit einem hinreißenden Scream. Zwischen den Stücken begab er sich immer wieder kurz zu seinen Mitmusikern, um mit ihnen zu scherzen.

In Trenodia erforderte die volle Konzentration sowie eine erhöhte stimmliche Wärme von Ville. Wenn er sich bislang gerne am Bühnenrand nach vorne bückte und er immer wieder den Blickkontakt zu einzelnen Fans suchte (was früher undenkbar gewesen wäre), so blieb er bei diesem Song ganz ruhig an seinem Mikroständer stehen, um ein bestmöglichstes Ergebnis abzuliefern. Und seine Stimme war eine wahre Wucht – den ganzen Abend über. Keinerlei Schwächen waren erkennbar, stattdessen lieferte er mit absoluter Perfektion ab. Heartful Of Ghosts startete als verträumte Midtempo Nummer, ehe der Sound immer mächtiger wurde und das Zusammenspiel der Musiker unsere Blicke auf sich zog.

Tiefe Seufzer machten sich dann breit, als Join Me (In Death) folgte. Voller Inbrunst sang die Menge die wohlbekannten Lyrics mit – mal gerade, mal schief – zu Villes Belustigung, konnte er sich doch ein Kichern nicht verkneifen. Ein absolutes Highlight stand nun mit einer der schönsten dunkelromantischen Balladen an, die je geschrieben wurde: When Love And Death Embrace. Die düsteren Pianoklänge klangen so herrlich vertraut und bei den tiefen stimmlichen Parts schmolz man einfach selig dahin. Liebe Mama, ich kann dir sagen, Ville Valo jault so schön wie eh und je! Klammheimlich wollte er gegen Ende des Songs der Bühne entschwinden, so war zumindest der Plan! Dieser funktionierte aber nicht, wenn man in die falsche Richtung lief und nur auf geschlossene Wände traf. Kehrt Marsch! Etwas irritiert, huschte der Fronter dann ungeplant nochmal an uns vorbei, um in den Katakomben zu verschwinden. Mit dem letzten Ton folgten ihm die restlichen Jungs.

Lautstarke Rufe nach einem Zugabenpart blieben nicht unerhört. Soul On Fire strotzte nur so vor Energie und die abgedrehten Momente bereiteten der Menge in der Halle wahre Freude. Nun kam auch noch ein Security Mitarbeiter vor unseren Augen zum Einsatz – allerdings anders als man es kannte. Gab er doch einem weiblichen Fan neben mir ein Zeichen, dass sie ihr Plakat samt ihrer Botschaft falsch herum hielt. Die gute Tat des Tages war also vollbracht – ihm sollte Karma heute schonmal kein Schnippchen mehr schlagen. Ohrenbetäubend laut wurde es bei Poison Girl, denn hier überschlugen sich teils nochmal die mittlerweile arg strapazierten Stimmen der VV Anhängerinnen.

Nachdem es bislang zwischen den Songs keinerlei Ansagen gab, ergriff VV nun schlagartig das Wort. Kaum angefangen, plauderte er, wie ein Wasserfall “Super duper happy International Women’s Day! Haven’t you felt special today? We’re gonna make funny things. For example, myself. I’ve been on stage for maybe 3.000 times? 2.000 times? And I think that is the first time, I did this final tap. So I tried to walk off the stage from the wrong side. And that’s because I forgot to text my mom about the International Women’s Day! It’s so easy to get caught! It’s great to be back after all this ridiculus hard times we’ve all had for years.” Als ihn Rufe aus dem Publikum ereilten, konterte er lässig “I can’t hear you. I’m listening to football the whole time. It’s been an absolute pleasure. Thank you for having us tonight.”

Stolz stellte er uns seine Musiker vor, eher er den folgenden Jubel unterbrach “Don’t be too happy, too sunshiny, we brought this weather! We’ve got one more number. I have to dedicate it to Black Sabbath and of course to Kælan Mikla, who had been a wonderful, wonderful band to play on tour with. Wonderful people and artists. This one is called ,Saturnine Saturnalia’. I hope you like this. Thank you very much and good night.” Ein letztes Mal erstrahlte der Schauplatz des Abends in dunklem lila und in den finalen sechs Minuten richteten sich zu dem schweren Sound der Gitarren verträumte Blicke gen Bühne. Das war er – unser Abend mit VV.

Wie wirkten denn nun die neuen Songs? Hier schaltete VV zwar einen Gang zurück, dennoch entfalteten sie ihre zauberhafte Wirkung. Und eingebettet in das altbekannte HIM Konzept klang das alles mehr als rund. Als ich vor einiger Zeit gelesen habe, dass gleich eine ganze Welttournee mit einem arg straffen Zeitplan ansteht, habe ich erstmal gestutzt. Bürdete sich Ville da nicht nicht zuviel auf? Vor einigen Jahren wäre solch ein Vorhaben undenkbar gewesen. Nach diesem Abend hat sich meine Einstellung diesbezüglich geändert. Unser aller Lieblingsfinne ist back to black und ich traue ihm diesen Schritt nicht nur zu, ich würde ihm sogar imaginär auf die Schulter klopfen und ihm eine Menge Spaß auf seiner restlichen Reise wünschen. Er wird das rocken! Ville ist erwachsen geworden, aber wir sind es auch. Der einzige Wermutstropfen: Ein Ville Valo Shirt kostet mittlerweile 50,-€. Wie gut, dass ich mein Tourshirt aus dem Jahr 1999 so gut behütet habe ;).

Setlist VV – Ville Valo – Köln, Live Music Hall (08.03.2023)

01. Echolocate Your Love
02. The Funeral Of Hearts*
03. Neon Noir
04. Right Here In My Arms*
05. Loveletting
06. Buried Alive By Love*
07. In Trenodia
08. Wings Of A Butterfly*
09. Heartful Of Ghosts
10. Join Me (In Death)*
11. The Foreverlost
12. The Kiss Of Dawn*
13. Run Away From The Sun
14. When Love And Death Embrace*
15. Soul On Fire* (Z)
16. Salute The Sanguine (Z)
17. Posion Girl* (Z)
18. Saturnine Saturnalia (Z)
*HIM Cover

Weblinks VV – Ville Valo – Köln, Live Music Hall, 08.03.2023

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