Es gibt diese Herbsttage, da ist man froh, dass die Festivalsaison vorüber ist und sich das Livemusik-Geschehen wieder in geschlossenen Hallen abspielt. Der letzte von insgesamt fünf deutschen Tourtagen der Editors im Rahmen ihrer Konzertreise zum neuen Album EBM war so einer. Denn noch bevor der Support die Bühne der Mitsubishi Electric Halle betrat, prasselte ein übler Starkregen auf Düsseldorf und Umgebung nieder. Eine Open-Air-Show wäre aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt worden. So aber durften sich rund 3000 Editors-Fans – manche trocken, manche tropfend – in der Halle auf einen wunderbaren Auftritt freuen. Im Vergleich zum Auftritt vor zweidreiviertel Jahren an Ort und Stelle leider eine eher enttäuschende Besucherzahl, die Krise macht eben scheinbar nur vor Stadion-Acts halt.
Punkt 20 Uhr enterten zunächst The KVB die Bühne. Kat Day und Nicholas Wood, nach einigen gemeinsamen Jahren in Berlin kürzlich in die englische Heimat (Manchester) zurückgekehrt, haben sich mit ihrem (Cold-)Dark Wave-Sound bislang bevorzugt in die Herzen von Szene-Goths gespielt. Ein großer Fan ist allerdings auch Editors-Neuzugang Benjamin “Blanck Mass” Power, vermutlich der Grund dafür, dass The KVB für den Support-Slot ausgesucht wurden. Synthies, monoton pumpende Beats, massig Hall auf Woods Gitarre und genretypisch meist entrückter Gesang verbinden sich zu einem großen hypnotischen Ganzen, visuell gestützt lediglich von eher minimalistisch gehaltenen Videoprojektionen. Der 30-minütige und acht Stücke umfassende Auftritt des Duos, das bei aller Namensgleichheit “absolut nichts mit den Kölner Personennahverkehrsbetrieben zu tun hat” (Zitat Kat Day), hielt jedenfalls die allermeisten Gäste vor der Bühne bei der Stange. Das Foyer war auch nach den letzten lärmigen Klängen des an My Bloody Valentine erinnernden Shoegaze-Brechers Dayzed fast verwaist und The KVB wurden mit ordentlichem Applaus verabschiedet.
Setlist THE KVB @ Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle (24.10.2022)
01. Sunrise Over Concrete
02. World On Fire
03. Always Then
04. White Walls
05. Above Us
06. Never Enough
07. Unité
08. Dayzed
An dieser Stelle sei den Verantwortlichen für die Konservenmusik vor den jeweiligen Auftritten ein Lob ausgesprochen – Werke von New Order, Joy Division, Depeche Mode, den Chemical Brothers oder The Prodigy ließen die Wartezeit wie im Nu vergehen. Um 21 Uhr ging das Licht dann aus und die mittlerweile zum Sextett gewachsenen Editors legten erwartungsgemäß mit Heart Attack, dem Opener von EBM, los. Über den Lichtinstallationen thronte eine dem Albumcoversymbol nachempfundene Figur, auf Videoprojektionen oder weitere auffällige Showeffekte wurde wie gehabt verzichtet. Bei der Qualität der Songs, neu wie alt, braucht schließlich nichts vom Wesentlichen ablenken.
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Die Musik schallte zunächst etwas dumpf durch die Boxen, dies wurde im Laufe des Konzerts aber besser. Von Beginn an auf den Punkt kam aber einmal mehr Frontmann Tom Smith, der in gewohnter Manier gekonnt Inbrunst und Seele mit einem Hauch Theatralik kombinierte und genreübergreifend sicher zu den großartigsten Frontmännern dieser Zeit gehört. Besonders brillant und ergreifend: seine Soloperformance mit Akustikgitarre bei Nothing zur Set-Mitte. Bis es soweit war, ertönte schon ein Dutzend neuer wie alter Songs. Die Mischung stimmte insgesamt, wer die elektronisch-krachigen Stücke wie Strawberry Lemonade oder Picturesque mag, kam genauso auf die Kosten wie die Anhänger der Indie-Rock-Frühwerke The Back Room (drei Songs) und An End Has A Start (vier).
Hörbar auch der Einfluss des neuen Bandmitglieds Ben Power an den Maschinen. So manch Synthbasslinie klang im Vergleich zur Studiovorlage durchaus verschieden, besonders auffällig die Detailarbeit im Instrumental der Strophen der neuen Goth-Disco-Hymne Kiss. Auch die wunderschöne Schleicherballade No Harm bekam ein moderat verändertes, schepperndes Backing verpasst, das einen Besucher gar zu dem Zwischenruf “Ey, datt klingt ja wie die Neubauten!” verleitete. Ok, über die Richtigkeit dieser These kann man streiten – so gefühlvoll kommt die Musik von Blixa & Co. im Regelfall doch nicht daher. Interessanterweise waren aber dennoch mehrere Fans mit Shirts der Berliner Post-Industrial-Ikonen vor Ort – Indiz dafür, dass Editors in der schwarzen Szene immer mehr Fuß fassen.
Treibender elektronisch-rockiger Krach beendete das Hauptset, Strange Intimacy ist nicht nur auf dem Album ein fantastischer Closer. Mindestens drei Songs, die zur Grundausstattung eines jeden guten Editors-Gigs gehören, fehlten aber noch. Und genau diese drei, An End Has A Start, Munich und Papillon hoben sich die Herren aus Birmingham für den Zugabenblock auf. Klar, letzterer wurde mittlerweile von zahlreichen Szene-DJs in den Goth-Discos der Republik totgespielt, live entfacht der Synthie-Pop-Stampfer aber immer noch pure Euphorie. Mit dem gefühlt 37. “Danka schönn” des Abends entließ der sonst wie gewohnt eher wortkarge Tom Smith das Publkum dann auf den Nachhauseweg – und der musste zum Glück nur noch bei moderaten Regenfällen zurückgelegt werden.
Setlist EDITORS @ Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle (24.10.2022)
01. Heart Attack
02. Strawberry Lemonade
03. Bones
04. Karma Climb
05. Picturesque
06. In This Light And On This Evening
07. Sugar
08. Magazine
09. All Sparks
10. Vibe
11. The Racing Rats
12. Frankenstein
13. Nothing
14. All The Kings
15. Blood
16. Smokers Outside The Hospital Doors
17. Kiss
18. No Harm
19. Strange Intimacy
20. An End Has A Start (Z)
21. Munich (Z)
22. Papillon (Z)
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