Klangwolke
Obwohl sich die Plätze der Besucher:innen, versetzt, in immer höheren Rängen aufragen, scheint die Musik über allem zu schweben. Nils Frahm erfühlt und erfüllt das Leipziger Gewandhaus mit seinem Klangnebel aus wohligem Surren oder flirrenden Melodien. Die Töne als träumerische Sprache vermögen dort anzusetzen, wo die Worte aufhören zu wirken.
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Das beleuchtete Bühnenrund stellt die symmetrisch angeordnete Instrumentarien des Musiker aus. Im gelben Leuchten ecken Keyboards aneinander, eine Glasharmonika funkelt. Alles ganz geordnet, arrangiert um zwei Drehhocker. Das Scheinwerferlicht bebildert eine der Seitenwände am Bühnenrand mit einem rotierenden, runden Schatten. Er gehört zur schillernden Glasorgel, deren Töne gemächlich dämmern. Trotz ihres zarten Halls, der bisweilen fragile, stets wohlige Tonflimmer bezwingt Frahm die anfängliche Publikumsunruhe umstandslos. Dem Instrumentenflirt, den Frahm längst erliegt, kommen die treibenden Elektroklänge ganz recht. Jene wabern, wölben und laben die auratischen Melodien, schaffen einen träumerischen Wohlklang. Köpfe wippen im Takt, Augen glänzen im gedimmten Licht. Während der wenigen Momente, in denen sich der Musiker zu Ansagen hinreißt, berichtet er von seinem aktuellen Album Music for Animals, um die Zuhörer:innen zu Tiergeräuschen zu animieren. Jenes Raunen wird teil eines Loops, der funktioniert: Schon schallen das Grollen, Zirpen, die Affenrufe und das Vogelgezwitscher der Gewandhausbesucher:innen zwischen den Tönen Frahms. Obgleich es diese unmittelbare Interaktion nicht braucht, um in der ergreifenden Klänge aufzugehen, schafft der Komponist und Pianist damit eine besondere Nähe, suggeriert Greifbarkeit zur Größe der Musik. Ganz wunderbar kulminieren die säuselnde, brausenden, keuchenden Klänge zu berauschender, unbeschwerter Dichte – insbesondere während die induzierten Chorstimmen verhallen. Verloren im Tontaumel, löst Frahms die Zeitvergessenheit mit seinen angekündigten Konzertende und Zugaben ab.
Gefühlsvibrato
Die Landschaften aus Tasten, Knöpfen, Pedalen und Lichtern durchwandert Nils Frahm unbeschwert. Konzentriert, gespannt bisweilen sogar tanzend, bebend changiert er mit den Möglichkeiten seiner Instrumente, vereinnahmt mit seinen beschwörten Klangnebel, Tongewitter und den befreienden Weiten seiner Musik. Unter dem warmfarbenen Scheinwerferlicht bewegt er eben nicht nur sich, sondern auch die Zuhörer:innen – innerlich, denn starr und still weilen sie mit der Musik. Es benötigt eben nicht immer Worte, eher die richtigen Töne, um einen Austausch zu finden – das gelingt Frahm problemlos. Über den zweistündigen Abend kreiert er eine Klangfülle, die dazu einlädt, sich zu verlieren: Seine Musik gleicht einem sphärischen Schimmer in stets fulminanten Sound. Mit einem langem, tosenden Applaus und Standing Ovations wertschätzen Besucher:innen den Konzertabend.
Weblinks NILS FRAHM:
Homepage: www.nilsfrahm.com